Nachdem die Fraktionen im ÖVP-U-Ausschuss am Mittwoch von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) den vorläufigen - 500 Seiten starken - Abschlussbericht erhalten haben, gehen die Interpretationen weit auseinander. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl: „Es ist sicherlich Korruption da, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß“. Andreas Hanger (ÖVP) befand die Vorwürfe gegen seine Partei hingegen für „in Luft aufgelöst“. Die Opposition wiederum sieht in dem Bericht keine Entlastung für die ÖVP.
Korruption sei überall wahrzunehmen, so auch bei Postenbesetzungen und Inseratenvergabe, so Pöschl im Ö1-„MIttagsjournal“. Der Bericht konnte hier aber nicht in die Tiefe gehen, weil das Strafverfahren zuständig sei und man nicht vorverurteilen wolle.
Hanger: „Fast zu 100% bestätigt“
ÖVP-Fraktionsführer Hanger, der sich durch den Bericht „fast zu einhundert Prozent bestätigt“ fühlte, empfahl der Verfahrensrichter im Ö1-Journal „den Bericht noch ein bisschen genauer zu lesen“.
„Korruption schwer nachzuweisen“
Dass das Ausmaß der Erkenntnisse geringer sei als erwartet, liege unter anderem daran, dass Korruption sehr schwer nachzuweisen sei. Dem Erkenntnisgewinn nicht dienlich gewesen seien „stundenlange Geschäftsordnungsdebatten, die Zeit für Befragungen kosteten“ und mehrere Entschlagungen von Auskunftspersonen, gegen die noch Verfahren bei der WKStA anhängig sind. Warum weder Sabine Beinschab, Sophie Karmasin noch Wolfgang Fellner geladen wurden, verstehe er nicht.
SPÖ: „Hanger hat ein Wahrnehmungsproblem“
Anders als Hanger interpretierte den Abschlussbericht naturgemäß die Opposition. Wenn Hanger die Vorwürfe gegenüber seiner Partei nun als „in Luft aufgelöst“ erachte, so habe dieser „ein Wahrnehmungsproblem“, sagte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. „Massives korruptives Verhalten liegt klar auf der Hand“, so Krainer. Zu beachten sei aber auch, dass Pöschl Strafrichter sei, und sich überlege, ob es „für eine strafrechtliche Verurteilung reiche“.
Den Empfehlungen des Abschlussberichts stehe er „teils-teils“ gegenüber. Den unabhängigen Bundesstaatsanwalt oder die Abschaffung des Amtsgeheimnisses etwa heiße er gut, so Krainer. Ein „No-Go“ sei hingegen, die „Einschränkung der Pressefreiheit“, durch die Empfehlung, nicht mehr detailliert aus Ermittlungsakten berichten zu dürfen. Dass eben jene Empfehlung eine Forderung der ÖVP war, sei ihm nicht bewusst gewesen, meinte Pöschl. Er hätte damit einen „Denkanstoß“ setzen wollen.
Hafenecker: „Das riecht leider sehr nach Bananenrepublik“
Nichts von diesem Vorschlag hält auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. „Man untersucht seit über einem Jahr umfassende Korruptionsfälle in der gesamten Republik - und die dritte Empfehlung von Vorsitz und Richter dazu ist lediglich: ,Medien sollen weniger darüber berichten können‘. Das riecht leider sehr nach Bananenrepublik“, wird er in einer Aussendung am Donnerstag zitiert.
Genauso wenig hält NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper davon: „Medien unterliegen ohnehin sowohl rechtlich als auch in ihrer Selbstkontrolle strengen Regeln was den Umgang mit strafrechtlichen Vorwürfen angeht. Die Politik sollte sich weniger auf den medialen Umgang mit Chats und Strafakten konzentrieren sondern mehr damit, die darin ersichtlichen Missstände zu beheben.“
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