Mit 91 Jahren muss sich eine Wienerin am Freitag dem Schwurgericht stellen. Die alte Dame wollte ihrem Leben im Juli 2022 aus Verzweiflung ein Ende setzen und ihren Ehemann, den sie daheim alleine pflegte, in den Tod mitnehmen. Doch im Feuer starb nur ihr Gatte, mit dem sie 67 Jahre lang verheiratet war. „Eine Tat aus Liebe“, sagte ihr Verteidiger. Kurz nach Mittag wurde ein Urteil gesprochen. Die „Krone" war beim Prozess dabei.
„Sehen kann ich recht gut, aber hören tu ich schlecht“, sagte die Angeklagte zum Prozessauftakt. Die gebrechliche, freundliche Dame ist am 18. September 1931 in Wien geboren. Sie ist 91 Jahre alt. Am Freitag muss sie sich wegen Mordes am Wiener Landesgericht verantworten. Frau Rat ließ ihr einen Sessel bringen und stellte diesen knapp vor den Richtertisch.
Überforderung führte zur Verzweiflungstat
Die Geschworenen hörten eine berührende Geschichte: Mit 23 Jahren heiratete Frau S. ihren geliebten Ehemann Franz. Mehr als 60 Jahre lebte sie mit ihm in einer Wohnung in Simmering. 2016 bekam ihr Mann die Diagnose Demenz, er wurde zum Pflegefall. „Die Situation hat sich verschlechtert. Die Angeklagte war mit der Situation überfordert“, führte die Staatsanwältin aus.
Ich habe gelesen, verbrennen dauert nicht lange. Ich wollte schnell sterben.
Die angeklagte 91-Jährige im Mordprozess.
Probleme mit der Hausverwaltung und Überforderung
Dazugekommen sei ein zunehmend eskalierender Streit mit der Hausverwaltung. „Die haben mich wirklich zur Verzweiflung gebracht“, hatte sie das Gefühl, dass sie rausgeekelt werden sollte, damit die Wohnung - in der das Paar 60 Jahre lang lebte - frei wird.
Am 21. Juli 2022 hatte ihr Mann Geburtstag. An diesem schicksalshaften Tag konnte Frau S. laut eigener Aussage ihre rechte Hand nicht mehr bewegen. Es war der Punkt, an dem sie beschloss, dem Leben ein Ende zu setzen. „Ich wollte mich selbst umbringen und ihm weiteres Leid ersparen“, sagte die Angeklagte gefasst und in klaren Worten zu Richterin Eva Brandstetter.
Gatte sollte im Schlaf ersticken
Die pensionierte Schneiderin und Heimhelferin wartete, bis ihr Mann eingeschlafen war. Mit Wundbenzin übergoss sie Kleidung, Papier und Stofftiere, zündete mehrere Stellen in der Wohnung an. Im Schlafzimmer schlief ihr Gatte, er sollte im Schlaf ersticken. Sie selbst hatte geplant, im Feuer zu bleiben: „Ich habe gehört, verbrennen dauert nicht lange. Ich wollte schnell sterben und zu hundert Prozent.“
Von Justizwache aus U-Haft vorgeführt
Doch der Plan ging schief. Weil sie in der brennenden Wohnung die Tür zum Balkon öffnete und hinausging, überlebte sie. Das Feuer war zu stark, sie traute sich nicht mehr zurück. Ihr 93-jähriger Ehemann starb in der brennenden Wohnung an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Im AKH gestand die Gerettete alles, ist nun der mit Abstand älteste Häftling in der U-Haft.
„Wenn ich gedacht hätte, dass ich überlebe, hätte ich meine Zähne reingegeben und mir mein Jäckchen angezogen", sagte sie zur Richterin. Indes wurde sie in Pyjama und Hauspatschen vom Balkon geborgen. „Sie würde es wieder so tun“, sagte der Verteidiger Felix Oberdorfer (Kanzlei Wurst & Ströck) im Schlussplädoyer. „Es war eine Tat der Liebe und nicht der Boshaftigkeit.“
Frau S. nahm das Urteil an
Kurz nach Mittag fiel das Urteil gegen die 91-Jährige: zwölf Jahre Haft, nicht rechtskräftig. Diese wird Frau S. in der Justizanstalt Wilhelmshöhe (NÖ) ableisten. Die Pensionistin nahm das Urteil ruhig und gefasst auf sowie an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Die alte Dame wurde von zwei Justizwachebeamten abgeführt.
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