„Tár“ handelt genau von dem, was der Titel verspricht: von Tár. Regisseur Todd Field hat einen Film über eine mächtige Frau geschaffen, der in aller Muße und im radikalen Fokus auf die Titelfigur das vielschichtige Porträt eines Menschen in all seinen Facetten erzählt. Es ist eine Paraderolle für Hollywoodstar Cate Blanchett, die sich mit ihrer Interpretation einer Chefdirigentin, deren Welt zerbricht, zur Topfavoritin auf den Oscar im März spielt. Ab 2. März im Kino!
Im Zentrum von „Tár“ steht - ach was, das Zentrum bildet Lydia Tár, Chefdirigentin eines nicht genannten deutschen Spitzenorchesters, das wie viele Namen und Figuren im Film nur unschwer zu dechiffrieren ist, konkret als die Berliner Philharmoniker. Sie steht kurz davor, mit ihrem Klangkörper die Einspielung eines Mahler-Zyklus zu beenden, zu dem nur mehr die 5. Symphonie fehlt, für die eine Liveaufnahme ansteht.
Und doch werden an manchen Stellen in diesem perfekten Jetsetleben der Künstlerin Risse sichtbar. Sie ist toughe Macherin, die aber dennoch Tabletten zur Beruhigung nehmen muss. Sukzessive schleichen sich Unstimmigkeiten ein. Die Ehe mit ihrer Konzertmeisterin Sharon Goodnow (Nina Hoss), mit der sie die Tochter Petra großzieht, läuft routiniert, hat aber keine Leidenschaft mehr, sollte sie je vorhanden gewesen sein.
Der Selbstmord einer von ihr einst geförderten jungen Kollegin versetzt Tár in Panik, und die neue, eher proletoide Orchestercellistin Olga (Sophie Kauer) zieht die kühle Dirigentin weit über das Maß des künstlerischen Interesses hinaus an. Diese Welt wird zerbrechen.
Field erzählt diesen Ausschnitt eines Lebens in langen Dialogen und im schal ausgeleuchteten Luxusambiente kalter Räume. Er lässt den Figuren Zeit. So steht ein viele Minuten langes Publikumsgespräch über Társ Verständnis und ihre Interpretation von Musik am Beginn, wird eine Meisterklasse zur Interpretation zeitgenössischer Musik in toto gezeigt, sind die ausführlichen Endcredits gleich in voller Länge zu Beginn zu sehen.
Gleichsam in Form eines Gelenks sind die langen Sequenzen durch kurze, rhythmische Szenen verbunden, montiert von Österreichs editorischem Aushängeschild Monika Willi, die dafür ebenfalls auf Oscar-Ehren hoffen darf.
In diese eher distanzierte, kühle Atmosphäre gliedert sich auch der äußerst zurückhaltende Soundtrack ein, der zwar vom isländischen Shootingstar Hildur Guðnadóttir stammt, und sich doch sehr zurücknimmt und meist Elgar und Mahler als On-Screen-Musik den Vortritt lässt.
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