Ein Jahr Ukraine-Krieg
Größte Fluchtbewegung seit Zweitem Weltkrieg
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Mehr als acht Millionen Menschen haben laut UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) im ersten Kriegsjahr die Ukraine verlassen, weitere 5,4 Millionen sind laut IOM innerhalb des Landes vertrieben. Das bedeutet, dass rund ein Drittel der gesamten ukrainischen Bevölkerung von 42 Millionen Menschen geflohen ist.
Laut UNHCR ist das Ausmaß und die Geschwindigkeit ohne Beispiel in der Geschichte von Flucht und Vertreibung seit 1945. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden laut Schätzungen von Experten 50 bis 60 Millionen Menschen und damit mehr als zehn Prozent der Bevölkerung des Kontinents zu Flüchtlingen, Vertriebenen oder Deportierten. Die Fluchtbewegungen von Millionen Menschen setzten sich in der Nachkriegszeit fort: durch die Rückkehr von Flüchtlingen, Deportierten und Evakuierten sowie durch Ausweisungen, Vertreibungen und Flucht von Minderheiten.
„Am schnellsten wachsende Vertreibungskrise“
Der seit einem Jahr andauernde Krieg in der Ukraine hat laut UNO eine noch größere Dynamik. In den ersten Monaten des Krieges sei es zu der „am schnellsten wachsenden Vertreibungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ gekommen, konstatierte das Flüchtlingshochkommissariat. Tatsächlich machen sich bereits wenige Stunden nach dem russischen Angriff am 24. Februar Hunderttausende Menschen auf den Weg, um vor dem Krieg in die Nachbarländer Polen, Slowakei, Moldau und Russland zu fliehen. Nach 48 Stunden meldete UNHCR, dass bereits 50.000 Menschen über die Grenzen ins Ausland geflüchtet seien. Nach einer Woche Krieg hatten bereits eine Million Menschen das von Russland angegriffene Land verlassen.
93.171 Ukrainer flüchteten nach Österreich
Die Mehrheit der mittlerweile fast 8,1 Millionen Ukraine-Flüchtlinge - die meisten sind Frauen und Minderjährige - fand in der Europäischen Union Zuflucht. Laut EU wurden mehr als 4,8 Millionen Ukrainer gemäß der Massenzustromrichtlinie der EU oder ähnlicher Schutzmechanismen in Ländern wie der Schweiz registriert. Hauptaufnahmeland ist Polen, wo rund 1,6 Millionen Vertriebene registriert wurden. Dahinter folgt Deutschland mit mehr als einer Million Flüchtlinge. In Österreich fanden 93.171 Ukrainer Zuflucht.
Die rasche und unkomplizierte Aufnahme der Ukraine ohne Asylverfahren erfolgte mittels der wenige Tage nach Beginn des Krieges erstmals in Kraft gesetzten Massenzustromrichtlinie. Diese war in Folge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien geschaffen worden.
Zerstörte Infrastruktur, kalter Winter
Da sich die Ukrainer frei in der EU bewegen dürfen, ist es schwierig genau zu ermitteln, wie viele Flüchtlinge tatsächlich in welchem Land geblieben sind. Zudem sind viele Ukrainer - etwa im Sommer als die russischen Angriffe auf den Westen der Ukraine vorübergehend nachließen - zwischenzeitlich oder dauerhaft in ihre Heimat zurückgekehrt. Infolge der massiven russischen Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur im vergangenen Oktober und wegen des Winters verließen erneut viele Menschen die Ukraine.
In Russland wurden bis Oktober rund 2,9 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert, aktuellere Daten sind keine verfügbar. Die Ukraine wirft Russland vor, rund zwei Millionen Ukrainer nach Russland deportiert zu haben. Nach Schätzungen des US-Außenministeriums wurden im vergangenen Jahr zwischen 900.000 und 1,6 Millionen ukrainische Bürger, darunter 260.000 Kinder, gewaltsam auf russisches Gebiet gebracht. Nach russischen Angaben handelt es sich bei den Menschen um Kriegsflüchtlinge und Evakuierten aus den Kampfgebieten.
5,4 Millionen Vertriebene im eigenen Land
Innerhalb der Ukraine gibt es laut UNO-Migrationsorganisation IOM aktuell 5,4 Millionen Vertriebene. Die Zahl der Binnenvertriebene war bereits deutlich höher und lag im Sommer bei rund sieben Millionen. Seit damals kehrten viele Ukrainer infolge der ukrainischen Rückeroberungen in ihre Wohngebiete zurück, andere flohen ins Ausland. Bereits vor dem russischen Angriff im vergangenen Jahr gab es Hunderttausende Binnenvertriebene in der Ukraine. Durch die Kämpfe in der Ostukraine seit 2014 flohen nach Angaben des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) mehr als 850.000 Menschen in die westlichen Teile des Landes. Viele davon mussten durch den aktuellen Krieg erneut fliehen.
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