Russland als Cashcow

Drittel der Auslands-Geldströme fließt über RBI

Wirtschaft
27.02.2023 12:41

Während zahlreiche heimische Unternehmen seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine versuchen, sich von Russland zu lösen, macht die Raiffeisenbank International (RBI) weiterhin gute Geschäfte in Osteuropa - der Gewinn hat sich im Jahresvergleich sogar vervierfacht. Alleine in Russland und Belarus erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 2,2 Milliarden Euro. Ein Verkauf wäre dabei ein finanzielles Fiasko für die Bank, die zumindest knapp ein Drittel aller Geldströme Russlands mit dem Rest der Welt abwickelt.

Auch ein Jahr nach Beginn des Konflikts in der Ukraine hat die RBI weiterhin eine bedeutende Präsenz in Russland, wie die „Financial Times“ berichtet. Erst Anfang Februar meldete die Bank, dass sie im Jahr 2022 einen Gewinn von 3,6 Milliarden Euro erwirtschaftet hatte, verglichen mit 1,4 Milliarden Euro im Jahr davor. Davon entfielen 2,2 Milliarden Euro, also mehr als 60 Prozent, auf das Geschäft in Russland und Weißrussland - eine Vervierfachung gegenüber dem Jahr 2021.

Aktien abgestürzt, Gewinne hoch
„Wir haben auf der einen Seite sehr, sehr gute Ergebnisse, aber auf der anderen Seite enorme Probleme“, sagte dazu Vorstandschef Johann Strobl. Der Markt hat seine Meinung zu diesem Zwiespalt deutlich gemacht: Seit ihrem Höchststand vor der Invasion im Februar sind die Aktien um mehr als 40 Prozent gefallen.

Die Bank hat sich ein Image als vertrauenswürdiger Partner für russische Unternehmen und Privatkunden etabliert - nun steht man vor einem Dilemma. (Bild: AFP/Kirill KUDRYAVTSEV)
Die Bank hat sich ein Image als vertrauenswürdiger Partner für russische Unternehmen und Privatkunden etabliert - nun steht man vor einem Dilemma.

Mittlerweile ist die RBI aufgrund ihrer Aktivitäten in Russland aber auch ins Blickfeld der Politik geraten. Nachdem die Ukraine erst kürzlich Sanktionen über die Bank verhängt hat, untersucht nun auch das US-Finanzministerium ihr Russlandgeschäft. Zwar gebe es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten, dennoch ist dies ein weiteres Indiz, dass die Raiffeisen im Visier von Aufsichtsbehörden und Politikern ist.

Raiffeisen mit bedeutender Rolle im Land
Raiffeisen ist dabei nicht allein: Viele westliche Unternehmen bleiben in Russland. Dazu gehören Banken wie HSBC, Barclays und die Bank of America. Aber Raiffeisen sticht sowohl durch den Umfang seiner Geschäftsaktivitäten als auch durch seine Rolle im Zentrum der Aktivitäten anderer, verbleibender Unternehmen hervor: Raiffeisen, so ein leitender Angestellter der Bank gegenüber der „Financial Times“, wickelt heute 40 bis 50 Prozent aller Geldströme zwischen Russland und dem Rest der Welt ab.

Offiziell spricht die Raiffeisenbank International am Montag gegenüber der APA von 30 Prozent des Zahlungsverkehrs im SWIFT-System in US-Dollar und Euro aus Russland. Die wichtigere Rolle von Raiffeisen im internationalen Zahlungsverkehr erkläre sich dadurch, dass zahlreiche russische Banken aus dem SWIFT-System ausgeschlossen worden seien und daher der Marktanteil westlicher Banken deutlich gestiegen sei.

Niemand anders „so tief eingebettet“
Das Unternehmen steckt jedenfalls in einem Dilemma, die RBI erzielt einen beträchtlichen Teil seiner Gewinne in Russland und Weißrussland. „Keine andere westliche Bank ist so tief in das russische Finanzsystem eingebettet“, erklärte Marcus How, der Leiter der Forschungsabteilung der Wiener Risikoberatung VE Insight.

Der ukrainische Botschafter in Österreich ist noch offener: Raiffeisens Gewinne seien „mit Blut befleckt“, meinte Wassyl Chymynez im Jänner, als bekannt wurde, dass die Bank im Rahmen eines vom Kreml angeordneten Programms russische Soldaten mit Sonderkrediten versorgte. Im Rahmen dieser Regelung werden Soldaten, die im Kampf gefallen sind, automatisch die Schulden erlassen. Raiffeisen hat rund sieben Millionen Euro an Krediten für russische Soldaten ausstehen.

Gewinne hängen in Russland fest
Raiffeisens Bindung rührt daher, dass der Kreml den Rückzug ausländischer Unternehmen nach der Invasion so schnell wie möglich blockiert hat. Dividendenausschüttungen an die Muttergesellschaften sind dadurch verboten, die Gewinne bleiben in Russland hängen. Dazu müssen Unternehmen aus „unfreundlichen“ Ländern - zu denen auch Österreich zählt - jeden Verkauf russischer Tochtergesellschaften direkt vom Kreml genehmigen lassen.

Die offiziellen Kriterien für eine solche Genehmigung sind schwer zu bewältigen: Der Wert eines Unternehmens wird nämlich von den russischen Behörden festgelegt und unterliegt einem Abschlag von 50 Prozent. Der Verkäufer kann dann wählen, ob er das Geld in Raten über mehrere Jahre hinweg erhält oder ob er eine „freiwillige Spende“ in Höhe von 10 Prozent des Transaktionswertes direkt an die russische Regierung leistet.

„Wir sind strategisch völlig gespalten“
„Wir sind strategisch völlig gespalten“, sagte ein Raiffeisen-Manager, aber hinter den Kulissen seien bereits Entscheidungen getroffen worden. Raiffeisen habe seit Beginn der Invasion die Beziehungen zu etwa drei Dutzend großen russischen Kunden - Oligarchen und Unternehmen - abgebrochen. Im letzten Jahr habe das Unternehmen seine Kreditvergabe an russische Unternehmen um 30 Prozent reduziert.

Der Buchwert von Raiffeisens russischer Tochtergesellschaft beträgt 4,1 Milliarden Euro. Die Bank bewertet sie mit knapp 1 Milliarde Euro. Zwei hochrangige westliche Banker, die versucht haben, für westliche Banken den Ausstieg zu verhandeln, erklärten, dass ein Angebot zum Kauf des Geschäfts für mehr als das 0,2-Fache des Buchwerts höchst unwahrscheinlich sei.

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