Wegscheider, Ledererkeusche, Holzmeister: Der Stiegelschneider besuchte Hunderte Höfe im Bezirk Feldkirchen, um die Herkunft und Geschichte der Vulgarnamen bewusst zu machen. Ein Kulturgut, das Identität stiftet.
In vielen Orten kennt man die Nachnamen einiger Bewohner gar nicht, wohl aber deren Vulgarnamen, und das ist praktisch, denn oft tragen mehrere Familien den gleichen Nachnamen, aber jeder einen anderen Vulgarnamen. Vulgo, aus dem Lateinischen, erklärt der Duden mit gemeinhin, gewöhnlich genannt. Und diese gewöhnlich benutzten Namen sind ein Kulturgut und ein Identitätsfaktor.
Wo Ross und Fuhrwerker angestrengt schnauften
Die meist sprechenden Namen beschrieben oft die geografische Lage des Hofes wie Ortner, beim Ort, oder Holzer, am Waldrand. „Bei mir heißt es Stiegelschneider, weil es früher einen starken Anstieg gab, ein Stiegel. Die Mutter erzählte oft, wie schwer es die Fuhrwerker hatten, damit sie mit den Pferden übers Stiegel kamen“, erzählt Alois Spitzer, der Stiegelschneider Loise aus Rennweg.
In seiner Jugend galten seine Leidenschaften dem Tanzen, Singen und Theaterspielen, später hat er sich immer mehr für Vulgarnamen interessiert und daraus ein umfassendes, zweieinhalbe Jahre dauerndes Projekt gemacht.
„Ich habe in den Gemeinden des Bezirkes Feldkirchen Leute gesucht, die mit mir Listen über die alten Hausnamen erstellen. Quellen waren alte Grundbücher und Erzählungen der Leute“, erklärt Spitzer, der Bezirksobmann des Bildungswerke Feldkirchen war.
Um Bedeutung und Herkunft der Namen auf den Grund zu gehen, hatte er Unterstützung von gut 100 Leuten im Bezirk, von Sprachwissenschafter Heinz-Dieter Pohl und Historiker Wilhelm Wadl. „Mir wurde schnell klar: Nie mehr ein Auto ohne Allrad“, lacht der Stiegelschneider, denn auf der Fahrt zu den Höfen gab es einige brenzlige Situationen.
Mehr als 20.000 historische Fotos digitalisiert
„Das schönste war, wenn um den großen Kuchltisch von der Oma bis zum Enkel alle gemeinsam alte Fotos angeschaut haben. Die Geschichte, die dazu erzählt wurden, haben viele aus der Familie noch nicht gekannt“, freut sich Spitzer, der bei seinen Besuchen über 20.000 Fotos aus neun Gemeinden gesammelt hat!
„Anhand einiger Bilder sieht man, was heute diskutiert wird: die Bodenversiegelung. Wie viele Gebäude gab es früher, wie viele heute? Aus Schotterwegen wurden Asphaltstraßen“, nennt Michael Aichholzer, der Geschäftsführer des Kärntner Bildungswerkes, einen der Gründe, warum das Projekt mehr ist als eine Sammlung identitätsstiftender Namen.
Deutlich wird auch, wie sich die Berufe änderten: „Wir hatten vier Schmiede im Ort, den Brucknschmied, den Gråbnschmied, den Lindwirt-Schmied und den Dorfschmied“, weiß Spitzer. „Am Flatschacher Teich, heute sagt man See, gab es die Teichhüterkeusche. Der dort lebende Teichhüter pflegte für das nahe Gut den Teich, die Fische.“
Schwer zu finden: Ehemänner für die Wasenmeistertöchter
Überall gab es auch den Wasenmeister. „Das war der Abdecker, der die verendeten Tiere eingrub, um Seuchen zu vermeiden. Die Wasenmeisterkeusche steht oft an einem Moor, wahrscheinlich, weil man dort leichter graben konnte, oder einfach die Graswasen aufklappen. Wasenmeister waren verpönt, deren Töchter fanden kaum Männer“, so Spitzer. Einige Vulgonamen wurden zu Nachnamen, wie Pinter, der Fassbinder.
Mehr als 1000 neue Vulgarnamentafeln
Der Stiegelschneider, der Fotos und Erkenntnisse in jeder Gemeinde präsentierte, regte auch an, die Vulgarnamen sichtbar zu machen: Mehr als 1000 Tafeln zeugen nun von der Geschichte der Häuser. Und schon hat der Stiegelschneider neue Ideen für eine lebendige Gemeinschaft im Ort. Aber das ist eine andere Geschichte...
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