Während der aktuellen Queen-Tourpause hat sich Adam Lambert Zeit genommen, mit „High Drama“ ein Album voller Coverversionen aufzunehmen, die ihn prägten oder in besonderer Art und Weise berühren. Damit wird er vor allem seiner angestammten Rollen als Interpret und Entertainer mehr als gerecht.
Einmal Interpret, immer Interpret. 14 Jahre nach seinem großen Durchbruch und dem zweiten Platz bei „American Idol“ besinnt sich Adam Lambert wieder seiner wichtigsten Stärke und veröffentlicht ein Album voller Coverversionen von verschiedensten Künstlern aus verschiedenen Genres. Die einzigartige Stimmkraft des 41-Jährigen hält die Tracks zusammen und verbindet sie zu einem großen Ganzen. So bleibt auch genug Raum, um sich als Hörer die Favoriten herauszupicken. Dass er die Zusammenstellung der elf Songs „High Drama“ betitelte, wird dem Gestus des Frontmannes nur recht, wie er auch dem NME in einem Interview verriet. „Ich bin nicht unbedingt das Paradebeispiel für Bescheidenheit in der Öffentlichkeit. Alles, was ich mache, beinhaltet eine gewisse Theatralik, daher auch der Name.“
Die Gunst der Fans gewonnen
Ein kurzer Blick zurück in die Zeit. Bei „American Idol“ reüssierte er einst mit Interpretationen von Queen, Steppenwolf, Michael Jackson oder Aerosmith und begeisterte vor allem mit seiner Vielseitigkeit. Drei Jahre später erwählten ihn die erfolgreichen Queen-Nachlassverwalter Brian May und Roger Taylor zum neuen Sänger, verzichteten aber klugerweise tunlichst darauf, ihn als neuen Freddie Mercury anzupreisen. Dass er seinem eigenen Idol in mehrfacher Hinsicht sehr ähnlich ist (großartige Stimme, wunderbarer Performer, homosexuell), prädestinierte ihn natürlich für die Rolle des Vorturners in der vielleicht schillerndsten Rockband der Musikgeschichte. Lässt man ein paar wenige Mercury-Hardliner weg, haben sich Queen-Fans quer über den Globus längst auf den jungenhaften Sympath mit der Goldstimme geeinigt.
Wie hart das Musikbusiness selbst zu großen Talenten sein kann, das bemerkte Lambert aber über die Jahre mit seinen Eigenkompositionen. Das 2009er-Debüt „For Your Entertainment“ zehrte noch vom Castingshow-Erfolg, mit dem Nachfolger „Trespassing“ 2012 gelang ihm gar als ersten offen schwulen Künstler Platz eins in den Billboard-Charts - gleichzeitig ging es mit Queen los. Doch je größer die Arenen, Stadien und Erfolge mit den Brit-Legenden, umso weniger wurde er solo wahrgenommen. Auf dem 2015 erschienenen „The Original High“ versuchte er sich im trendigen EDM- und Dancefloor-Gewand, sein musikalisch bestes Album „Velvet“ scheiterte 2020 am unbewusst furchtbaren Timing - es erschien genau eine Woche, nachdem die ganze Welt in den erzwungenen Corona-Winterschlaf verfallen war.
Weibliche Songs in der Mehrzahl
Nun fiel Lambert dadurch aber nie in Verbitterung, sondern erkannte seinen Platz im Geschäft. „In erster Linie bin ich ein Entertainer, deshalb liebe ich es auch über alles, mit Queen auf die Bühne zu gehen.“ Große Unterhaltung liefert er auch auf „High Drama“ ab, denn nicht nur die Auswahl der Songs fällt teilweise überraschend aus, er weiß sich in vielfältiger Art und Weise in Szene zu setzen. Gleich sieben der elf vorhandenen Songs stammen im Original von Frauen, was eine besondere Herausforderung darstellt. Dass er etwa Sias stimmliche Glaszerberster-Höhen in „Chandelier“ nicht erreicht, war zu erwarten, dennoch gelingt es ihm, mit viel Leidenschaft und Einsatz eine großartige Performance an den Tag zu legen. Überraschend auch die sehr ruhige, aber mehr als gelungene Version von Billie Eilishs „Getting Older“, die ihn vor allem inhaltlich begeistert hat. „Wie schafft es diese 19-Jährige dasselbe zu fühlen wie ich mit 40 und andere mit 30? Dieser Song ist zeitlos.“
Den größten Respekt verströmte im Vorfeld Kings Of Leons „Sex Is On Fire“. „Das Falsett zu erreichen hat mir anfangs ziemlich viel Angst gemacht, aber ich liebe diesen Song und wollte den Refrain unbedingt singen.“ Das Ergebnis ist durchaus adäquat, aber kein besonderes Highlight. Nicht wirklich zünden wollen auch die Lambertschen Versionen von „I Can’t Stand The Rain“ oder Bonnie Tylers „Holding Out For A Hero“, wo es seiner makellosen Stimme schlichtweg am nötigen Dreck und der Kratzbürstigkeit der Originale fehlt. Ganz anders verhält es sich mit Duran Durans unkaputtbarem „Ordinary World“, das sich in seiner gesamten Machart wie Samt um seine Stimmbänder fügt und eine gar bezaubernde Symbiose mit dem Grundsound eingeht.
Den Platz gefunden
„High Drama“ ist einerseits eine Ehrerbietung Lamberts an Songs, die ihn geprägt haben oder ihn in besonderer Form berühren, andererseits stellte er sich damit stimmlichen Herausforderungen, die er selbst im Kanon von Queen nicht beherrschen muss. Ob dieses Werk nur ein Füllwerk zwischen der nächsten Queen-Tour und seinem geplanten ersten Musical ist, oder ob der Amerikaner nach den letzten zwei eher untergegangenen Werken auch noch einmal den Weg zu Eigenkompositionen zurückfindet, bleibt vorerst offen. Vielmehr scheint sich Lambert seiner Fähigkeiten als Interpret und Aushängeschild der LGBTQ-Bewegung zu konzentrieren, was nicht minder wichtig, rein künstlerisch aber vielleicht nicht ganz so befriedigend ist. Daraus macht er aber ohnehin kein „High Drama“ - das findet zum Glück nur in Musikform statt.
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