Im Jahr 1669 wurde die Universität Innsbruck durch Kaiser Leopold I. gegründet. Heute gibt es rund 28.000 Studierende und 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ab 1. März übernimmt erstmals eine Frau das Ruder. Die „Tiroler Krone“ traf sie zum Interview.
Noch sitzt Tilmann Märk im Rektorenbüro der Universität Innsbruck. Bis kommenden Dienstag muss er seine sieben Sachen packen. Denn am Mittwoch wird mit Veronika Sexl 354 Jahre nach der Gründung der größten Bildungseinrichtung im Westen Österreichs erstmals eine Frau auf dem Chefsessel Platz nehmen. Das Interview der „Tiroler Krone“ mit der gebürtigen Wienerin fand deswegen im Büro des Universitätssenats statt.
„Krone“: Sie werden die erste Frau an der Spitze der Uni sein. Ist das eine besondere Ehre?
Veronika Sexl: Ich gehe davon aus, dass ich aufgrund meiner Befähigung in dieses Amt gewählt wurde und nicht wegen des Geschlechts. Dass ich die Uni führen darf, freut mich sehr. Ich hoffe, dass in vier Jahren die Frage in dieser Form nicht mehr gestellt wird.
Leider ist es immer noch so, dass die Familiengründung und Kinder der große Knick in der Karriere der Frauen sind. Hier optimale Kinderbetreuungsplätze zu schaffen und Frauen zu ermöglichen, ihre wissenschaftlichen oder akademischen Karrieren fortzuführen - obwohl sie Kinder haben - ist mir ein enormes Anliegen.
Veronika Sexl
Sie kommen aus Wien. Was hat Sie dazu bewogen, sich für das Amt zu bewerben?
Die Uni Innsbruck ist eine enorm attraktive Universität - in ihrer Breite und Spitze. Auch der Standort ist sehr attraktiv. Es hat mich gereizt, eine Volluniversität leiten zu dürfen. Ich habe auch schon immer einen sehr starken Bezug zu Tirol gehabt. In den vergangenen Jahren gab es im Zuge meiner wissenschaftlichen Tätigkeit mehrere Interaktionen und Kollaborationen, sowohl mit der Uni Innsbruck als auch der Med-Uni. In meiner Freizeit bin ich gerne in den Bergen und auf den Skiern. Das kann ich hier gut umsetzen.
Laut der Wissensbilanz der Uni sind 57,1 Prozent der Studienanfänger Frauen, aber nur 26 Prozent der Professoren weiblichen Geschlechts. Haben Sie vor, diesen Anteil zu erhöhen?
Da muss ich der Uni erst einmal gratulieren, denn mit 26 Prozent Frauenanteil sind wir vermutlich besser als viele andere Universitäten. Das ist ein großes Problem, ich kenne die Statistiken und habe sie über die vergangenen Jahre verfolgt. In einigen Bereichen hat sich die letzten 30 Jahre sehr wenig getan. Wir haben hier gesellschaftlich einen enormen Handlungsbedarf. Den hat aber der gesamte Bildungssektor.
Leider ist es immer noch so, dass die Familiengründung und Kinder der große Knick in der Karriere der Frauen sind. Hier optimale Kinderbetreuungsplätze zu schaffen und Frauen zu ermöglichen, ihre wissenschaftlichen oder akademischen Karrieren fortzuführen - obwohl sie Kinder haben -, ist mir ein enormes Anliegen. Ich habe selber zwei erwachsene Söhne und kenne die Problematik aus eigener Erfahrung. Ein großes Thema ist, dass es noch zu wenige „Role Models“, also Vorbilder, gibt. Meinen ersten Sohn habe ich im Zuge eines wissenschaftlichen Aufenthalts in den USA bekommen. Dort habe ich erlebt, wie Frauen mit Familie ihre akademischen Karrieren weiterführen. Derartige Vorbildfunktionen fehlen in Österreich leider. Es gibt aber noch viele weitere Mosaiksteine bei dem Thema.
Ich möchte aber schon festhalten, dass die Uni Innsbruck eine Präsenz-Universität ist, was mir auch wichtig ist. Dazu gehört die Interaktion der Studierenden untereinander sowie mit den Lehrenden. Diese soziale Komponente sollte man als Studierender nicht auslassen.
Veronika Sexl
Was möchten Sie in Ihrer ersten Amtszeit umsetzen?
Das ist eine große Frage. Mit dem 1. März werden wir dieses „große Schiff Universität Innsbruck“ in aller Ruhe übernehmen und uns anschauen, wie dieses Schiff fährt. Dann werden wir kleine Änderungen vornehmen. Eine wichtige Veränderung ist das Vizerektorat Personal, das zu mir gewandert ist. Die Menschen einer Universität sind das Zentrum, darum ist es mir wichtig, diesen Aufgabenbereich nahe bei mir zu haben. Auch um junge Karrieren optimal fördern zu können. Dadurch wurde Platz für das Vizerektorat für Digitalisierung und Nachhaltigkeit geschaffen. Hier gibt es noch wichtige Handlungsfelder.
Sind auch neue Studienzweige geplant?
Das werden wir uns in Ruhe anschauen. Das Eine oder Andere wird sich in diesem Bereich sicher noch tun.
Die Vorsitzenden in der ÖH fordern die Erarbeitung einer Strategie für die Klimaneutralität 2035, die verpflichtende digitale Bereitstellung von Lehrveranstaltungen und dass die Erkenntnisse aus den Lehrveranstaltungsevaluierungen tatsächlich dazu genutzt werden, die Lehre zu verbessern. Wie stehen Sie zu diesen Forderungen?
Das sind nachvollziehbare Forderungen. Ich möchte aber schon festhalten, dass die Uni Innsbruck eine Präsenz-Universität ist, was mir auch wichtig ist. Dazu gehört die Interaktion der Studierenden untereinander sowie mit den Lehrenden. Diese soziale Komponente sollte man als Studierender nicht auslassen. Ich verstehe den Wunsch der Digitalisierung, dem wir auch nachkommen, aber ich bitte die Studierenden, die Präsenz zu nützen. Es gibt 16 Fakultäten, die man transdisziplinär ins Studium einbauen kann. Dieses tolle Angebot sollte genutzt werden. Bezüglich der Evaluierungen geht meine Bitte an die Studierenden zurück, diese auch zu machen. Nur dann können wir das auch optimal nützen und Veränderungen vornehmen. Bei der Klimastrategie läuft bereits sehr viel. Das müssen wir bündeln. Die Klimaneutralität ist uns ein großes Anliegen.
Im „World University Ranking“ liegt die Uni Innsbruck zwischen dem 401. und 500. Platz. Wie wollen Sie nach oben klettern?
Uni-Rankings bilden immer nur einen Teil der Leistung ab. Ich werde sie mir anschauen und mich um sie kümmern, aber ich werde mich davon nicht treiben lassen. Eine Uni ist mehr als ein Platz im Ranking.
Was ich mir grundsätzlich wünschen würde, ist, dass wir eine österreichweite Stelle haben, die eine Anlaufstelle für alle Universitäten ist, in der Plagiatsfälle behandelt werden.
Veronika Sexl
In der Vergangenheit wurden Verdachtsfälle zu Plagiaten bzw. Gutachten zu konkreten Fällen unter dem Mantel der Amtsverschwiegenheit nicht weiter von der Uni kommentiert. Wie werden Sie damit umgehen?
Wenn Dinge unter die Amtsverschwiegenheit fallen, dann ist das so und ich werde mich daran halten. Was ich mir grundsätzlich wünschen würde, ist, dass wir eine österreichweite Stelle haben, die eine Anlaufstelle für alle Universitäten ist, in der solche Fälle behandelt werden. Übrigens bin ich der Ansicht, dass durch die Künstliche Intelligenz, mit der wir jetzt konfrontiert sind (ChatGPT, Anm.), die Frage des Plagiats völlig anders definiert werden muss. Da kommt eine Lawine an Dingen auf uns zu, mit der wir umzugehen lernen müssen. Das Plagiat wird hierbei auch ein Teilbereich sein.
Veronika Sexl wurde 1966 in Wien geboren. Nach dem Medizinstudium folgten Forschungsaufenthalte in den USA. 2007 wurde sie Professorin an der Medizinischen Universität Wien und 2010 Institutsleiterin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die 57-Jährige ist wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem ERC Advanced Grant, dem Novartis-Preis für Medizin und dem Alois Sonnleitner-Preis der ÖAW. Auf dem Gebiet der Krebsforschung mit Schwerpunkt auf Leukämien ist sie eine international anerkannte Forscherin. Veronika Sexl hat zwei Söhne. Bei der Wahl setzte sie sich gegen 18 Mitbewerber und vier Mitbewerberinnen durch. Ihre Amtsperiode dauert vier Jahre.
Im Zuge der Rektoratswahl gab es damals interne Kritik am Verfahren. Direkte Wahlen durch eine Universitätsversammlung wurden gefordert sowie mehr Transparenz. Werden die nächsten Wahlen anders ablaufen?
Das ist mir völlig neu. Ich höre zum ersten Mal, dass da etwas intransparent gewesen sein soll. Für eine Universitätsversammlung müsste man das Universitätsgesetz völlig verändern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das kommt.
Wenn ein Student oder eine Studentin ein Anliegen direkt an Sie richten möchte, gibt es dazu Gelegenheit in Form einer Sprechstunde? Wie greifbar wird die neue Rektorin sein?
Ich werde mich bemühen, sehr greifbar zu sein. Aber wir haben 28.000 Studierende und 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es wird Jour-Fixe und Austauschmöglichkeiten geben, ich bitte aber um Verständnis, dass ich mich nicht mit allen persönlich austauschen kann, auch wenn ich das gerne würde.
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