Wo heute die Bayern wohnen, lebten in der Dinosaurierzeit (Jura) vor etwa 150 Millionen Jahren neben Archaeopteryx-Urvögeln auch Haie in Lagunen von Koralleninseln, erklärt Patrick Jambura vom Department für Paläontologie der Universität Wien. Entgegen bisheriger Annahmen waren diese eineinhalb Meter langen, flachen „Jurassic Sharks“ (Jurahaie) nicht primitive Vorfahren heutiger Knorpelfische, sondern hoch entwickelte Haie, berichtet er.
„Knorpelfische wie Haie und Rochen sind evolutionär eine sehr alte Tiergruppe, die bereits vor den Dinosauriern vor über 400 Millionen Jahren auf der Erde lebte“, so der Forscher in einer Aussendung der Uni Wien. Es gibt mehr als 500 Hai- und gut 600 Rochen-Arten. Diese Fische haben alle fünf bisherigen Massenaussterben der Erdgeschichte gut überstanden. Man findet weltweit reichlich Fossilien von ihnen. Allerdings bleiben meistens nur ihre Zähne erhalten, während das knorpelige Skelett so wie der restliche Körper verwest ist.
Abdrücke von Haut und Muskeln erhalten
In einer Lagerstätte in Bayern, dem „Solnhofer Archipel“ sind die Bedingungen aber sehr speziell: Dort sind nicht nur Skelettreste, sondern sogar Abdrücke von Haut und Muskeln der Knorpelfische aus der Jurazeit erhalten geblieben. Vor 150 Millionen Jahren war an diesem Ort eine Inselgruppe im Tethys-Meer (Urmittelmeer) mit Koralleninseln, auf denen es Insekten und den Urvogel Archaeopteryx gab, wie deren Überreste bezeugen.
Verwandtschaft war bisher unklar
In den Lagunen waren wiederum „Protospinax annectans“-Knorpelfische beheimatet. Diese Art wurde 1918 erstmals beschrieben, und zwar als „eineinhalb Meter lange, flache Knorpelfische mit ausgebreiteten Rückenflossen und zwei prominenten Stacheln vor jeder Rückenflosse“, heißt es in der Aussendung. Unklar war bisher, wo man sie einreihen sollte. Diskutiert wurden unter anderem: Als „fehlendes Bindeglied“ zwischen Haien und Rochen, als Ur-Hai oder als Ahne einer Untergruppe, die etwa den heute lebenden Weiße Hai hervorbrachte.
Das Team um Jambura erstellte zunächst von heute lebenden Haien und Rochen anhand ihrer genetischen Codes (mitochondrieller DNA) einen Stammbaum. Dann verglichen die Forscher 224 Gestaltmerkmale (morphologische Merkmale) bei Protospinax annectans, heute lebenden Haien und Rochen, sowie von anderen fossilen Haien und Rochen. Dadurch konnten sie die Verwandtschaftsverhältnisse bestimmen sowie die Stellung von Protospinax annectans im evolutionären Stammbaum der Haie und Rochen. Ihre Studie wurde im Fachmagazin „Diversity“ veröffentlicht.
„Unerwartet“ weit entwickelt
„Unsere Analyse ergab, dass die nächsten Verwandten von Protospinax die heute lebenden Engelhaie und die Sägehaie sind“, berichtete Jambura. Die Unterschiede zu den beiden seien aber so groß, dass er wohl zu einer eigenen, sehr weit entwickelten Gruppe gehörte. „Das war unerwartet, da man bei einer so alten Art eigentlich mit einem ursprünglichen Hai oder einem Vorfahren einer Gruppe rechnen würde“, meinte der Paläontologe.
„Auch wenn Knorpelfische bis heute als Tiergruppe überlebt haben, verschwanden die meisten Arten im Laufe der Evolution“, schreiben die Forscher: Das passierte auch bei Protospinax annectans aus unbekannten Gründen an der Grenze zwischen Jura- und Kreidezeit (vor etwa 145 Millionen Jahren). Also vor dem Ableben sämtlicher Dinosaurier, das das Ende der Kreidezeit (vor 66 Millionen Jahren) markiert.
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