Anwälte äußern sich

Lebenslang: Wien-Attentäter mordete nicht alleine

Gericht
02.02.2023 20:34

Vier Angeklagte sind mitschuldig an dem Tod von vier Menschen in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020, an mehrfachem versuchten Mord und zahlreichen Körperverletzungen. Dafür hagelte es am Urteilstag im Terrorprozess hohe Strafen: „Urteile getrieben von Emotion und dem schrecklichen Ereignis!“

Am Boden, auf den Stiegen, angelehnt an die Wand. Der Bereich vor dem Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht war brechend voll mit wartenden Angehörigen und gespannter Presse.

Geschworene brauchen 10 Stunden für Schuld- und Freisprüche
Bis acht Uhr am Abend dauerte die Beratung der Geschworenen über die insgesamt 28 Fragen - die über das Schicksal der sechs angeklagten Männer entschieden. Weitere zweieinhalb Stunden wurde über die Strafhöhen beraten. Mitten in der Nacht ging die Tür zum Gerichtssaal wieder auf. Die Reihen füllten sich schnell - nur der Erstangeklagte ließ auf sich warten.

Zweimal lebenslange Haft
Um Mitternacht dann endlich die Verkündung der Strafen: Drei der Männer - der Dritt-, Viert- und Sechstangeklagte - sind schuldig der Beihilfe zu terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord. Sie werden als Helfer und Unterstützer von Attentäter Kujtim F. verurteilt: lebenslange Haft für den Viertangeklagten (28). Der Dritt- und Sechstangeklagte waren zum Tatzeitpunkt noch junge Erwachsene. Ersterer fasst die Höchststrafe, 20 Jahre, aus. Der Unbescholtene von beiden ein Jahr weniger. Er muss somit 19 Jahre in Haft.

Anwalt Elmar Kresbach verteidigt den Viertangeklagten. (Bild: Gerhard Bartel)
Anwalt Elmar Kresbach verteidigt den Viertangeklagten.
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Der 2. November 2020 sitzt wie ein großer schwarzer Vogel über diesem Akt und dem Gerichtssaal.

Verteidiger des Viertangeklagten Elmar Kresbach

Nicht alle sind als IS-Terroristen verurteilt
Bei dem 32-jährigen Fünftangeklagten und Waffenhändler des Schützen gab es eine Besonderheit: Aus sämtlichen Fragen wurde die terroristische Komponente gestrichen. Übrig blieb trotzdem die Beihilfe zum Mord. Dafür kassierte er ebenfalls die Höchststrafe: lebenslange Haft!

Astrid Wagner verteidigt den Waffenhändler des Wiener Attentäters. (Bild: Denise Auer)
Astrid Wagner verteidigt den Waffenhändler des Wiener Attentäters.
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Die Frau und die Mutter meines Mandanten sind zusammengebrochen. Das Urteil war nicht einstimmig.

Verteidigerin Astrid Wagner über das lebenslange Urteil des Fünftangeklagten

Verteidiger konnten Freisprüche erzielen
Zwischen den reihenweisen Schuldsprüchen versteckten sich auch Freisprüche. So durften der Erst- und Zweitangeklagte am Urteilstag nach Hause gegen. Wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und IS-Propaganda gibt es für sie eine teilbedingte Haftstrafe mit sechs Monaten Gefängnis. Diese haben die Männer bereits in Untersuchungshaft verbüßt.

Anwalt Manfred Arbacher-Stöger verteidigt den Zweitangeklagten. (Bild: Zwefo)
Anwalt Manfred Arbacher-Stöger verteidigt den Zweitangeklagten.
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Der Rechtsstaat hat funktioniert in vollem Umfang. Die Geschworenen haben einen richtigen und gerechten Wahrspruch gefällt.

Anwalt Manfred Arbacher-Stöger ist mit dem Urteil seines Mandanten äußerst zufrieden.

Vom zentralen Anklagepunkt - der Beteiligung an terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord - werden beide freigesprochen. Die Erleichterung war ihnen ins Gesicht geschrieben. Erstickte Seufzer von den Angehörigen der verurteilten Terrorhelfer.

Verteidiger David Jodlbauer vertritt den Erstangeklagten. Der war während des Prozess nicht in U-Haft. (Bild: Vzg)
Verteidiger David Jodlbauer vertritt den Erstangeklagten. Der war während des Prozess nicht in U-Haft.
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Mein Mandant war wahnsinnig erleichtert - und ich auch. Es stand für ihn sehr viel auf dem Spiel!

Verteidiger David Jodlbauer freut sich, den Erstangeklagten nach Hause gehen zu sehen.

Verteidiger Elmar Kresbach sieht die Höchststrafen von Emotionen getrieben: „Der 2. November 2020 sitzt wie ein großer schwarzer Vogel über diesem Akt und dem Gerichtssaal.“ Genau wie die Anwälte Astrid Wagner und Wolfgang Mekis meldet er volle Rechtsmittel an. Verteidiger David Jodlbauer und Manfred Arbacher-Stöger nehmen das Urteil zufrieden an. Rechtskräftig sind sie alle nicht. Die Staatsanwaltschaft gibt keine Erklärung ab.

Nach Stunden des Wartens und einer langen Urteilsverkündung wurde der Terrorprozess um 1 Uhr nachts geschlossen. Doch warum dauert es so lange? „Ganz interessant fand ich das Abstimmungsverhalten der Geschworenen. Teilweise war es ganz knapp. Das könnte die lange Beratungsdauer erklären. Die Geschworenen haben das wohl recht intensiv diskutiert und differenziert beurteilt“, reflektiert Jodlbauer. 

Über die Grenzen von Österreich diskutiert
Für ausländische Beobachter sind die Strafen beachtlich: „Wenn man den Urteilen folgt, ist es jedenfalls so, dass wir es nicht mit einem Einzeltäter zu tun hatten“, sagte der Berliner Terrorismusexperte Guido Steinberg. Kujtim F. mordete nicht alleine ...

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