Der Schwede José González kreiert verträumte Lieder im Singer/Songwriter- und Indie-Folk-Kosmos, vergisst dabei aber nicht auf umwelt- und gesellschaftspolitisches Engagement. Nun erscheint eine Dokumentation über ihn und er spielt in wenigen Tagen in Wien und Dornbirn.
Rund 30.000 Menschen fielen zwischen 1976 und 1983 der argentinischen Militärdiktatur zum Opfer, die unter Führung von Diktator Jorge Rafael Videla den sogenannten „Prozess der nationalen Reorganisation“ führte und damit wohl für das dunkelste Kapitel in der reichhaltigen Geschichte des südamerikanischen Landes sorgte. Als die Militärjunta ihr rigoroses Terrorregime aufbaute, flüchteten José González‘ Eltern mit seiner älteren Schwester, damals noch ein Säugling, nach Brasilien, bevor ihnen vom schwedischen Konsulat 1977 in Göteborg Asyl gewährt wurde. José kam als letztes der beiden Kinder ein Jahr später auf die Welt und kennt die Schauergeschichten seiner Vorfahren nur aus Erzählungen. Doch diese Sozialisation sorgte dafür, dass der Singer/Songwriter und Indie-Folk-Musiker seit jeher mit sozial- und gesellschaftspolitischem Engagement glänzt.
Zeitlose Botschaften
In 20 Jahren hat es der Schwede nur auf vier Studioalben gebracht, doch die sind durchzogen mit einer nostalgischen Sehnsucht nach gemeinschaftlichen Werten, einer naturverbundenen Lebensweise und dem Wunsch, ein Leben in Frieden und Eintracht führen zu können. So war ihm wohl auch der „European Border Breaker Award“ wichtiger als der schwedische Grammy, den er 2004 für sein immer noch unerreicht famoses Debütalbum „Veneer“ einheimste. Für sein im September 2021 erschienenes Studioalbum „Local Valley“ wagte der 44-Jährige erstmals einen Tapetenwechsel und unterschrieb bei seinem neuen Label City Slang. Rein kommerziell und an Chartpositionen bemessen hat González seine stärksten Jahre vielleicht hinter sich, doch seine Botschaften und Klänge und sind zeitlos und reichen über den schnellen Erfolg hinaus.
„Das Universum steckt voller Einzigartigkeiten, dich mich interessieren und faszinieren und die ich furchtbar gerne in Texte packe“, erzählt uns González im „Krone“-Talk, „mein Wunsch wäre es, durch meine Melodien und Wörter auf dieser Welt einen Unterschied auszumachen. So wie ein bildender Künstler eine Skulptur anfertigt, um mit dem Ergebnis zum Nachdenken anzuregen.“ An der Universität in Göteborg war er 2003 auf dem Weg zu einem Doktor in Biochemie, brach das Vorhaben aber zugunsten der Musik ab. Eine folgenschwere, aber lohnende Entscheidung, die ihm zumindest die Möglichkeit des Reisens und der Freiheit einbrachten. Diesen Vorteil weiß er nicht nur zu schätzen, er setzt ihn auch bestmöglich in der Realität um.
Kein Platz für Punk
„Durch meine Musik habe ich die großartige Möglichkeit, die Welt kennenzulernen und damit einhergehend andere Kulturen und Menschen. Ich fange dabei so viel auf, dass mir immer etwas für neue Texte einfällt.“ González bevorzugt es dafür, seine Texte ein bisschen im Nebulösen zu halten. „Ich spreche Themen ungern sehr klar an und verwende lieber Metaphern, damit ich anderen keine Richtung vorgebe. Ich bin niemand, der in seinen Songs Gefühle verletzt. Das ist zwar nicht besonders Punk, aber eben mein Weg, durch die Welt zu gehen. Ich bin weder zu dezidiert politisch, noch singe ich nur über die saftigen grünen Sommerwiesen am Land. Ich bin irgendwo dazwischen.“ Bevor González sich mit seiner Gitarre und viel Fingerpicking fand, erprobte er sich in den späten 90er-Jahren in den Punkrock- und Hardcore-Bands Back Against The Wall und Renascence. Eine weitere gute Schule für musikpolitischen Aktivismus.
Die Songs des Schweden sind aber nicht politisch und umweltkritisch, sondern kommen durch ihre klangliche Wärme auch gerne in großen US-Film- und Serienproduktionen vor. González hört man u.a. in „O.C. California“, „One Tree Hill“, „Scrubs“, „Bones - Die Knochenjägerin“ oder in „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“. „Meine Musik transportiert keine Symbole, sondern setzt auf eine warme Stimme und schöne Harmonien“, übt er sich in einer kurzen Selbstanalyse, „ich glaube, dass dieses Konzept allgemein sehr einladend ist, weshalb auch alle Generationen zu meinen Konzerten kommen. Bei meinen Konzerten kann man sich komplett fallen lassen und einfach man selbst sein. Solche Räume werden im Leben immer seltener. Früher einmal hatten Kirchen diese Funktion, aber das ist auch längst nicht mehr der Fall.“
Soziale Initiative
González ist überzeugter Atheist und ein Mann der Wissenschaft, der dem Grundkonzept des Glaubens aber trotzdem etwas abgewinnen kann. „Die Grundstränge der Religion bringt die Menschen zusammen. Das ist natürlich zu begrüßen, nur klappt es in der Realität viel zu selten. Ob man für das Miteinander einen Gott oder eine gottähnliche Person benötigt, darüber habe ich so meine Zweifel. Man kann sich auch miteinander verbinden, ohne an etwas Übernatürliches zu glauben.“ Mit beiden Beinen in der Realität steht er mitunter auch als Mitglied der „Giving What We Can“-Initiative. Eine Zusammenkunft von verschiedenen Personen, die zehn Prozent ihres Einkommens an Charity-Organisationen weiterleiten.
„Damit bringen wir interessierten Menschen Themen wie Armut oder die Erderwärmung näher, ohne mit dem Zeigefinger zu wedeln“, so González, „die Bewegung wächst unaufhaltsam. Es kostet viel Zeit, aber die Ergebnisse lohnen sich. Wenn es um Soziales in dieser Gesellschaft geht, darf es keine politischen Schranken geben und man darf schon gar nicht in die Falle von Nationalismen und Stimmungen fallen. Vielleicht wäre das auch ein guter Ansatz, um die immer stärker zurückgehende Diskussionskultur wiederherstellen zu können.“ Wer tiefer in die musikalische und tagespolitische Gedankenwelt des Künstlers eintauchen will, kann das übrigens bald in der Dokumentation „A Tiger In Paradise“, die sein Leben und Schaffen beleuchtet und viele angeschnittene Themen tiefergehend diskutiert.
Live im Konzerthaus
Eine Zäsur in seinem Privatleben war 2017 die Geburt seiner Tochter mit seiner langjährigen Lebenspartnerin, der schwedischen Designerin Hannele Fernström. „Natürlich habe ich nicht mehr so viel Zeit mit Musik verbracht und mich auf andere Dinge im Leben konzentriert. Ein Kind zu haben lässt dich selbst wieder kindischer werden, was ich sehr begrüße“, fügt er lachend an, „doch meine Tochter hat direkte Auswirkungen auf meinen Sound. Sie hat sehr früh auf Musik reagiert. Durch sie singe ich jeden Tag und das wiederum übt und fördert meine Stimme dann ich im professionellen Kontext.“ Am 7. März kommt José González knapp vier Jahre nach seinem gefeierten Aufritt beim Open-Air-Konzert in der Wiener Arena nun endlich wieder in die Hauptstadt. Er spielt im Wiener Konzerthaus, am 8. November auch im Conrad Sohm in Dornbirn. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für die Events.
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