„Katastrophe naht“
Forscher befürchten enormes Erdbeben in Istanbul
Nach den verheerenden Beben an der türkisch-syrischen Grenze werden wieder warnende Stimmen zahlreicher Forscher laut: Seit Jahrzehnten wird ein katastrophales Erdbeben in Istanbul vorausgesagt, das zwischen 40.000 und 100.000 Menschenleben fordern könnte. Erschwerend kommt hinzu: In jüngster Zeit mehren sich die Vorzeichen, dass es bald so weit sein könnte …
Bereits im Jahr 2006 machte der britische Professor Okan Tuysuz von der Technischen Universität Istanbul bei einem Gespräch mit der Zeitung „The Guardian“ darauf aufmerksam, dass es in den nächsten Jahren ein gewaltiges Beben in der Bosporusmetropole geben könnte: „Wir können nicht vorhersagen, wann genau es passieren wird. Aber es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 65 Prozent, dass Istanbul bis 2030 von einem Erdbeben der Stärke 7,6 heimgesucht werden wird - und das ist eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit“, so der Experte.
Sicher ist: Die Katastrophe wird kommen
Seitdem veröffentlichten zahlreiche Forscher ähnliche Prognosen. Der springende Punkt ist die schwierige Lage der Millionenstadt - denn dort stößt die Anatolische an die Eurasische Erdplatte. Das katastrophale Beben von Montag soll zudem die tektonischen Spannungen in der gesamten Türkei durcheinandergebracht haben.
Daher sei nun das am nordwestlichen Rand der Anatolischen Platte liegende Istanbul besonders bedroht. Sollte der „Worst Case“ eintreten, würden laut Tuysuz 40 Prozent des Istanbuler Stadtgebiets betroffen sein. Zudem könnte ein Tsunami mit sieben Meter hohen Wellen über die Metropole hereinbrechen.
Stadt schlecht vorbereitet
Für den Notfall wird geübt. Die Bürger werden via Telefon informiert. Radio- und Fernsehsender sowie Lautsprecher von Moscheen und Gemeinden geben die Warnung weiter. In einem der gefährdetsten Gebiete der Stadt wurde ein Tsunami-Frühwarnsystem installiert. Es soll fünf bis sieben Minuten, bevor die erste Welle hereinbricht, anschlagen.
Allerdings sind die Maßnahmen laut Experten nicht ausreichend. Vor allem sei bedenklich, dass die Bauindustrie nicht ausreichend reguliert worden sei. Haluk Eyidogan von der Technischen Universität Istanbul schilderte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass es die Regierung in zwei Jahrzehnten nicht geschafft habe, die Stadt angemessen auf ein Beben vorzubereiten. Für gut situierte Bürger habe man zwar sichere Hochhäuser errichtet. Die ärmeren Gesellschaftsschichten müssten hingegen nach wie vor in unsicheren Bauten ihr Dasein fristen.
Und auch an der Einstellung der Menschen vor Ort hakt es. Denn viele Istanbuler wollen laut dem Psychologen Ibrahim Eke nicht wahrhaben, dass eine Katastrophe naht. Stattdessen unterdrücken sie die Angst, indem sie die Augen vor der Realität verschließen nach dem Motto: „Komme, was wolle, denn das ist Schicksal.“
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