SPD ausgebremst

Berlin: CDU erstmals seit 20 Jahren stärkste Kraft

Ausland
13.02.2023 06:42

Triumph für die CDU, historische Niederlage für die SPD und der Abschied aus einem weiteren Landesparlament für die FDP: Die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner sind bei der Wahl in Berlin mit großem Abstand stärkste Kraft geworden. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzte ab, konnte aber nach Auszählung aller Stimmen ganz knapp Platz zwei gegen die Grünen verteidigen. Die AfD legte zu und ist wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP schied aus.

Die Berliner CDU schnitt am Sonntag so stark ab wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und meldete Anspruch auf Bildung einer Regierung unter ihrer Führung an. Möglich wäre etwa ein Zweierbündnis entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen - weiterhin mit Giffey an der Spitze, deren SPD unter den drei Parteien knapp die stärkste blieb.

CDU gewann deutlich hinzu
Nach Auszählung aller Stimmen gewann die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die SPD liegt bei 18,4 Prozent (21,4), die Grünen ebenfalls (18,9). Doch hat die SPD nur 105 Stimmen Vorsprung. Die Linke rutschte auf 12,2 Prozent ab (14,1). Die AfD legte dagegen auf 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verlor deutlich und scheiterte mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1).

Nach Angaben des Landeswahlleiters gibt es 159 Sitze. Davon erhält die CDU 52. Die SPD und die Grünen bekommen je 34 Mandate. Die Linke kommt auf 22 Sitze, die AfD auf 17.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kann sich bei der wiederholten Wahl in Berlin über ein sattes Plus freuen. (Bild: APA/AFP/Odd ANDERSEN)
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kann sich bei der wiederholten Wahl in Berlin über ein sattes Plus freuen.

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem „phänomenalen“ Erfolg und sagte: „Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.“ Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: „Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.“

Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD - „daran gibt es nichts zu deuteln“. Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. „Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen.“ SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte im ZDF ein: „Ja, selbstverständlich schmerzt das.“ Die CDU habe einen Nerv im Wahlkampf getroffen. Es könne daher kein Weiter-So, etwa in der Verwaltung, geben. Alle Parteien müssten jetzt schauen, wie Mehrheiten gebildet werden könnten.

Die Berliner Bürgermeisterin und SPD-Kandidatin Franziska Giffey bei der Stimmabgabe (Bild: AP)
Die Berliner Bürgermeisterin und SPD-Kandidatin Franziska Giffey bei der Stimmabgabe

SPD will Dreier-Koalition auch bei Niederlage fortsetzen
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sieht trotz hoher Zugewinne der CDU „keine Machtoption“ für deren Spitzenkandidaten. „Kai Wegner hat ganz klar einen Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben“, sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“. Daher sehe sie wenige Möglichkeiten für ihn zu einer Regierungsbildung. Schon vor der Wahl hatten SPD und Grüne angedeutet, dass sie ihre Koalition mit der Linken auch im Fall eines CDU-Siegs fortsetzen wollen, wofür die Mehrheitsverhältnisse auch reichen würden.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach sich auch Sonntagabend für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus. „Die jetzige Regierungskoalition hat eine klare und stabile Mehrheit“, sagte sie in der ARD. Der Weg zu einer möglichen Koalition mit der CDU ist aus ihrer Sicht im Wahlkampf „ein Stückchen weiter geworden“. „Denn da wurden diverse Dinge nochmal zugespitzt“, sagte sie im ZDF. Die Grünen empören sich über Äußerungen von CDU-Politikern in der Integrationsdebatte nach den Krawallen in der Silvesternacht und fremdeln mit deren betont autofreundlicher Verkehrspolitik. Gleichwohl werde ihre Partei auch mit der CDU reden.

„Der Ball liegt bei der Union“
Wahlforscher Thorsten Faas erwartet nun eine langwierige Regierungsbildung. Trotz der hohen Zugewinne der CDU sei es schwierig, aus dem Wahlergebnis ein „Regierungssignal“ herauszulesen, sagte Faas der Deutschen Presse-Agentur. „Der Ball liegt bei der Union. Aber ob es ihr gelingt, eine Mehrheit zu bilden, ist mehr als offen.“ Der bisherige Senat werde in der Zwischenzeit im Amt bleiben. „Sollte sich eine der beiden Parteien für einen Wechsel zur CDU entscheiden, dann wird es für Grün oder Rot ein schwieriger Gang, weil das eigentlich gefühlt der politische Gegner ist“, sagte der Politikprofessor an der Freien Universität Berlin.

Nach Einschätzung von Experten profitierte die CDU unter Wegner bei der gerichtlich angeordneten Wiederholungswahl von der Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat. Nur selten habe es für Regierungspolitik schlechtere Noten gegeben, hieß es am Sonntagabend in einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen. Mitverantwortlich für das gute CDU- und das schwache SPD-Ergebnis sei auch gewesen, dass Giffey wenig Zugkraft entfaltet habe. Hinzu komme die Schwäche der FDP und eine gute Mobilisierung der CDU bei älteren Wählern.

Fehlender Wohnraum als Streitthema
Großes Thema des kurzen Wahlkampfs war neben der Mieten- und Verkehrspolitik eine scharfe Debatte über die Silvesternacht, in der Krawallmacher Polizei und Rettungskräfte attackiert hatten. Auch deutschlandweit wurde aufgeregt über Jugendgewalt, Täter mit Migrationshintergrund und Integrationsprobleme diskutiert. Besonders stark polarisierte die Landes-CDU, die die Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit erfragte.

Die CDU feierte am Sonntagabend bereits den Wahlsieg. (Bild: AFP)
Die CDU feierte am Sonntagabend bereits den Wahlsieg.

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Landeswahlleiters bei 63,1 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Deutsche Bundestag gewählt.

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