Graz Museum-Direktorin

Sibylle Diensch will „vertiefen statt erweitern“

News aus Graz
01.02.2023 13:00

Seit 1. Jänner leitet Sibylle Dienesch das Graz Museum. Die Übergabe von ihrem Vorgänger war begleitet von Streitereien, aber jetzt möchte sie das Haus - auch in Zeiten von knappen Budgets - in eine neue Ära führen. Im Gespräch mit der „Krone“ erklärt sie ihr Konzept für das erfolgreiche Haus und wie sie mehr Bürger an den Aktivitäten des Museums beteiligen will. 

Steirerkrone: Was hat Sie dazu bewogen, sich für den Posten der Museumsdirektorin zu bewerben?
Sibylle DieneschIch bin seit 16 Jahren am Haus und wäre ja nicht so lange hier, wenn ich nicht gerne hier wäre. Durfte das Haus mit aufbauen und mitgestalten. Ich habe das museologische Handwerk hier von der Pike auf gelernt und habe hier auch die Lust bekommen, einen Schritt weiterzugehen und neue Ideen, meine Ideen, hier einzubringen und in Hauptverantwortung zu gehen. Dafür war auch in meiner eigenen Biografie die Zeit gekommen.

Sie zu eine „Zugeraste“ - welche Beziehung entwickelt man zu einer Stadt, wenn man sie kennenlernt, indem man ihr Erbe verwaltet?
Die Beziehung zu Graz hat sich sehr intensiviert. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, hierherzukommen - auch mit meiner Familie hier leben zu wollen. Die Arbeit am Museum macht da noch eine zusätzliche Bindung zur Stadt auf, weil man sie ja sehr intensiv kennen, schätzen und lieben lernt - aber sie auch kritisch betrachten muss.

(Bild: Edin Prnjavorac)

Mit welchem Konzept haben Sie sich für den Chefposten beworben?
Meine Vision trägt den Titel: „Ein Museum und ein Archiv für Menschen“. Das heißt, dass wir uns als in den Dienst der Gesellschaft stellen wollen. Unsere Kernaufgabe ist es, zu sammeln, aufzubewahren und öffentlich zugänglich zu machen. Aber wir wollen einen Schritt weitergehen, indem wir das Museum und das Archiv als Orte definieren, in denen auch demokratische Prozesse stattfinden. Das heißt, wir wollen das Museum als Bildungs- und Versammlungsort zur Verfügung stellen, wo Fragen, die die Stadtbewohner*innen betreffen, thematisiert und verhandelt werden. Ein Ort also, wo unterschiedliche Menschen und Meinungen zusammentreffen, wo es auch Streit und Konflikt geben kann und wir als Haus diese Prozesse begleiten und versuchen, zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Das wäre die Vision für die kommenden fünf Jahre, die wir mit den Mitarbeitern des Hauses gerade gemeinsam ausarbeiten.

Gibt es schon erste konkrete Schwerpunkte?
Einen Schwerpunkt wollen wir auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Nachkriegszeit legen, wo wir in der Sammlung gewisse Lücken haben. Gerade bei der Nachkriegsgeneration haben wir aktuell noch die Möglichkeit, ihre Geschichten aus erster Hand zu sammeln und auch Objekte aus dieser Zeit ans Haus zu bringen. So können wir diese Zeit in der Stadtgeschichte aufarbeiten und diese dann auch in Form von Ausstellungen im Haus präsentieren.

Sibylle Dienesch ist seit 1. Jänner 2023 Direktorin des Graz Museums (Bild: Sebastian Reiser)
Sibylle Dienesch ist seit 1. Jänner 2023 Direktorin des Graz Museums

Wenn sich der Fokus der Arbeit in Richtung Partizipation der Bevölkerung verschiebt, heißt das in Konsequenz aber auch, dass es weniger Geld für konkrete Ausstellungen gibt, oder?
Über das denken wir gerade viel nach. Es gibt zum Glück eine große Kompetenz am Haus, vor allem, was das Machen von Ausstellungen betrifft - darauf können wir bauen und Ausstellungen werden immer ein zentraler Punkt unserer Arbeit sein. Aber wir müssen uns schon auch fragen, wie die Ausstellungsformate der Zukunft aussehen und müssen uns überlegen, ob wir vielleicht mehr mit Formaten arbeiten, mit denen wir dann auch hinausgehen können - etwa in die Bezirke.

Das heißt aber auch, dass Projekte wie die Tennenmälzerei oder die Erweiterung des Haupthauses in Richtung Reinerhof derzeit nicht Teil des Konzepts sind?
Das sind zwei sehr gut konzipierte Projekte, die aber in Zeiten entstanden sind, in denen die Stadt und auch unser Haus noch auf Expansionskurs waren. Mittlerweile müssen wir realistisch sein und sagen, das ist aktuell budgetär einfach nicht möglich. Deshalb hat Kulturstadtrat Günter Riegler diese Projekte - in Abstimmung mit mir - auch vorerst abgesagt. Was ich aber nicht aufgeben möchte, ist die räumliche Umgestaltung des Erdgeschosses, um auch Räume für partizipative Projekte zu schaffen. Und wir wollen den Innenhof grüner gestalten. Und auch das Stadtarchiv braucht neue Lagerkapazitäten für die Sammlung und das Archiv - das Thema gilt es, weiterzudiskutieren.

(Bild: Sepp Pail)

2028 feiert die Stadt Graz den 900. Geburtstag - haben auch da schon die Planungen begonnen?
In dem Jahr feiert auch das Stadtmuseum seinen 100.Geburtstag, es gibt also zwei Anlässe zu begehen. Die Frage, die wir uns derzeit stellen, ist, wie feiert man ein solches Jubiläum zeitgemäß? Diese Frage wollen wir auch mit den Bürgern diskutieren, bevor wir in die konkrete Planung gehen.

Muss es für so ein Projekt ein extra Budget geben?
Wenn man sich die heutige budgetäre Situation der Stadt anschaut - und es ist ja damit zu rechnen, dass sich das in den kommenden Jahren fortsetzen wird - dann wird man sehr genau darüber nachdenken müssen, wo und ob man dafür zusätzliches Geld bekommt. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, welche Ziele wir haben und bei den Zielen, die uns wichtig sind, müssen wir dann darüber nachdenken, wie wir sie auch mit restriktiveren Budgets erreichen können. Mein Ziel ist es generell, das Haus nicht zu erweitern, sondern die Arbeit zu vertiefen.

Absoluter Höhepunkt des neuen Museums: Das multimedial bespielte Modell des Schloßbergs (Bild: Sepp Pail)
Absoluter Höhepunkt des neuen Museums: Das multimedial bespielte Modell des Schloßbergs

Der Abschied von ihrem Vorgänger Otto Hochreiter ist nicht so gelaufen, wie man es sich gewünscht hätte und er hat ihnen und der Stadt Graz die Übergabe schwer gemacht. Wie ist es Ihnen damit gegangen?
Über das Thema habe ich viel nachgedacht. Aber wir haben so lange so gut miteinander gearbeitet und waren stets in so guter Auseinandersetzung, dass ich letztlich entschieden habe, die Beziehung nicht von seinem schwierigen Ende aus zu definieren, sondern von dem vielen Positiven, das wir gemeinsam erreicht haben. Vieles davon wollen ich und mein Team auch weiterführen, vieles wollen wir künftig aber auch anders machen.

Wann werden konkret die ersten neuen Konzepte präsentiert? 
Wir arbeiten gerade intern im Team sehr intensiv daran, Mitte März wollen wir dann erste Ideen präsentieren. Da geht es vor allem um einen Themenkomplex, den wir ab Herbst intensiv mit der Bevölkerung diskutieren wollen. Wir beginnen jetzt einen gemeinsamen Weg, der fünf Jahre lang dauern soll und hoffentlich viele spannende Begegnungen mit den Stadtbewohnern bringen wird, die bereit sind, ein Stück des Weges mit uns zu gehen.

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