Eine interessante Entdeckung hat ein Archäologen-Team in der einstigen bronzezeitlichen Palastsiedlung Megiddo im heutigen Israel gemacht. Sie fanden dort 3500 Jahre alte Knochen eines Brüderpaares, das nach langer Krankheit gestorben war. Ein quadratisches Loch im Schädel des Älteren weist darauf hin, dass der Mann damals offensichtlich operiert worden ist.
Das Brüderpaar war von langer Krankheit und Entwicklungsstörungen bis auf die Knochen gezeichnet, als es starb. Nicht einmal eine fachgerechte Schädeloperation konnte den älteren Bruder retten. Trotz ihrer Gebrechen waren sie in der Gesellschaft integriert und seien würdevoll begraben worden, berichtet das Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal „PLOS One“.
Unter dem Fußboden in Haus begraben
Eine würdevolle Bestattung bedeutete zu jener Zeit (vor rund 3500 Jahren) in dieser Region, dass sie zusammen mit Essens-Opfergaben und edlen Keramikgefäßen unter dem Fußboden in dem Haus begraben wurden, wo die Leute lebten, erklärte Mario Martin vom Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck: „Diese recht eigenartige Tradition muss irgendetwas mit Ahnenkult und Besitzansprüchen zu tun gehabt haben“, so Martin, der von 2016 bis 2022 Kodirektor der Ausgrabungen in Megiddo war.
Die Knochen des Älteren waren in der Erde noch als intaktes Skelett angeordnet, jene des Jüngeren wild zusammengewürfelt. Letzterer war vermutlich ein bis drei Jahre vor seinem großen Bruder verstorben und anderswo begraben worden, um nach dem Tod des älteren Bruders exhumiert und gemeinsam mit ihm in einem Winkel des Hauses bestattet zu werden. Dass es sich um Geschwister handelte, zeigen Erbgutanalysen.
Litten an Blutarmut oder Mangelernährung
Ein Team um Rachel Kalisher von der Brown University in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island inspizierte die Skelette. Der ältere Bruder war 21 bis 46 Jahre alt, als er starb. Abbauerscheinungen an der Deckknochenschicht im Dach der Augenhöhlen verraten, dass er in der Kindheit an Blutarmut (Anämie) oder Mangelernährung litt, so die Forscherin. Die beiden Hälften seines vorderen Schädelknochens sind nicht zusammengewachsen, was aber keinen Einfluss auf die Gehirnentwicklung habe.
Ein Großteil seines Stützapparates war wohl von über mehrere Jahre andauernden Entzündungen angegriffen: Knochenauflösung (Osteolyse) machte das Skelett porös, die Knochenhaut war durch entzündliche oder degenerative Prozesse sklerotisch (verhärtet). „Es gibt mehrere Infektionskrankheiten, die solch ein Erscheinungsbild an den Knochen hinterlassen können“, erklärt Kalisher: zum Beispiel Lepra, Tuberkulose und Syphilis.
Quadratisches Loch im Vorderschädel
Im Vorderschädel klafft ein quadratisches Loch von gut drei Zentimetern Seitenlänge. Es stammt von einem Eingriff, den Mediziner Trepanation nennen. Der Schädel wurde offensichtlich chirurgisch geöffnet, um übermäßigen Druck auf das Gehirn zu lindern und eine gesundheitliche Verschlechterung aufzuhalten.
„Zuerst wurden bei einem solchen Eingriff ein Hautlappen entfernt und zwei Furchen erzeugt. Die Ausübenden stoppten das Einkerben, wenn sie die Innenseite des Schädeldaches erreichten, um das Weichgewebe unmittelbar darunter nicht zu beschädigen. Wenn sämtliche Knochenstücke beweglich waren, wurden sie alle auf einmal mit einem Hebel entfernt“, so Kalisher.
Während oder bald nach OP gestorben
Die Operation habe eine erfahrene Person mit großer Präzision durchgeführt. Zwei der Knochenstücke waren bei dem Skelett zu finden. Möglicherweise wurden sie wieder in das Loch gesteckt, damit die Wunde besser heilt. Doch dies passierte nicht mehr. Der Eingriff konnte das Leben des Schwerkranken nicht retten, er starb während der Operation oder bald darauf.
Der jüngere Bruder - er starb als Teenager oder kaum älter als 20 Jahre alt - hatte ähnliche Leiden: Anzeichen von Anämie oder Mangelerscheinungen in der Kindheit, ihm fehlte die Anlage eines Mahlzahnes, und er hatte ebenso Knochenschäden, vermutlich durch eine Infektionskrankheit. Die Auswirkungen auf das Skelett waren nicht so gravierend, möglicherweise weil er rascher daran verstorben war.
Haus befand sich neben Palast
„Das Haus, unter dem sie begraben wurden, und in dem sie möglicherweise gelebt hatten, befand sich in Bestlage der Stadt Megiddo gleich neben dem Tor und Palast“, erklärte Martin: „Sie müssen demnach zu deren Elite gehört haben“. Das machte es den Brüdern wohl möglich, mit der Krankheit, die wahrscheinlich ihre Mobilität beeinträchtigte, mindestens ein paar Jahre zu leben.
Sie hatten jedenfalls Zugang zu bester medizinischer Versorgung, wie einer Schädel-OP, auch wenn diese letztlich nicht erfolgreich war. Sie wurden durch ihre Zeitgenossen in der Stadt trotz ihres Siechtums nicht ausgeschlossen und schließlich nach den damals typischen Gebräuchen mit kostbaren Opfergaben beerdigt.
Megiddo war in der Bronze- und Eisenzeit eine reiche und mächtige befestigte Stadt mit Tempeln und Palastgebäuden im Norden des heutigen Israel. Sie befand sich an einer damals wichtigen Handelsroute, der Via Maris (Meeresstraße), die Ägypten mit Mesopotamien und Anatolien verband, und kontrollierte sie teils.
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