Festnahmen und Verhöre

Griechischer Minister trat nach Zugunglück zurück

Ausland
01.03.2023 17:43

Nur langsam kommen die Rettungskräfte nach dem schweren Zugunglück in Griechenland mit mindestens 36 Toten und 72 zum Teil schwer Verletzten Menschen voran. Auch Stunden nach dem Unfall suchten Rettungskräfte am Mittwoch in den Trümmern der Züge weiter nach Opfern. Unterdessen trat Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurück.

Für Griechenland, das nur ein kleines Schienennetz hat, ist es das schwerste Eisenbahnunglück der Geschichte. Die Unfallstelle nahe der mittelgriechischen Stadt Larisa gleicht einem Trümmerfeld, die vorderen Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall geradezu zusammengefaltet, wie Drohnenaufnahmen zeigten. Erste Berichte über die mögliche Ursache deuten darauf hin, dass technische Probleme und in der Folge menschliches Versagen eine Rolle gespielt haben könnten. So soll das elektronische Leitsystem auf der Strecke schon länger nicht richtig funktioniert haben, weshalb die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich waren. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben den für die Signalgebung zuständigen Bahnhofswärter vorübergehend fest und verhörte mindestens drei Personen, darunter einen Vertreter des Bahnunternehmens.

Große Empörung über mögliche Fehler
Der Personenzug könnte dieser Theorie zufolge schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam. Mangels Leitsystem war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete der Sender ERT - die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen. Die Empörung der Menschen im Land ist jetzt schon groß: Wie ist es möglich, dass der Intercity auf demselben Schienenstrang wie der entgegenkommende Güterzug unterwegs war, obwohl die Strecke zweispurig ausgebaut ist, fragt man sich. In Larisa machten sich nach einem Aufruf des griechischen Roten Kreuzes und der umliegenden Krankenhäuser viele Menschen zur Blutspende auf, um ihre Unterstützung für die Verletzten zu zeigen.

Passagier: „Ich dachte, ich würde sterben“
Am Zielbahnhof in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich schon in der Nacht verzweifelte Angehörige, Telefon-Hotlines wurden eingerichtet. Rund 200 Passagiere, die nicht oder nur leicht verletzt wurden, wurden vom Unglücksort mit Bussen ins 150 Kilometer weit entfernte Thessaloniki gebracht. Manche Angehörige aber warteten dort vergebens. „Ich dachte, ich würde sterben“, sagte ein Passagier der Tageszeitung „Kathimerini“. Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können.

Sichtlich getroffen versprach Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Mittag an der Unfallstelle die vollständige Aufklärung der Ursache des Unglücks. Es sei eine „unaussprechliche Tragödie“, sagte er. Zunächst sei nun die Hauptaufgabe, die Verwundeten zu behandeln und die Leichen zu identifizieren. Man werde alles tun, damit so etwas nie wieder passiere. Verkehrsminister Karamanlis erklärte, die aktuelle Regierung habe die griechische Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern.

Die Einsatzkräfte müssen sich durch ein Trümmerfeld durcharbeiten. (Bild: APA/AFP/STRINGER)
Die Einsatzkräfte müssen sich durch ein Trümmerfeld durcharbeiten.

Verkehrsminister: „Nicht möglich, weiterzumachen, als sei nichts passiert“
„Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich.“ Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürger dem politischen System vertrauen könnten. „Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück“, erklärte der Minister wenige Stunden nach dem Unglück. Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, betonte Karamanlis und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

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