„Jahrelanges Mobbing“
Wagenknecht-Egotrip: Spaltet sich deutsche Linke?
Die Absage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht an eine weitere Kandidatur für die Linke schürt in Deutschland neue Spekulationen über eine Spaltung der Partei. Linken-Chefin Janine Wissler kritisierte am Samstag Erwägungen, eine neue Partei zu gründen. Die Vizevorsitzende Katina Schubert warf Wagenknecht vor, diese arbeite „schon lange auf eigene Rechnung“ und gegen die Partei. Dem konterten Wagenknechts Anhänger scharf.
„Das jahrelange Mobbing der jeweiligen Parteiführung gegen die populärste Politikerin in den eigenen Reihen hat nun Konsequenzen“, erklärte der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich. „Ich kann nachvollziehen, warum Sahra Wagenknecht nicht mehr bereit ist, für diese Linke zu kandidieren. Warum soll sie einer Partei das politische Überleben organisieren, die sie jeden Tag bekämpft?“
Der frühere Parteichef Klaus Ernst zeigte sich auf Twitter demonstrativ mit Wagenknecht und kommentierte: „Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet.“
Wagenknecht schließt „weitere Kandidatur für die Linke“ aus
Am Freitag war bekannt geworden, dass Wagenknecht nicht mehr für die Linke in den Deutschen Bundestag will. Der Zeitung „Rheinpfalz“ sagte sie: „Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe ich aus.“ Sie wolle sich nach Ablauf der Legislaturperiode entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“. Wissler sagte dazu nur: „Das ist ihre Entscheidung. Ich kommentiere das nicht.“
Klar ist, dass eine jahrelange Entfremdung zwischen Wagenknecht und ihrer Partei vorausging. Sie trat 1991 in die Vorgängerpartei PDS ein, war im Europaparlament und sitzt seit 2009 im Bundestag, zeitweise als Co-Fraktionschefin. Vor der Bundestagswahl 2021 rechnete sie im Buch „Die Selbstgerechten“ mit einem Teil der Linken ab - den jungen, urbanen Gender- und Klimaengagierten. Beim Thema Migration positionierte sich Wagenknecht gegen die Linie der Partei, bei der Corona-Politik ebenfalls.
Eckte mit Haltung zu Ukraine-Krieg an
Zuletzt war es ihre Haltung zum Ukraine-Krieg, mit der sie in der eigenen Partei aneckte. Schon nach einer umstrittenen Rede im Bundestag im Herbst, als sie der deutschen Regierung einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vorhielt, stand kurz ihr Ausschluss aus der Fraktion oder eine Spaltung im Raum. Bei ihrem mit der Publizistin Alice Schwarzer verfassten „Manifest für Frieden“ und einer großen Demonstration in Berlin machte die Parteispitze nicht mit.
In der Partei wirft man Wagenknecht Alleingänge vor, aber auch „rechtsoffene“ Thesen - also solche, die auch bei der rechtspopulistischen AfD Platz fänden. Andererseits ist Wagenknecht die bei Weitem bekannteste Vertreterin der Linken. Umfragen bescheinigen einer von ihr geführten Partei ein Wählerpotenzial von 20 bis 30 Prozent. Dabei ist völlig unklar, wofür eine solche Partei stünde.
Wenn Wagenknecht nach einer solchen Neugründung gefragt wird, bleibt sie seit Monaten sehr vage. „Darüber wird an vielen Stellen diskutiert“, sagte sie jetzt der „Rheinpfalz“. Es sei nach ihrer Beobachtung ein Problem, dass sich viele Menschen im heutigen Parteienspektrum von niemandem mehr wirklich vertreten fühlten. Ihre Anhänger werden deutlicher und lassen immer wieder einmal durchblicken, dass bereits Vorbereitungen getroffen würden. Der Abgeordnete Ulrich erklärte, der Zuspruch für das Wagenknecht-Schwarzer-Manifest zeige, „dass die Notwendigkeit nach einer Partei für Frieden, Abrüstung und soziale Gerechtigkeit mehr denn je vorhanden ist“.
Linke könnte ohne Wagenknecht weiter Wähler verlieren
Für die Linke ist das ein Dilemma: Zwar wäre sie den Dauerstress mit Wagenknecht gerne los, doch könnte sie eine entscheidende Zahl von Wählern verlieren. Dabei kratzt sie bereits am Minimum. Bei der Bundestagswahl 2021 scheiterte die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde und kam nur in Fraktionsstärke ins deutsche Parlament, weil sie drei Direktmandate gewann.
Wissler, die im Tandem mit Martin Schirdewan die Partei führt, nannte auch am Samstag „das Kokettieren mit neuen Parteien“ nicht hilfreich. Allerdings kenne sie auch „keine genauen Pläne“ und „keine Bestrebungen dahin gehend“.
Parteivizechefin Schubert meinte zur möglichen Wagenknecht-Partei: „Ehrlich gesagt, ich glaube da nicht dran, weil das ist ihr viel zu viel Arbeit, nachdem sie gesehen hat, wie sie mit (der Bewegung) ,Aufstehen‘ auf den Bauch gefallen ist. Aber selbst wenn es so ist, dann ist es so.“ Wagenknecht hatte die „Sammlungsbewegung“ 2018 ins Leben gerufen, doch nahm das Unterfangen trotz ihrer Bekanntheit und Popularität nie richtig Fahrt auf.
Über Wagenkecht äußerte sich Schubert bitter. Deren „Geschäftsmodell ist, von der Seitenlinie Leute zu diffamieren und schlechtzumachen“, sagte sie. „Insofern: Eine Klärung würde vielleicht manches leichter machen.“
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