Im Krieg in der Ukraine dreht sich derzeit alles um die Frage, wann - und wer - die nächste große Offensive startet, die möglicherweise eine Wende bringt. Der österreichische Brigadier Philipp Eder, Leiter der Abteilung Militärstrategie im Verteidigungsministerium, rechnet „jedenfalls im Frühjahr“ mit Bemühungen beider Seiten, Großangriffe zu unternehmen. Es sei ein „Kampf um Zeit“. Die Ukraine hofft deswegen auf die schnelle Lieferung schwerer Waffen.
Vorbereitungen zu Offensiven hätten seiner Ansicht nach auch schon begonnen, erklärte Eder am Montag im Interview mit dem Sender ntv. Denn: „Was jetzt vermeintlich wie Stellungskrieg aussieht, birgt in Wirklichkeit auch Aufklärungstätigkeiten in sich“, so der General. Die russischen und ukrainischen Streitkräfte würden sich aktuell gegenseitig abtasten. „Losschlagen werden sie, wenn der Boden befahrbar ist, und wenn man den Nachschub nach vorne bringen kann“, erläuterte Eder.
Die russische Seite würde dabei versuchen, so früh wie möglich loszuschlagen - sobald sie ihre Verluste an Material und Personal so ausgeglichen habe, dass sie wieder die Fähigkeit zu Initiativen hätte. Die ukrainische Seite rechnet damit, dass die russischen Streitkräfte rechtzeitig zum Jahrestag der Invasion am 24. Februar eine neue Großoffensive beginnen könnte. Der österreichische Brigadier schließt das nicht aus, er geht von einer Offensive „spätestens im März“ aus.
Russischer Vormarsch im Osten
Dann könnten die moskautreuen Truppen versuchen, im Norden vorzustoßen, um so die Verteidiger in Donezk und Luhansk einzuschließen. Hier haben die russischen Streitkräfte zuletzt laut eigenen Angaben Geländegewinne erzielt. Die Truppen hätten in der Bergbaustadt Wuhledar Fuß gefasst, teilte die Verwaltung der von Russland kontrollierten Teile der Provinz Donezk am Montag mit. Der ukrainische Generalstab erklärte, Russland habe in den vergangenen 24 Stunden intensive Luftangriffe und drei Raketenangriffe durchgeführt. Angriffe bei Wuhledar habe man aber zurückgeschlagen.
Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte ein, die Ukraine befinde sich in Donezk in einer schwierigen Lage und benötige schnellere Waffenlieferungen und neue Waffentypen. „Russland will, dass sich der Krieg in die Länge zieht und sich unsere Kräfte erschöpfen. Wir müssen also die Zeit zu unserer Waffe machen. Wir müssen das Geschehen beschleunigen, den Nachschub beschleunigen und der Ukraine neue Waffen eröffnen“, sagte er.
Kampfpanzer sollen Vorteil bringen
Auch die Ukraine werde versuchen, schnell wieder initiativ zu werden, betonte Eder. Hier kommen die Kampfpanzer ins Spiel, die der Westen der Ukraine liefert. Sie sollen den Verteidigern einen schlagkräftigen Vorteil am Schlachtfeld bieten. Der Militärexperte mahnte im ntv-Interview, dass „Kriege nicht durch eine Waffengattung entschieden werden können“. Bei der Ukraine bestehe auch Bedarf an Artillerie, leichten Abwehrwaffen und vor allem auch Munition. „Der Verbrauch an Munition ist enorm“, betonte der General. Kiew hofft auch auf Kampfjets - der deutsche Kanzler Olaf Scholz erteilte diesen Forderungen aber erneut eine Absage.
Verschiedene Panzertypen - Leopard 2 aus Deutschland, Challenger 2 aus Großbritannien und Abrams aus den USA - wurden aber bereits versprochen. Hier gab Eder zu bedenken, dass dies eine logistische Herausforderung sei, da man verschiedene Munitionssorten und Ersatzteile brauche. Erstaunt zeigte sich der österreichische Militärstratege, dass von Politikern teils „genaue Zeitleisten“ zu Waffenlieferungen genannt würden: „Darauf kann sich die russische Seite einstellen.“ Man könnte aber auch täuschen, indem man spätere Zeitpunkte nennt und früher liefern könnte, erklärte Eder.
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