Es war ein emotionsgeladener Prozess um den Tod eines 15-Jährigen im Zuge einer Verfolgungsjagd durch einen Polizisten. Der knifflige Fall endete am Mittwoch im Bezirksgericht Tamsweg mit einem Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung und zwei Monaten bedingter Haft für den Beamten, nicht rechtskräftig.
Der Angeklagte blickt in das trauernde Gesicht von Mutter Katharina Gerhardter-Kinner und antwortet auf die Schuld-Frage von Richterin Elvira Gonschorowski-Zehentner nur: „Ich möchte mein tiefstes Bedauern ausdrücken, aber ich bin nicht schuldig.“ Es bleiben die einzigen Worte des Lungauer Polizisten im heimeligen und mit 14 Plätzen vollbesetzten Verhandlungssaal des Tamsweger Bezirksgerichtes.
15-Jährigen überrollt
Fahrlässige Tötung lautet der Vorwurf gegen den Polizeibeamten. Am 18. November 2021 saß er am Steuer eines VW-Busses der Polizei, verfolgte mit zwei Kollegen Andreas G. (15), der mit seinem Moped der Marke Rieju MRT 50 den Beamten ohne Licht und ohne sichtbares Kennzeichen davon gefahren war. Die Verfolgung setzte sich auf einem Feldweg bei Göriach bzw. St. Andrä vor. „Wir sind hinten drauf“, funkt die Streife Lungau 31 an die Kollegen. Auch der Name des Buben fällt im Funkverkehr.
Eine zweite Streife steht bereits am Ende des Feldwegs, wartend auf das Moped. Doch dann passiert das Tragische: Andreas stürzt, der Polizei-Bus bremst. Jedoch zu spät. Der 15-Jährige wird überrollt und erstickt an einem schweren Brustkorb-Trauma.
Angeklagter versuchte Buben zu retten
„Er hat danach 15 Minuten versucht, den Burschen wiederzubeleben. Er ist selbst Vater, es tut ihm aufrichtig leid“, betont Verteidiger Kurt Jelinek und betont: „Das hätte jedem Polizisten passieren können.“ Sein Mandant musste den flüchtigen Mopedfahrer verfolgen: „Er hätte nicht, nicht verfolgen können.“ Es sei ein kontroverser Fall, einer, der polarisiert.
„Der Sorgfaltsmaßstab wird strapaziert. Aus meiner Sicht ist hier freizusprechen.“ Während der Verhandlung sind die Emotionen spürbar, der Todesfall schmerzt den Angehörigen, aber auch Polizeikollegen: Eine Beamtin, die im Bus mitfuhr, wird über Details befragt und beginnt zu weinen: „Es ist so schnell gegangen. Der Hinterreifen des Mopeds ist nach rechts, dann ist er gestürzt und es kam zum Aufprall.“ Der Abstand? „Meiner Meinung nach hätten wir jederzeit rechtzeitig anhalten können.“
Und sie bestätigt auch: Der Angeklagte habe bei Andreas eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt. „Er wollte nicht damit aufhören“, so die Kollegin. Auch ein anderer Beamter betont: „Der Sturz war nicht vorhersehbar.“ Und: „Wir haben ihn nicht bedrängt.“
Abstand war entscheidende Frage
Unfall-Experte und Sachverständiger Gerhard Kronreif liefert die Fakten und erwähnt einen schicksalsträchtigen Umstand: Die Fußraste des Mopeds hatte sich beim Sturz in den erdigen Mittelstreifen des Weges verhakt. Die Folge: ein kürzerer Bremsweg. „Mit einem Abstand von neun bis 13 Metern wäre der Unfall vermeidbar gewesen“, rechnete Kronreif aus. Demnach war der Polizist zwei Meter zu nah dran. Faktisch waren es nämlich sieben bis elf Meter Abstand. Opfer-Anwalt Stefan Rieder findet abschließend klare Worte: „Andreas hat sich nicht an die Regeln gehalten, deshalb konnten ihn die Polizisten auch nicht zum Anhalten zwingen.“
Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung
Die Richterin verkündet einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung. Strafe: zwei Monate auf Bewährung. Und betont: „Die Polizei hat grundsätzlich alles richtig gemacht. Die Verfolgung war richtig und notwendig, weil der Mopedlenker eine Gefährdung war.“ Aber einen Sturz hätten die Beamten in Betracht ziehen und einkalkulieren müssen - vor allem aufgrund der Gegebenheiten des Feldweges. Zu nass, dunkel, und damit zu gefährlich. „Man hätte den größeren Abstand einhalten müssen“, so die Richterin abschließend. Sofort kündigte der Verteidiger Berufung an, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.
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