Studie legt nahe:

Produktivität bleibt bei 4-Tage-Woche erhalten

Wissenschaft
02.03.2023 08:21

Größeres Wohlbefinden, weniger Krankenstände und keine Produktivitätseinbußen: In der jüngst entbrannten Arbeitszeitdebatte haben die Resultate einer britischen Studie zur Vier-Tage-Woche neuen Diskussionsstoff gebracht. Bei dem groß angelegten Pilotprojekt handelt es sich allerdings nicht um den ersten derartigen Versuch: Vorherige Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen, außerdem wird derzeit in vielen Ländern getestet. Die Umsetzbarkeit ist unter Experten aber umstritten.

Eine zentrale Erkenntnis aus dem Projekt in Großbritannien besteht darin, dass die Verringerung der Arbeitszeit auf durchschnittlich 32 Stunden bei vollem Gehalt keine Verringerung der Produktivität nach sich ziehen muss. Die Analyse der Forscher aus Boston sowie Cambridge ergab sogar Gegenteiliges: Tendenziell erhöhte sich die Leistung unter den etwa 2900 teilnehmenden Beschäftigten - neben weiteren positiven Effekten wie geringeren Burnout-Raten oder einer höheren Mitarbeiterbindung. 56 von 61 Arbeitgebern wollten die Vier-Tage-Woche nach Ende der Testphase gänzlich beibehalten.

Mehr Wohlbefinden und bessere Gesundheit
Die Ergebnisse der britischen Studie decken sich weitgehend mit Befunden einer im Jahr 2022 publizierten Untersuchung im Auftrag der Organisation „4 Day Week Global“ in Irland und den USA. An der Studie nahmen 33 Unternehmen aus diversen Branchen teil, allen voran aus dem IT- und Telekommunikationssektor. De facto wurde dabei in den Betrieben eine Vier-Tage-Woche umgesetzt. Auch dieser Studie zufolge ging die Produktivität nicht zurück. Das persönliche Wohlbefinden und die Gesundheit innerhalb der Belegschaft verbesserten sich.

Symbolbild (Bild: Ingo Bartussek - stock.adobe.com)
Symbolbild

Durchaus erfolgreich verliefen zwei größere Tests in Island, die zwischen 2015 und 2019 stattfanden. Insgesamt nahmen an dem Versuch etwa 2500 Personen aus dem öffentlichen Sektor teil. Auch dort schlug die Arbeitszeitverkürzung - reduziert wurde auf 35 bis 36 Stunden pro Woche - nicht negativ auf die Produktivität durch. Außerdem berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer spürbaren Verringerung ihres Stresslevels, einer besseren Work-Life-Balance und allgemein einer besseren Gesundheit.

Gute Erfahrung mit anderen Modellen der Arbeitszeitverkürzung
Neben bereits abgeschlossenen Studien laufen in vielen Ländern momentan ähnliche Projekte. Die entsprechenden Modelle der Arbeitszeitverkürzung variieren dabei - eine „echte“ Vier-Tage-Woche mit 32 Wochenstunden bei gleichbleibendem Gehalt ist bei diesen Versuchen nicht immer das Ziel. Frankreich etwa verkündete zuletzt, in der öffentlichen Verwaltung die Einführung einer verkürzten Arbeitswoche (35 Stunden) ausprobieren zu wollen. In Spanien wiederum liefen Experimente in kleineren und mittleren Betrieben an, wobei die Arbeitszeit für das Personal um mindestens zehn Prozent verringert werden soll. Bereits umgesetzt wurde ein flexibleres Arbeitszeitmodell in Belgien. Und in Wales sowie Schottland sollen heuer Versuche anlaufen.

AMS-Vorstand Johannes Kopf (Bild: APA/HANS PUNZ)
AMS-Vorstand Johannes Kopf

AMS-Chef sieht keine „Gesamtantwort“ in Vier-Tage-Woche
In Österreich wurden derartige Konzepte noch nicht großflächig ausgerollt oder getestet. Versuche gab es bisher vor allem auf Ebene einzelner Unternehmen, beispielsweise beim Fensterhersteller Weinzetl in Wiener Neustadt (Niederösterreich), wie der „Kurier“ im Mai 2022 berichtete. Auch scheiden sich in Bezug auf die Frage, ob und inwieweit sich eine Vier-Tage-Woche hierzulande flächendeckend umsetzen lassen könnte, unter Experten die Geister. Der Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, gab sich dazu in der „ZiB 2“ am Montag skeptisch. Vor allem im Lichte des vorherrschenden Arbeitskräftemangels sei eine breitere Umsetzung schwierig. Durch demografische Entwicklungen werde es mittel- bis langfristig eher weniger Menschen am Arbeitsmarkt geben. Die Vier-Tage-Woche könne daher auf individueller Ebene eine Lösung, jedoch keine „Gesamtantwort“ sein.

Die Wifo-Arbeitsmarktexpertin Julia Bock-Schappelwein plädiert dafür, das Thema gesamtheitlicher zu denken. Im Gespräch mit der APA verwies sie auf eine Best-Practice-Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts, wonach eine flexible Gestaltung der Arbeitszeiten nur einer von mehreren möglichen Ansatzpunkten für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder eine Attraktivierung als Arbeitgeber sei. Hebel bestünden unter anderem bei der Unternehmenskultur oder in Qualifizierungsmaßnahmen. Aus Sicht der Betriebe stelle sich dabei immer die Frage, aus welchen Gründen Veränderungen angestrebt werden. Momentan mache den Unternehmen nämlich nicht nur der Arbeitskräftemangel zu schaffen, kam die Expertin auf aktuelle Unsicherheiten wie anhaltende Lieferkettenprobleme und eine volatile Auftragslage zu sprechen.

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