Noch immer Vermisste
Zugunglück: Regierung in Athen räumt Versagen ein
Nach dem schweren Zugunglück in Griechenland hat die Regierung staatliches Versagen eingeräumt. Verzögerungen bei der Modernisierung des griechischen Bahnnetzes seien auf „chronische“ Probleme und „jahrzehntelanges Versagen“ in der Verwaltung zurückzuführen, sagte Regierungssprecher Giannis Economou am Donnerstag. Die persönliche Verantwortung für das Unglück übernahm indes der für den Streckenabschnitt zuständige Bahnhofsvorsteher. Inzwischen wurden fast 50 Tote geborgen.
Hoffnung auf Überlebende gab es kaum noch, hieß es von an den Rettungs- und Bergungsarbeiten beteiligten Organisationen. Auf der Strecke zwischen der Hauptstadt Athen und der Hafenstadt Thessaloniki waren am Dienstagabend kurz vor Mitternacht ein Intercity mit mehr als 350 Menschen an Bord und ein auf demselben Gleis entgegenkommender Güterzug frontal zusammengestoßen. Zwei Waggons wurden durch die Wucht des Zusammenpralls zerquetscht, der Speisewagen ging in Flammen auf, zahlreiche Menschen wurden in den entgleisten und ineinander verkeilten Wracks eingeschlossen.
Bahnhofsvorsteher verhaftet
Wenige Stunden nach dem Unglück wurde der Bahnhofsvorsteher, der zum Zeitpunkt des Unglücks in der nahe gelegenen Stadt Larissa im Dienst gewesen war, festgenommen. Dem 59-Jährigen werden fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Nach Angaben seines Anwalts hat er die Vorwürfe am Donnerstag eingeräumt. Sein Mandant habe „zugegeben, was er getan hat“, sagte der Anwalt.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte schon am Mittwoch nach einem Besuch am Unglücksort von einem „tragischen menschlichen Fehler“ gesprochen. Verkehrsminister Kostas Karamanlis trat zurück. Sein Nachfolger Giorgos Gerapetritis bat am Donnerstag die Familien der Opfer um Entschuldigung und kündigte eine selbstkritische Aufarbeitung des Unglücks an.
Zugstrecken in miserablem Zustand
Nach dem Unglück war in Griechenland eine heftige Diskussion über den Zustand des Bahnnetzes entbrannt. Laut der Lokführergewerkschaft OSE ist die Strecke zwischen Athen und Thessaloniki in einem sehr schlechten Zustand. Alle Signale würden manuell gesteuert, sagte Gewerkschaftschef Kostas Genidounias. In einem offenen Brief hatten Bahnmitarbeiter erst im Februar darauf hingewiesen, dass die Sicherheitssysteme unvollständig und schlecht gewartet seien.
Im Zuge eines umfassenden Privatisierungsprogramms infolge der Finanzkrise hatte die italienische Staatsbahn Ferrovie di Stato (FS) die griechische Bahn 2017 übernommen. In Larissa und vor der Zentrale der Bahngesellschaft Hellenic Train in Athen gab es am Mittwochabend Proteste. „Privatisierung tötet“ stand auf Schildern der Demonstranten in Larissa. In Athen setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein, die Steine auf das Bahngebäude warfen.
Identifizierung mittels DNA
An der Unglücksstelle wurden bis Donnerstagnachmittag nach Angaben der Feuerwehr 48 Tote geborgen, von denen die meisten in den ersten drei Waggons gesessen waren. Wegen des Feuers im Speisewagen sind manche Leichen bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, ihre Identifizierung muss mittels DNA-Test erfolgen. Mehr als 80 weitere Menschen wurden verletzt. Sie werden in Krankenhäusern in Larissa, Thessaloniki und Katerini behandelt, teilweise auf der Intensivstation.
Die Rettungskräfte arbeiteten sich am Donnerstag weiter mit schwerem Gerät durch verbogene Metalltrümmer. Einige Fahrgäste wurden am Donnerstag noch vermisst, genaue Angaben machten die Behörden allerdings nicht. Der Gerichtsmediziner Roubini Leontari vom Krankenhaus in Larisa sprach im Sender ERT von mehr als zehn Vermissten.
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