Bundeskanzler Karl Nehammer und Gesundheitsminister Johannes Rauch starten einen Versöhnungsprozess - eine Kommission soll die Maßnahmen in der Pandemie untersuchen. Corona und seine Folgen haben „tiefe Gräben in unserer Gesellschaft hinterlassen und die Menschen in Österreich schwer belastet“, begründete Nehammer am Mittwoch die Initiative.
Man wunderte sich, wie schnell die ÖVP nach dem Wahldebakel in Niederösterreich einfach zur Tagesordnung überging. Einer tat es offenbar nicht - nämlich ÖVP-Parteichef Karl Nehammer. Vor allem der Verlust zahlreicher Stimmen an die FPÖ schmerzte die Volkspartei massiv.
NÖ-Wahl: Viele Bauern wanderten wegen Impfpflicht zur FPÖ ab
Das maßgebliche Motiv unter den Bauern, die FPÖ in Niederösterreich zu wählen, war die Impfpflicht. Niemand hatte bei den Türkisen die Wut über die Corona-Maßnahmen noch am Radar. Es war der Schockmoment des Wahlabends.
Seither, so hört man aus dem Umfeld von Nehammer, hat dem Kanzler die Idee nicht mehr losgelassen, hier einen Versöhnungsprozess zu starten. Der Kanzler will nun auf jene Österreicher zugehen, die die Corona-Maßnahmen abgelehnt haben. Er und Gesundheitsminister Johannes Rauch werden diese Initiative vorantreiben.
Eine schonungslose Analyse ist Pflicht und gleichzeitig Voraussetzung um diese gesellschaftlichen Wunden zu heilen und das Trauma zu bewältigen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will die Corona-Pandemie aufarbeiten
Schwachstellen im System aufzeigen
Neben einer Rede an die Nation Anfang März, wird Nehammer eine Experten-Kommission einsetzen, die sämtliche Maßnahmen während er Pandemie analysieren wird. Die Kommission soll die Schwachstellen im System aufzeigen, aber auch die Entscheidungsprozesse etwa zur umstrittenen Impfpflicht oder zur 3G-Regel evaluieren. Wer die Mitglieder dieser Kommission sein sollen, hat Nehammer noch nicht entschieden. Vorbild ist für den Kanzler, die Kommission zur Terrornacht in Wien, die er als damaliger Innenminister installierte.
Nehammer: „Scheue die Kritik nicht“
Er „scheue die Kritik“ nicht, meinte Nehammer bei der Vorstellung seines Plans. Eine „schonungslose Analyse ist Pflicht und gleichzeitig Voraussetzung um diese gesellschaftlichen Wunden zu heilen und das Trauma zu bewältigen“, so der Kanzler.
„Längst überfälliger Schritt des Kanzlers“
Für Politikexperten Thomas Hofer ist die Initiative ein „längst überfälliger Schritt des Kanzlers“. Allerdings ist die Mission auch eine „Gratwanderung, wo man jene, die die Maßnahmen befolgten, auch nicht vor den Kopf stoßen darf“. Und Hofer meint, dass Nehammer in der Rede der Nation auch „seine Vision für die kommenden Jahre offenlegen sollte“. Auch das vermisst man bis jetzt beim ÖVP-Chef.
Versuch, Kickl den Wind aus den Segeln zu nehmen
Selbstverständlich steckt auch ein anderes politisches Kalkül hinter dem neuen Kanzler-Plan. Die FPÖ drängt bereits auf einen U-Ausschuss zur Corona-Pandemie. Zudem ärgert es die ÖVP, dass Kickl derzeit das Monopol hat, auf alles mit Nein zu antworten und damit auch noch großen Erfolg hat. „Man will Herbert Kickl mit der Kommission den Wind aus den Segeln nehmen. Es ist ein Versuch, die Aufarbeitung weg von der parteipolitischen Inszenierung zu bringen“, so Hofer.
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