Jeder Patient ist anders und braucht eine auf ihn zugeschnittene Therapie. Diesem Gedanken folgt die Präzisionsmedizin, der die MedUni Wien nun ein eigenes Institut widmet. Benannt ist es nach dem Vordenker und Nobelpreisträger Eric Kandel (93). Im „Krone“-Interview spricht der gebürtige Wiener über die neuen Heilungschancen und das Geheimnis seiner Fitness im hohen Alter.
„Krone“: Herr Kandel, Sie sind 93 Jahre alt und wirken noch immer so fit. Wie schaffen Sie das?
Eric Kandel: Mein Leben hat sich in all den Jahrzehnten nicht verändert. Ich denke, das ist mein Geheimnis. Es ist immer irgendwie dasselbe geblieben: keine Aufregungen, viele Konstanten. Ich esse noch immer genauso gesund wie früher, also wenig Fleisch, viel Gemüse und frisches Obst. Und ich bewege mich viel. Vor allem gehe ich spazieren und spiele gerne Ball.
Ball?
Ja, Basketball. Ich bin Basketballer. Meistens treffe ich einmal die Woche gute Bekannte, und wir spielen gemeinsam Basketball. Mir macht das viel Spaß!
Sie wirken unglaublich glücklich ...
Das bin ich auch! Das Leben ist schön, ich bin dankbar für alles. Ich habe eine positive Einstellung zum Leben und sehe überall das Schöne. Als meine Familie damals von den Nazis vertrieben wurde und mich meine Schulkollegen verspotteten, ließen wir alle den Kopf nicht hängen und suchten unser Glück anderswo, in Amerika. Wären wir geblieben, weiß ich nicht, ob wir überlebt hätten.
In Amerika haben Sie eine neue Heimat gefunden.
Ich hatte dort fantastische Möglichkeiten und konnte eine tolle Karriere machen. Ich sehe also selbst die Vertreibung positiv. Bitte nicht falsch verstehen: Was geschehen ist, war schrecklich, aber meine Familie hat das Beste daraus gemacht. Und das ist gut so. Ich habe so auch meine Frau kennengelernt, sie ist mein Jungbrunnen. Wir sind nun schon seit 66 Jahren glücklich verheiratet. Da gab es keinen Platz für Affären oder ähnliche Dummheiten. Unsere Seelen sind auf einer Ebene. Wir vertrauen einander. Wichtige Dinge ziehen wir zusammen durch. Ich liege wirklich gerne mit ihr im selben Bett.
Denise Kandel, Ehefrau von Eric Kandel, meldet sich zu Wort und meint: „Ich bin mit meiner Wahl glücklich, aber Corona war für uns als Paar nicht einfach. Wir waren zweieinhalb Jahre lang größtenteils abgeschirmt und allein in unserer Wohnung. Gut, dass sie so groß ist!“ (beide lachen).
Herr Kandel, die MedUni Wien benennt nun ein großes medizinisches Institut nach Ihnen, das Zentrum für Präzisionsmedizin. Wie fühlt sich das an?
Fantastisch. Ich bin stolz darauf. Sie werden sehen: Die Präzisionsmedizin ist eine Revolution. In den nächsten Jahrzehnten werden Forscher unglaubliche Erfolge auf dem Gebiet verzeichnen. Vor allem im Bereich Krebstherapie stehen wir vor Durchbrüchen, aber auch in anderen Disziplinen wie der Heilung von Autoimmun-, Stoffwechsel- oder genetischen Erkrankungen.
Die Präzisionsmedizin ermöglicht höchst individualisierte Therapien. Haben zum Beispiel zwei Personen dieselbe Krebsart, werden Sie unterschiedlich therapiert – abhängig von Alter, Geschlecht, genetischen Veranlagungen, Lebensgewohnheiten etc. Wie weit ist die Forschung schon?
Weit genug, um Erfolge zu vermelden, vor allem in der Krebsforschung. Zum Beispiel lässt sich prognostizieren, welche Therapie das Leben welches Krebspatienten positiv beeinflusst oder verlängert. Aber wir müssen uns noch ein wenig gedulden und weiterforschen. Schon in wenigen Jahrzehnten sind wir auf einem ganz anderen Level.
Sie sind noch bis Dienstag in Wien. Sind Sie in Anbetracht Ihrer Vergangenheit gerne hier?
Für mich zählt die Gegenwart. Und die ist schön. Wir kommen nicht oft nach Österreich, aber ich bin sehr gerne hier und habe Freunde in Wien. Wir steigen immer im selben Hotel ab, dem Sans Souci, die haben dort ein Schwimmbad.
Oh, Sie schwimmen auch?
Ja, sehr gerne sogar. Basketball und das Schwimmbad halten mich fit. Ich genieße das sehr!
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