Abrüstung gestoppt
Russland wird Tausende Atomsprengköpfe behalten
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Dienstag seine viel beachtete Rede zur Lage der Nation gehalten - kurz vor dem Jahrestag des von ihm befohlenen Kriegs gegen die Ukraine. Es wurde ein Rundumschlag gegen den Westen - und eine Ankündigung, den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA „auszusetzen“. Scharfe Kritik kam aus Washington.
Putin hat am Dienstag in seiner Rede zur Lage der Nation wenig Konkretes angekündigt, doch ein Punkt stach hervor: Man wolle den „New Start“-Vertrag mit den USA aussetzen. Dieser war von Barack Obama und Dmitri Medwedew verhandelt worden und hätte eine drastische Reduktion der Atomwaffenlager beider Nationen vorgesehen. Experten zufolge verfügt Russland mit fast 6000 Sprengköpfen über das größte Atomwaffenarsenal der Welt - nach der Putin-Rede ohne Aussicht auf Reduktion.
Blinken: „Äußerst bedauerlich und unverantwortlich“
US-Außenminister Antony Blinken wies die russische Ankündigung zur Aussetzung des atomaren Abrüstungsvertrags „New Start“ scharf. Das sei „äußerst bedauerlich und unverantwortlich“. „Wir werden genau beobachten, was Russland tatsächlich tut“, fügte er hinzu. Trotzdem seien die USA weiterhin bereit, „jederzeit mit Russland über strategische Rüstungsbegrenzungen zu sprechen, unabhängig von allen anderen Ereignissen in der Welt oder in unseren Beziehungen“.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Putin zur Achtung der Atomwaffen-Kontrollvertrags auf. Zugleich wies Stoltenberg den Vorwurf Putins zurück, der Westen wolle Russland „erledigen“: „Niemand greift Russland an, Russland ist der Aggressor“, betonte der Norweger bei dem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Putin habe in seiner Rede klargemacht, „einen fortgesetzten Krieg vorzubereiten“, sagte der NATO-Generalsekretär. „Wir sind zunehmend besorgt, dass China planen könnte, tödliche Unterstützung für Russlands Krieg zu liefern“, so Stoltenberg weiter.
„Stoppen den Krieg“
Ansonsten gab es altbekannte Muster in Putins Rede: Die „anderen“ hätten den Krieg begonnen, so der russische Präsident. Russland hingegen mache alles, um ihn zu beenden. Ziel des Westens sei die totale Macht. „Wir werden den Krieg stoppen, den der Westen entfesselt hat“, so Putin in Anspielung auf die NATO-Ausbreitung in ehemaligen Sowjet-Gebieten.
Konkrete Maßnahmen oder weitere Kriegsziele benannte Putin aber nicht. Die Rede wurde von Experten als „mild“ und „unkonkret“ bezeichnet, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich das Land seit einem Jahr im Krieg befindet und Zehntausende Russen bereits in der Ukraine gefallen sind.
Westen eskaliert laut Putin
Im Westen sei vielen klar, dass sie in eine geistliche Katastrophe geführt würden, schilderte Putin. Zudem habe der Westen vor, aus einem lokalen Konflikt eine globale Konfrontation zu machen, betonte er weiter. Er zeigte sich stolz darüber, dass Russlands multinationales Volk „hinter der Spezialoperation stehe“ und die Maßnahmen zum „Schutz des Donbass“ unterstützt habe.
Laut Putin habe man im Dezember 2021 der NATO offiziell Entwürfe eines Sicherheitsgarantieabkommens zugeschickt. Dieses sei aber vom Westen abgelehnt worden. „Die Bedrohung stieg von Tag zu Tag“, erinnerte sich das Staatsoberhaupt.
„Pädophilie im Westen bereits Norm“
Bei der Rede wurde es teilweise sogar skurril. So verwies Putin darauf, dass der Westen zwar „so leben kann, wie er will“. Die westlichen Länder würden aber die familiäre, kulturelle und nationale Identität zerstören - Perversion, Missbrauch von Kindern bis hin zur Pädophilie seien bereits zur Norm geworden, so der russische Präsident.
Wirtschaft massiv unter Druck
Wegen der Sanktionen des Westens ist die russische Wirtschaft massiv unter Druck. Viele Russen klagen über steigende Preise, hohe Lebenshaltungskosten und eine Perspektivlosigkeit im flächenmäßig größten Land der Erde. „Die Sanktionen haben nur zum Ziel, dass das russische Volk leiden muss“, so Putin weiter.
Bei der Veranstaltung galten strikte Corona-Vorschriften - so mussten sich die Abgeordneten beispielsweise dreimal testen lassen. Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow ist Putin „allgemein vor Viren geschützt“.
„Die Grenzen Russlands enden nirgendwo“
In den vergangenen Tagen waren in den Städten Moskau und Sankt Petersburg Plakatwände aufgetaucht, auf denen es in Anspielung auf die heutige Rede heißt: „Die Grenzen Russlands enden nirgendwo. 21.02.2023.“
Es war Putins 18. Rede zur Lage der Nation. Die wegweisenden Auftritte geben die großen politischen Leitlinien für die russische Gesellschaft vor. Zuletzt hatte Putin im April 2021 die Rede zur Lage der Nation gehalten. Im vergangenen Jahr gab es keine. Der Kremlchef hatte dies mit einer sehr hohen „Dynamik der Ereignisse“ erklärt.
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