„Risiko zu hoch“

Schüsse gefallen: Heer unterbricht Rettungseinsatz

Ausland
11.02.2023 10:15

Der Rettungseinsatz im türkischen Katastrophengebiet (Video oben) wird dem österreichischen Bundesheer vorerst zu brenzlig: Aufgrund einer zunehmend schwierigen Sicherheitslage zogen sich die österreichischen Soldaten in ein Basislager zurück. „Der erwartbare Erfolg einer Lebendrettung steht in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem Sicherheitsrisiko“, erklärte Oberstleutnant Pierre Kugelweis Samstagvormittag. Sogar Schüsse sollen gefallen sein. Viele Menschen werden noch unter den Trümmern vermisst, doch die Helfer bergen inzwischen fast nur mehr Leichen.

„Der erwartbare Erfolg einer Lebendrettung steht in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem Sicherheitsrisiko“, erklärte Oberstleutnant Pierre Kugelweis. „Es gibt zunehmend Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei. Es sollen Schüsse gefallen sein“, schildert er die dramatische Lage. Mit zahlreichen anderen Hilfsorganisationen halte sich die österreichische Katastrophenhilfseinheit nun in einem Basiscamp in der türkischen Provinz Hatay bereit.

Spezialkräfte des Bundesheeres waren in die Türkei gereist, um Menschen aus dem Trümmermeer zu retten. Die Hoffnung, noch Lebende zu bergen, übersteige aber nun das Sicherheitsrisiko, so ein Sprecher. (Bild: facebook.com/bundesheer)
Spezialkräfte des Bundesheeres waren in die Türkei gereist, um Menschen aus dem Trümmermeer zu retten. Die Hoffnung, noch Lebende zu bergen, übersteige aber nun das Sicherheitsrisiko, so ein Sprecher.
Die Rückkehr der Soldaten nach Österreich ist für Donnerstag geplant - bis dahin stehen sie für weitere Einsätze bereit, hieß es. (Bild: facebook.com/bundesheer)
Die Rückkehr der Soldaten nach Österreich ist für Donnerstag geplant - bis dahin stehen sie für weitere Einsätze bereit, hieß es.

Oberstleutnant: Wir würden gerne weiter helfen“
Seit Dienstag befinden sich 82 Soldaten der sogenannten Austrian Forces Disaster Relief Unit im Katastrophengebiet und konnten neun verschüttete Menschen bergen. In den frühen Morgenstunden wurden die Rettungsaktionen wegen der Sicherheitslage nun gestoppt. „Es gab keinen Angriff auf uns Österreicher. Es geht uns allen gut“, kann Kugelweis beruhigen. Die Stimmung unter den Helfern sei den Umständen entsprechend gut. „Wir würden gerne weiter helfen, aber die Umstände sind, wie sie sind.“

Schwangere nach 115 Stunden aus Trümmern gerettet
Wie der türkische Vize-Präsident Fuat Oktay in der Nacht auf Samstag erklärte, konnten in den vergangenen 24 Stunden landesweit noch 67 Menschen lebend aus den Trümmern gerettet werden. Es kommen durchaus noch berührende Einzelschicksale mit glücklichem Ende vor. So wurde in dem Bezirk Nurdagi in der Provinz Gaziantep eine Schwangere aus dem Schutt gezogen. Ein Video zeigt den unglaublichen Moment, in dem die Retter zu Zahide Kaya durchdringen und sie auf einer Bahre wegtragen.

Ebenfalls in Gaziantep konnten Helfer ein neunjähriges Mädchen ans Tageslicht holen - 108 Stunden nach dem Beben. Tragischerweise waren seine beiden Eltern und seine Schwester zu diesem Zeitpunkt bereits tot. In Kahramanmaras wurde ein 46 Jahre alter Mann aus der Ruine eines siebenstöckigen Gebäudes gerettet. Er war 112 Stunden lang verschüttet. 

Solche erfolgreichen Rettungen werden jedoch immer seltener - Menschen können im Regelfall nicht länger als drei Tage ohne Wasser überleben, dazu kommen noch eisige Temperaturen im Katastrophengebiet. In der Türkei wurden mittlerweile 20.665 Tote geborgen und 80.052 Verletzte vom Gesundheitsministerium gemeldet. In Syrien wurden 3500 Todesopfer gezählt. Diese Zahlen werden wohl noch dramatisch steigen, da die Vermisstenzahlen noch immer sehr hoch sind.

Die Erdbeben machten Hunderttausende Menschen obdachlos, 24,4 Millionen Türken sind von den Erdbeben betroffen. Fast 93.000 Personen wurden aus den Bebengebieten herausgebracht, berichteten die türkischen Behörden. An Rettungs- und Hilfseinsätzen sind mehr als 166.000 Einsatzkräfte beteiligt. Berlin plant indes Visaerleichterungen für die Einreise vom Erdbeben betroffener Personen nach Deutschland an. „Viele Menschen in Deutschland haben Verwandte in der Katastrophenregion und sorgen sich verzweifelt um sie“, so der deutsche Agrarminister Cem Özdemir.

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