Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich am Dienstag in den Streit um die Kürzung der Sozialleistung für Teilzeitkräfte eingeschaltet. Er präzisierte einen Vorschlag von Arbeitsminister Kocher, auf den die Grünen empört reagierten. Zudem übte Nehammer im „Kanzlergespräch“ harte Kritik an den aktuellen Protesten von Klimaaktivisten.
Kanzlergespräch heißt das neue Kommunikationsformat, das Karl Nehammer einführte. Zwei Monate nach der Premiere folgte gestern eine Neuauflage. Der Bundeskanzler ist kein Mann der sparsamen Emotionen, wie man es Deutschlands Kanzler Olaf Scholz nachsagt. 90 Minuten kommunizierte er offen über seine Pläne - und äußerte auch scharfe Kritik.
Protest „gegen die gute Sache“
So erklärte er zu den Klimaklebern, die derzeit in Wien immer wieder Straßen blockieren, dass es „die völlig falsche Form des Protests“ sei. „Es handelt sich um die Sabotage der Zivilgesellschaft“, sagte Nehammer. Menschen würden daran gehindert, ihrem Lebenserwerb nachzugehen, „es werden Einsatzfahrzeuge behindert“, meinte der Kanzler. Dieser Protest richte sich damit „gegen die gute Sache“. Festnahmen seien der richtige Weg, die „Null-Toleranz-Politik“ des Innenministers „richtig und wichtig“.
Groß thematisiert wurde der jüngste Vorstoß von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP): Erst 24 Stunden vor dem Kanzlergespräch hatte der in einem „Kurier“-Interview ankündigt, Vollzeitjobs zu stärken. Kürzungen könne er sich bei den Sozialleistungen für Teilzeitarbeit vorstellen. Dieser Vorschlag hatte zu breiter Kritik geführt.
Nehammer präzisierte die Idee: „Es gehe darum, mit neuen Maßnahmen und Reformen mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Dieses Ziel erreicht man nicht nur über eine qualifizierte Zuwanderung“ , so Nehammer. Alle, die in Teilzeitarbeit sind und zusätzlich Betreuungspflichten haben, „werden von den Reformen nicht betroffen sein“, garantiert Nehammer.
Rauch: Maßgeblich ist der Bedarf an Unterstützung
Sprich: Mütter von betreuungspflichtigen Kindern, die Teilzeit arbeiten, müssen keine Sozialleistungskürzungen fürchten. Auch Teilzeitkräfte, die Verwandte pflegen, werden nichts von der Reform spüren.
Kocher verhandle derzeit mit den Grünen, meinte Nehammer. Von konkreten Verhandlungen weiß man im Sozialministerium nichts. Ganz im Gegenteil: Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich gar nicht erfreut über das neue Themenfeld, das die ÖVP aufs Tapet brachte. „Sozialleistungen treffsicher zu gestalten, ist eine wichtige Aufgabe der Politik. Maßgeblich ist der Bedarf an Unterstützung – nicht das Ausmaß der Beschäftigung. Kürzungen bestehender Sozialleistungen stehen für mich nicht zur Diskussion“, lautet die ganz klare Absage von Rauch.
Nehammer: Schengen-Veto bleibt aufrecht
Eine ganz klare Absage gab es auch vom Kanzler - aber in eine ganz andere Richtung. Auch wenn beim EU-Migrationsgipfel Erfolge erzielt wurden, denkt Nehammer nicht daran, das Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien aufzugeben. „Solange das EU-Asylsystem disfunktional ist, bleibt das Veto.“ Die Aufregung um das Veto könne er nicht nachvollziehen. „Deutschland hat seinerzeit den Schengen-Beitritt von Österreich drei Jahre lang blockiert“, so Nehammer. Dazu kommt: Deutschland kontrolliert aktuell die Grenzen zu Österreich. „Wenn Deutschland der Meinung ist, dass Bulgarien und Rumänien ein Teil von Schengen werden sollen, dann muss Deutschland die Grenzkontrollen auch zu Österreich stoppen“, stellt Nehammer klar.
„ORF soll günstiger werden“
In der Diskussion um die Finanzierung des ORF wollte sich der Bundeskanzler am Dienstag nicht auf ein Modell festlegen. Er habe Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) aber mitgegeben, entscheidend sei, dass es „für die Menschen günstiger wird“, sagte Nehammer. Gefragt nach der Zukunft der „Wiener Zeitung“ meinte Nehammer, es gebe einen „gut vordefinierten Weg“, dass eine Onlinezeitung daraus werden solle. Er habe zur Kenntnis genommen, dass sich viele Menschen um die „Wiener Zeitung“ Sorgen machen, gleichzeitig erinnerte er daran, dass diese immer von einer Staatsfinanzierung getragen gewesen sei bzw. von Unternehmen, die dort Ausschreibungen veröffentlichen mussten. Indem sich letztere Pflicht geändert habe, sei es auch ein normaler Prozess, dass sich die Redaktion ändere.
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