Westen ist skeptisch
Ein Jahr Krieg: China ruft zu Waffenstillstand auf
China hat zu einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg aufgerufen. In einem mit Spannung erwarteten Positionspapier, das am Freitag vom Außenministerium in Peking veröffentlicht wurde, wird auch eine sofortige Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gefordert. Westliche Diplomaten und Analysten sind skeptisch, ob China es ernst damit meint.
Die Bemühungen Chinas, sich mit Vorschlägen stärker in eine Friedenslösung einzubringen, werden mit Skepsis betrachtet, da die chinesische Führung den russischen Angriffskrieg bis heute nicht einmal verurteilt hat. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Michael Roth, setzt wenig Hoffnung in die von China angekündigte Friedensinitiative. „Die Chinesen verhalten sich in diesem Krieg nicht neutral, sondern unterstützen Russland politisch und wirtschaftlich“, sagt der SPD-Politiker der Nachrichtenseite ntv.de.
„Dialog und Verhandlungen sind die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise“, heißt es in dem chinesischen Papier. „Konflikt und Krieg dienen niemandem. Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar außer Kontrolle gerät.“ Auch fordert China, dass die Grundsätze der Vereinten Nationen streng beachtet werden müssten.
Zugeständnis an Ukraine?
„Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam aufrechterhalten werden“, heißt es im ersten Punkt des Papiers, was Beobachter häufig auf die ursprünglichen Grenzen der Ukraine beziehen. Gleichzeitig wird darin aber auch gefordert, dass die „legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen“ werden müssten. Hinter dieser Formulierung sehen Diplomaten einen klaren Hinweis auf die Argumentation Russlands, sich gegen die USA und die NATO verteidigen zu müssen.
China ruft in dem Dokument auch zu einer Verringerung der strategischen Risiken des Krieges auf: „Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden, und Atomkriege dürfen nicht ausgefochten werden.“ Auch die Drohung mit dem Einsatz von nuklearen Waffen sei abzulehnen. Das Papier ist als „Position Chinas zu politischen Lösung der Ukraine-Krise“ überschrieben. Diplomaten in Peking waren allerdings vorsichtig, die Vorschläge als „neue Friedensinitiative“ oder „Friedensplan“ zu beschreiben.
Xi will „Friedensrede“ halten
Denn seit Beginn der Invasion Russlands in der Ukraine vor einem Jahr hatte China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin immer Rückendeckung gegeben und die USA und die NATO als eigentliche Verursacher der Krise beschrieben. Mit Spannung wird daher die „Friedensrede“ verfolgt werden, die der chinesische Präsident Xi Jinping am Freitag halten soll. Experten erwarten sich nicht, dass damit ein Richtungswechsel weg von Russland einhergeht.
„Die Friedensbemühungen Chinas bleiben erst mal rhetorisch“, sagt Li Mingjiang, Professor für Internationale Beziehungen an der S. Rajaratnam School of International Studies in Singapur. Mit echten Taten sei zunächst nicht zu rechnen. „Das wird eine kleine Anpassung, keine substanzielle Änderung von Chinas Politik bezüglich des Krieges“, so der Experte im Gespräch mit Reuters. Wenn es hart auf hart käme, sind sich Diplomaten und China-Kenner einig, stünde China zu Russland. „Der größte Beitrag, den China leisten könnte, wäre Russland die Unterstützung zu entziehen, Russland aufzurufen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen und die Ukraine finanziell zu unterstützen“, sagt ein europäischer Diplomat. „Das ist wenig realistisch.“
Spitzentreffen China-Russland
Schon bisher konnte Russland, das seit seinem Einmarsch in die Ukraine international weitgehend isoliert ist, sich auf seinen Partner China verlassen. Das wurde zuletzt durch den Besuch des chinesischen Top-Diplomaten Wang Yi am Mittwoch in Moskau deutlich. Er und Putin kündigten bei ihrem Treffen an, die Partnerschaft ihrer beider Länder zu vertiefen. Bald will auch Präsident Xi zu Putin reisen. Xi sprach im vergangenen Jahr regelmäßig mit Putin, aber nicht ein einziges Mal mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Experten und Diplomaten sind sich einig, dass China eigentlich kein Interesse an einem Ende des Krieges in der Ukraine hat - wenn das eine Niederlage Russlands bedeuten würde. Denn seit 2022 stiegen Chinas Einfuhren russischer Waren sprunghaft an, während der Handel mit der Ukraine zurückging. Öl konnte China preiswerter einkaufen und damit gleichzeitig die Mengen erhöhen. Damit wird Russland immer abhängiger von dem großen Nachbarn in Asien. Mit Waffenlieferungen an Russland rechnen Diplomaten und Experten vorerst nicht. Sollte sich aber eine russische Niederlage abzeichnen, werde China das verhindern wollen, sagt Tong Zhao, Atomexperte bei der Carnegie Stiftung.
China will Einfluss der USA schwächen
Denn eine Niederlage könnte sowohl Putin als auch seine Regierung gefährden und in dem Riesenland Russland für Unsicherheit sorgen. „Für Peking ist die Schlüsselfrage nicht, ob der Krieg enden soll, sondern wie“, sagt Benjamin Herscovitch, Wissenschaftler an der Australian National University. „Für China ist Russland immer noch zentral, um Macht und Einfluss der USA zu schwächen und eine multipolare Welt aufzubauen.“
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