Obwohl es Russland im Ukraine-Krieg an Munition für die Artillerie mangelt, bestehe die Militärführung laut britischen Geheimdienstinformationen weiter auf Offensivaktionen. Das führe zu immer mehr Angriffen durch Infanteristen, die nur mit Handfeuerwaffen und Spaten bewaffnet sind. Der Regierung in Kiew zufolge erleidet die russische Armee durch ihre „Taktik des Fleischwolfs“ bei Bachmut enorm hohe Verluste.
Die Zahl der Angriffe in der Ukraine, die kaum durch Artilleriefeuer unterstützt werden und daher zu Nahkämpfen werden, nimmt laut britischem Verteidigungsministerium zu. Zuletzt hätten Ende Februar russische mobilisierte Reservisten davon berichtet, dass ihnen befohlen worden sei, nur mit Handfeuerwaffen und Schaufeln einen mit Beton befestigen ukrainischen Stützpunkt anzugreifen, teilte das Londoner Ministerium in seinem täglichen Update auf Twitter mit. Er sei „weder physisch noch psychisch“ auf den Einsatz vorbereitet, wird ein Reservist zitiert.
Immer mehr Nahkämpfe
Die Spaten, die sonst zum Ausheben von Schützengräben verwendet werden, sind so gestaltet, dass sie auch als Nahkampfwaffe benutzt werden können. Ihre Tödlichkeit werde in Russland „besonderes mythisiert“. Seit der Entwicklung des Schanzwerkzeugs im Jahr 1869 wurde es kaum verändert. Dass der Spaten noch immer als Waffe eingesetzt werde, unterstreiche „die brutalen und kaum technologiegestützten Kämpfe, die einen Großteil des Krieges kennzeichnen“, so das britische Verteidigungsministerium.
Verwundete stundenlang liegen gelassen
Der Twitter-Account @wartranslated, der Videos russischer Soldaten auf Englisch übersetzt und postet, teilte am Sonntag ein weiteres Beispiel für die Situation mobilisierter Reservisten. In dem Clip richtet eine russische Einheit einen Appell an Präsident Wladimir Putin, ihnen keine „sinnlosen“ Angriffe mehr zu befehlen. Bei einer kürzlichen Attacke ohne Unterstützung durch Artillerie seien manche Verwundete sechs Stunden lang unversorgt am Schlachtfeld gelegen, bevor sie von Ukrainern gefangen genommen wurden.
Besonders hohe Verluste erleidet das russische Militär nach Angaben aus Kiew bei der Schlacht um die ostukrainische Stadt Bachmut. „Die Verluste der Russen belaufen sich jeden Tag auf bis zu 500 Gefallene und Verletzte“, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow der „Bild am Sonntag“. Die russischen Soldaten seien nur „Kanonenfutter“ in der von Moskau genutzten „Taktik des Fleischwolfs“. Unabhängig lassen sich die Angaben zu den Verlustzahlen nicht überprüfen.
Extrem hohe Verluste unter rekrutierten Sträflingen
Allerdings ist die Stadt seit Monaten schwer umkämpft. In der Region ist vor allem die Söldnereinheit Wagner aktiv. Deren Chef, der als kremlnah geltende Oligarch Jewgeni Prigoschin, hat in der Vergangenheit in russischen Gefängnissen Männer für die Truppe rekrutiert. Gerade unter diesen Gefangenen sollen Berichten zufolge die Verluste extrem hoch sein. Die Menschenrechtsorganisation „Russland hinter Gittern“ hatte zuletzt davon gesprochen, dass von den 50.000 in Gefängnissen angeworbenen Söldnern nur noch 10.000 an der Front seien. Der Rest sei gefallen, verwundet, gefangen genommen worden oder desertiert.
Laut Resnikow ist Bachmut „für die Russen ein symbolischer Ort“, weshalb die Anstrengungen für die Einnahme der Stadt so bedeutend seien. Dabei bedeute selbst deren Eroberung nichts für den weiteren Verlauf der Kämpfe im Donbass, sagte er der Zeitung.
„Festung Bachmut“
In der Vergangenheit hatte allerdings auch die Führung in Kiew Bachmut eine hohe symbolische Bedeutung verliehen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach unter anderem von der „Festung Bachmut“, die nicht aufgegeben werde. Heute sind die Töne gemäßigter. Der Fall der Stadt wird inzwischen als Möglichkeit in Betracht gezogen. Allerdings will die Ukraine so lange wie möglich an den Stellungen festhalten, auch weil die russischen Truppen beim Anrennen dagegen viel Zeit und Kraft verlieren.
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