Die Debatte um sprachliche Anpassungen in Kinderbüchern tobt nicht nur im deutschsprachigen Raum. In Großbritannien sorgt nun eine Überarbeitung von Roald Dahls Kinderbüchern wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“ oder „Mathilda“ für Wirbel. So darf ein übergewichtiger Bub nicht mehr als „fett“ bezeichnet werden und Matilda darf aufgrund der Kolonialismusvergangenheit der Briten nicht mehr die Indien-Geschichten von Rudyard Kipling lesen. Autoren sprechen von „Zensur“, der Verlag verteidigt die Änderungen.
Stein des Anstoßes war die Entfernung diverser Begriffe aus Dahls Romanen. Ziel sei es gewesen, so der Verlag und die Roald Dahl Story Company, die den Nachlass des Schriftstellers verwaltet, die Bücher „für ein modernes Publikum anzupassen“, zitierte der britische „Telegraph“ aus einer Mitteilung.
Aus „fett“ wird „enorm“
So wurde bestätigt, dass vermeintlich anstößige Inhalte und Wörter aus neuen Ausgaben der Kinderbücher entfernt würden. Das betreffe Themen wie Gewicht, psychische Gesundheit, Gewalt, Gender und Hautfarbe. Es sei nicht ungewöhnlich, die Sprache und andere Details bei Büchern, die vor langer Zeit geschrieben wurden, anzupassen, zitierte die britische Nachrichtenagentur PA einen Sprecher der Roald Dahl Story Company.
So wird Charlies gefräßiger Gegenspieler Augustus Glupsch in „Charlie und die Schokoladenfabrik“, nicht mehr als „enorm fett“, sondern nur noch „enorm“ beschrieben. Das Buch wurde erstmals 1964 veröffentlicht und mehrfach mit einer hochkarätigen Besetzung verfilmt. Die kleinen Oompa Loompas sind nunmehr genderneutral definiert.
Traktoren nicht mehr „schwarz“
„Der fantastische Mr. Fox“ aus den 1970er Jahren spielt auf mehreren Bauernhöfen, die ein Fuchs mit seiner Familie regelmäßig um Hühner erleichtert. Die Bauern versuchen daraufhin, mit ihren Traktoren den Fuchsbau umzugraben. In der Ursprungsversion werden die Traktoren als schwarz beschrieben, dies wurde nun entfernt. Sie sind aktuell einfach nur „mörderische, brutal aussehende Ungeheuer“. So soll offenbar vermieden werden, dass die Farbe Schwarz mit Bösem assoziiert wird.
„Matilda“ liest keinen Kipling mehr
Eine besonders schräge Änderung betrifft „Matilda“, ein Buch, das auch hierzulande auf diversen Schul-Literaturlisten zu finden ist. Denn Leseratte Matilda darf künftig nicht mehr in ihrer Fantasie „... mit Rudyard Kipling nach Indien“ reisen. Hier versucht man, die Kolonialvergangenheit der Briten zu umschiffen, indem man Matilda künftig „... mit John Steinbeck nach Kalifornien“ reisen lässt. Der mag politisch korrekter sein, literarisch gesehen sind beide jedoch kaum zu vergleichen und Steinbeck doch etwas schwerere Kost.
Eingeschaltet in die Debatte hat sich überraschend Autor Salman Rushdie. In einem Tweet kritisierte der britisch-indische Schriftsteller die Entscheidung des Verlags. Der 1990 gestorbene Autor Dahl sei „kein Engel“ gewesen, schrieb Rushdie am Wochenende, doch der Verlag Puffin Books betreibe „absurde Zensur“ und solle sich schämen, so der in den USA lebende Autor, der im vergangenen Jahr nur knapp ein Attentat überlebte.
Rushdie wurde daraufhin jedoch selbst zur Zielscheibe von Kritik. Die britische Komikerin Abi Roberts warf ihm vor, sich mit der Beschreibung Dahls als „kein Engel“, der „zensierenden Linken“ anzubiedern. Rushdie stellte daraufhin klar, dass er zwar das Werk Dahls gegen eine „kriecherische Befindlichkeitspolizei“ verteidige, aber Dahl ein „bekennender Antisemit mit ausgeprägten rassistischen Tendenzen“ gewesen sei. Der Autor war wegen antisemitischer Äußerungen noch zu Lebzeiten in der Kritik gestanden. Seine Familie entschuldigte sich 2020 für seine Auffassungen.
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