Der frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi sorgt mit putinfreundlichen Aussagen für Empörung. Er macht den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für den Ukraine-Krieg verantwortlich und droht mit einem Ende der Waffenlieferung. Damit brachte er Regierungschefin Giorgia Meloni in Verlegenheit und Kiew gegen sich auf.
Wenn Selenskyj die Angriffe auf die beiden separatistischen Republiken des Donbass eingestellt hätte, wäre es nicht zum Krieg gekommen, hatte Berlusconi am Sonntag vor Journalisten in Mailand schwadroniert. „Daher beurteile ich das Verhalten dieses Herrn sehr, sehr negativ“, sagte der 86-jährige Chef der konservativen Partei Forza Italia, die der italienischen Regierung angehört. Berlusconi forderte zudem die USA auf, Druck auf Selenskyj auszuüben. Zugleich drohte er, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und versprach ein massives Hilfsprogramm, falls die Ukraine einem sofortigen Waffenstillstand zustimme.
Regierung will Wogen glätten
Melonis Büro erklärte daraufhin noch am Sonntag in Rom, die italienische Regierung unterstütze die Ukraine „fest und überzeugt“. Die Regierungschefin will noch im Februar nach Kiew reisen. Außenminister Antonio Tajani betonte, man sei immer für die Unabhängigkeit der Ukraine eingetreten, Verteidigungsminister Guido Crosetto bekräftigte diese Ansicht. „Die Handlungen dieser Regierung, die vom Parlament und von allen politischen Kräften gebilligt wurden, sprechen für sich. Die Position Italiens kann nicht infrage gestellt werden und wird von keiner politischen Kraft infrage gestellt, weder von der Mehrheit noch von einem großen Teil der Opposition“, so der Verteidigungsminister.
Berlusconis sinnlose Anschuldigungen gegen Selenskyj sind ein Versuch, Putins Hände zu küssen, die bis zu den Ellbogen blutig sind.
Oleg Nikolenko, Sprecher des ukrainischen Außenministeriums
Aus der Ukraine ertönte scharfe Kritik. „Berlusconis sinnlose Anschuldigungen gegen Selenskyj sind ein Versuch, Putins Hände zu küssen, die bis zu den Ellbogen blutig sind. Es ist ein Versuch Berlusconis, seine Loyalität gegenüber dem russischen Diktator zu beweisen“, so der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums Oleg Nikolenko auf Facebook. „Indem er russische Propaganda verbreitet, ermutigt Berlusconi Moskau, seine Verbrechen fortzusetzen, und trägt daher politische und moralische Verantwortung. Stattdessen schätzen wir Melonis prompte Antwort sehr, in der sie ihre unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine bekräftigt hat“, so Nikolenko.
„VIP-Agitator der russischen Propaganda“
„Berlusconi ist ein VIP-Agitator innerhalb der russischen Propaganda“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak der italienischen Zeitung „La Repubblica“ am Montag. „Berlusconi hat das Ansehen Eures Landes eingetauscht gegen seine Freundschaft mit dem Diktator Putin“, betonte Podoljak. Italien trage Schaden davon.
Kritische Reaktionen zu den Sagern von Berlusconi, der sich bis zum Einmarsch Russlands in die Ukraine oft seiner Freundschaft mit Wladimir Putin gerühmt hatte, kamen auch aus dem EU-Parlament. „Ich bin entsetzt über die schockierenden neuen Aussagen Berlusconis zur Ukraine. Ist dies die Position der Regierung Meloni und des Außenministers der Forza Italia, Tajani, oder hat (EVP-Chef) Manfred Weber etwas dazu zu sagen? Ein Jahr nach Putins brutalem Krieg ist es an der Zeit, die Fakten anzuerkennen und sich für eine Seite zu entscheiden“, twitterte die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Iratxe García Pérez (siehe unten).
Kommission betont „europäischen Standpunkt“
Prompt kam auch eine Reaktion der EU-Kommission. „Ich denke, wir müssen uns die Handlungen und Entscheidungen der italienischen Regierung ansehen, die meiner Meinung nach bisher sehr konsequent und positiv den gemeinsamen europäischen Standpunkt zur Ukraine unterstützt haben“, sagte der EU-Wirtschaftskommissar und ehemalige italienische Premier Paolo Gentiloni.
Moskau reagierte zunächst zurückhaltend. „Es steht mir nicht zu, über Berlusconi zu urteilen, das sind Dinge, die die Italiener betreffen. Ich beschränke mich auf die Fakten, und die besagen, dass Russland acht Jahre lang, seit 2014, auf die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen für den Frieden in der Ukraine bestanden hat“, so die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.
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