Wegen Engpässen wird die Suche nach Arzneimittel bei Eltern und Apotheker immer schwieriger. Was sind kurz- und langfristige Lösungen? Und welche Gefahren bergen Online-Apotheken?
Weil ein Fünfjähriger an Angina erkrankte, wollte seine Mutter das benötigte Antibiotikum gleich in einer Apotheke abholen. Daraus sollte dann ein längerer Spießrutenlauf werden: „Ich habe 25 Apotheken in Graz durchgerufen, in drei hätte ich zwar geringere Dosen bekommen, nicht aber das verschriebene Mittel“, berichtet sie. Eine Apothekerin gab der Grazerin den Tipp, es in Bruck an der Mur zu versuchen. „Dort war ich endlich erfolgreich. Also bin ich mit einem kranken Kind am Rücksitz 120 Kilometer gefahren.“
Dass Eltern und Apotheker immer mehr Strapazen auf sich nehmen, zeigte auch unlängst ein Fall in Niederösterreich: Ein Apotheker holte ein nicht lieferbares Medikament für einen Achtjährigen persönlich in Madrid ab - sämtliche Anfragen bei Großhändlern und Herstellern verliefen im Sand.
Österreich ist bei Medikamenten ein Billigpreisland und internationale Konzerne liefern dorthin, wo der Preis höher ist. Bestimmte Mengen müssen aber nach Vereinbarungen mit der Krankenkasse geliefert werden.
Gerhard Kobinger
Sind Register für Lagerbestände sinnvoll?
„Dabei dürfte es sich wohl um ein spezielles Medikament gehandelt haben“, mutmaßt der steirische Apothekerkammer-Präsident Gerhard Kobinger, denn meist gebe es Alternativen oder Restbestände. Wo jene zu finden sind, komme darauf an, was Apotheken lagernd hätten, ist aber nicht für andere einsehbar: „Wir sehen, was lieferbar ist, aber ein Register für Bestände zu führen, ist nicht machbar.“
In der Grazer Opernapotheke seien gerade Kinderarzneien, Antibiotika und Fiebersäfte Mangelware. Seit die Apothekerin Emilia Milenkovics dort 2016 begonnen hat, war die Situation nie so prekär: „Man muss gerade spitzfindig sein.“
Die vom Gesetz regulierte Spanne ist seit 19 Jahren gleich, Kosten sind aber gestiegen, mit der Inflation ist Feuer am Dach. Um eine Versorgung sicherzustellen, müssen vor allem Medikamente im Preissegment unter 6 Euro teurer werden.
Christian Stangl
Lieferengpässe führen zu mehr Eigenproduktion
Denn Apotheken können hier zum Teil selbst tätig werden, Lieferungen werden generell aber aufgeteilt. „Sind Produkte nicht verfügbar, müssen wir sie auch kontingentiert weitergeben, sonst gehen einige leer aus“, erklärt Christian Stangl, Grazer Betriebsdirektor von Herba Chemosan, die 200 Apotheken steiermarkweit mehrmals täglich beliefern.
Derzeit heißt es aber in Apotheken auch oft selbst Hand angelegen. „Nachbauen“ ist dann ein Muss, wenn Arzneien vom Markt genommen wurden. Milenkovics: „Wir stimmen das aber immer mit den Ärzten ab!“
Wer sein gewohntes rezeptfreies Präparat nicht in der Apotheke bekommt, versucht es im Internet. Und kauft sogar günstiger: Statt 55,90 € kostet ein Nahrungsergänzungsmittel nur 35,48 €, Reizhusten-Tropfen nur 13,29 statt 18,90 €. Kein Wunder, dass sich immer mehr Steirer durch Online-Apotheken klicken.
In den USA startete Amazon Pharmacy mit einem Medikamenten-Abo für Prime-Kunden. Auch bei der Shop-Apotheke bemerkte man zuletzt eine erhöhte Nachfrage: wegen der starken Erkältungssaison. Viele füllten auch aus Angst vor erneutem Mangel ihre Hausapotheken wieder auf. Wie in Graz kämpft man auch bei der Versandapotheke „Zur Rose“ mit Lieferproblemen bei Fiebersäften und Zäpfchen.
Wie solche Preise möglich sind? Großeinkäufe! Ob man Bedenken haben muss? Bei Shop-Apotheke heißt es: „Wir kooperieren nur mit europäischen Markenherstellern und Großhändlern, garantieren Kunden so originale Produkt-Qualität.“ Und die entspreche jener in stationären Apotheken.
Gerhard Kobinger kritisiert aber, dass gerade der Ertrag im rezeptfreien Bereich für Apotheken wichtig sei, um Kosten von Nachtdiensten oder Individualanfertigungen zu decken. „Wenn das immer mehr machen, bekommt das auch die Bevölkerung zu spüren.“
Was die Produkion in Europa noch mit sich bringt
Sollte künftig wieder in Europa produziert werden, wird’s für die Kunden teurer: wegen Umweltstandards und Lohnkosten. „Kunden werden das aber nur im Cent-Bereich merken“, beruhigt Stangl. Und: „Wir sprechen frühestens von drei bis sieben Jahren“, so Kobinger.
Das Abflauen der Infektionswelle soll nun einmal kurzfristig Linderung bringen.
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