US-Country-Legende Dolly Parton und der Thriller-Bestsellerautor James Patterson haben sich für den gemeinsamen Roman „Run, Rose, Run“ zusammengetan. Eine qualitativ nicht unbedingt hochwertige, aber kurzweilige Reise in eine Welt, die uns Europäern noch immer etwas fern liegt.
Dass schon der Untertitel ein bisschen in die Irre leitet, dass sei der Übersetzungsmannschaft verziehen, denn es geht bei dem mehr als 500-seitigen Romanwälzer „Run, Rose, Run“ mitnichten nur um eine Nacht in Amerikas Country-Metropole Nashville, sondern vielmehr um eine musikalische Aschenputtel-Story mit Thriller-Elementen, die sich mit einigen Haken und Kurven über eine junge Lebensgeschichte zieht. Besonders macht das inhaltlich eher vorhersehbare Werk das ungewöhnliche Autorengespann. Gleich zwei verdiente Legenden der amerikanischen Kulturszene haben sich zusammengetan, um sich den Traum eines gemeinsamen Buches zu erfüllen. Country-Legende Dolly Parton ist in den USA als Sängerin, Schauspielerin, Unternehmerin und zehnfache Grammy-Gewinnerin mit mehr als 100 Millionen verkauften Alben Nationalheiligtum. Der nur ein Jahr jüngere James Patterson ist nicht nur, aber vor allem dort für atemberaubende Thriller berühmt geworden.
Klar abgesteckte Rollenaufteilung
In Partons beeindruckender Vita fehlte noch ein selbstgeschriebener Roman, weshalb sie sich diesen Wunsch mit Mitte 70 noch erfüllen konnte. Patterson hatte kurz zuvor auch Ex-Präsident Bill Clinton tatkräftig beim Ideenspinnen und Niederschreiben unterstützt und seine Promi-Tour quasi volley von der Ostküste in den texanischen Süden verlagert. Inhalt und Aufgabenverteilung sind dadurch relativ klar abgesteckt. Patterson kümmerte sich um die Charaktere, deren Geschichten und die Zusammenführung einzelner Handlungsstränge. Parton wiederum steuerte mehr als fünf Dekaden Wissen und Insights aus dem Haifischbecken Musikbusiness bei, wodurch sich die beiden relativ schnell ein inhaltliches Grundgerüst bastelten, das die jeweiligen Stärken ins rechte Licht rückt.
Im Mittelpunkt des Buchs steht eine junge Dame namens AnnieLee, die mit Mitte zwanzig ohne Geld und Besitz, aber mit viel Selbstvertrauen und Hoffnung nach Nashville trampt, um dort mithilfe ihrer völlig abgehalfterten Gitarre zu einem Country-Star aufzusteigen. Auf dem Weg dorthin ist sie geifernden Truckern und rustikalen Hillbillys ausgeliefert, schafft es aber dennoch einen Barbesitzer zu überreden, dass er ihr ein paar Minuten auf seiner Beisl-Bühne gewährt. Der spontane Auftritt wird vor ein paar volltrunkenen Stammgästen zum umjubelten Triumphzug. Nüchterner, aber umso aufmerksamer verfolgt der junge Gitarrist Ethan Blake das Geschehen, der nebenbei in der Liveband von Ruthanna Ryder, der amerikanischen Country-Ikone schlechthin spielt, und ihr den frisch entdeckten, ungeschliffenen Rohdiamanten zu Herzen legt. Die pensionierte Multimillionärin ist anfangs skeptisch, lässt sich aber auf den Tipp ein und bringt den Erfolgsstein schnell ins Rollen.
Von Romantik zum Thriller
In der widerborstigen und bäuerlich-ehrlichen AnnieLee sieht Ruthanna sich selbst und ihre viel zu früh verstorbene Tochter, weshalb sich zwischen den beiden nur scheinbar ungleichen Damen eine besondere Beziehung entwickelt. Doch hinter AnnieLees autobiografischen Songs verbirgt sich eine düstere Vergangenheit, in deren Strudel sich der ihr immer näherkommende Ethan gerne ziehen lässt, um sie von den einstigen Dämonen zu befreien. Ein schwieriges Unterfangen, dass nicht nur die unterschiedlichen Beziehungen der Protagonisten auf eine harte Probe stellt, sondern aus „Run, Rose, Run“ nach etwa zwei Dritteln behutsamem Erzählstrang mit romantischer Note und viel musikalischem Lokalkolorit einen spannenden Thriller macht, der es in seiner Auflösung aber zu hastig angeht, weshalb das Ende abrupt und ziemlich unbefriedigend über die Bühne geht.
Natürlich sind die Handlung und Kapitelübergänge meist sehr vorhersehbar und halten wenig Überraschungen bereit, aber „Run, Rose, Run“ ist weniger die Kopfgeburt zweier Großer ihres Metiers, sondern vielmehr die mit einem spannenden Narrativ umschmeichelte Lebensgeschichte von Dolly Parton selbst, die sich - man weiß es schon vor dem Lesen des ersten Satzes - in der Rolle der Mentorin und Patronin Ruthanna Ryder einspeist und die junge AnnieLee zu einem etwas spannenderen Roman-Ich-Selbst ihrer eigenen Jugend gedeihen lässt. Dass Thriller-Profi Patterson bei diesem Rahmen nicht seine üblichen Qualitäten entfalten kannst, ist ihm nicht anzukreiden. Große Sprünge und Finten sind ihm nicht möglich, weil die Grundgeschichte eine simple Berechenbarkeit vorgibt, aus der es sich nur schwer ausbrechen lässt. Die glitzernde Perückenträgerin verkörpert den „American Dream“ wie keine zweite Künstlerin und wird auch von der jungen Generation (beispielsweise Miley Cyrus) demütig verehrt.
Nur teilfiktiv
„Run, Rose, Run“ ist eine kurzweilige, inhaltlich und textlich wenig anspruchsvolle Fahrt durch die Country-Musikhistorie, bei der sich Parton nicht nur ob ihrer eigenen Biografie austoben konnte, sondern dem Leser auch so einige Namen und Kultsongs zur weiterführenden Recherche vermittelt. Mit dem Buch (das in den USA bereits vor einem Jahr, in Europa aber erst im Spätherbst 2022 erschien) veröffentlichte die 77-Jährige auch ein neues Album. Ein Film, bearbeitet von Reese Witherspoons Produktionsfirma, dient bald als Abrundung der heiligen Dreifaltigkeit über Partons Alterswerk. So ist das Buch einerseits als Romandebüt, andererseits aber auch als teilfiktive Abhandlung einer einzigartigen Karriere zu sehen, die man in Europa nie so ganz verstehen kann. Ein bisschen so, als hätte Udo Jürgens den Amerikanern etwas Ähnliches vorgelegt …
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