Droht mit Rückzug
Wagner-Chef: Dann fällt Front auch auf der Krim
Jewgeni Prigoschin, der Gründer der russischen Söldnertruppe Gruppe Wagner, hat am Wochenende gedroht, seine Soldaten aus der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut (Video oben) abzuziehen. In einem Video, das er auf Telegram veröffentlichte, sagte er, die gesamte russische Frontlinie in der Ostukraine werde dann „zusammenbrechen“.
In dem Video bezeichnete Prigoschin, der ein Freund von Kreml-Chef Wladimir Putin ist, die Gruppe Wagner als „Zement“. Die von ihm finanzierte Söldnertruppe „stabilisiere“ die Front und „verhindere den Durchbruch des Feindes“. „Wenn wir zurücktreten, werden wir für immer als jene Menschen in die Geschichte eingehen, die den wichtigsten Schritt zum Verlieren des Krieges getan haben“, sagte er.
Streit um mangelnde Munition
Für ihn sei klar, dass die Frontlinie zusammenbreche, erklärte Prigoschin. Ukrainische Streitkräfte könnten dann bis an die Grenzen Russlands vorrücken oder „vielleicht sogar noch weiter. Dann fällt auch die Krim“, fügte er hinzu und kritisierte erneut den Mangel an Munition (siehe Tweet unten).
Der Streit über die Lieferung derselben zieht sich bereits seit einiger Zeit hin. Vor knapp zwei Wochen hatte er der russischen Armeeführung Hochverrat vorgeworfen, weil sie seine Söldner im Kampf um die Stadt Bachmut nicht ausreichend mit Ausrüstung versorge. Noch am Freitag hatte der Wagner-Chef gejubelt, Bachmut sei praktisch umzingelt.
Erneut Munitionsnachschub gefordert
Am Sonntag forderte Prigoschin nach eigenen Angaben schriftlich bei der russischen Militärführung in der Ukraine - bei Generalstabschef Waleri Gerassimow selbst - Munitionsnachschub. Am Montag erklärte er mit Blick auf ausbleibende Munitionslieferungen: „Im Moment versuchen wir herauszufinden, was der Grund dafür ist: Ist es nur gewöhnliche Bürokratie oder ein Verrat?“
Putin-Freund Prigoschin hat sich wiederholt kritisch über das Verteidigungsministerium und dessen Chef, Sergei Schoigu, geäußert. Dieser würde versuchen, seine Einheiten zu zerstören, indem er die Soldaten der Gruppe Wagner nicht ausreichend versorge, erklärte er vor zwei Wochen. Und er beschwerte sich auch, weil er die Verdienste seiner Söldnereinheiten nicht ausreichend gewürdigt sieht.
Industriestadt liegt in Trümmern
Seit Monaten andauernder Artilleriebeschuss hat große Teile von Bachmut in Schutt und Asche gelegt und fast alle Bewohner der kleinen Industriestadt zur Flucht gezwungen. Im Kampf um die Stadt schicken die russische Armee und die Söldnertruppe Wagner schlecht ausgebildete Rekruten als „Kanonenfutter“ an die Front. Westliche Quellen schätzen, dass im „Fleischwolf Bachmut“ jeden Tag Hunderte Soldaten verwundet oder getötet werden.
Dabei messen Militärexperten Bachmut nur wenig oder fast gar keine strategische Bedeutung zu. „Der Kampf um Bachmut hat enorme militärische und menschliche Ressourcen verschlungen“, sagt der frühere australische Generalmajor Mick Ryan von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS). Dabei sei der Fall der einstigen Industriestadt bedeutungslos, „wenn andere Stellungen halten“.
Symbolische Bedeutung für beide Seiten
Je länger die Schlacht um Bachmut dauerte, desto größer würde allerdings die symbolische Bedeutung der Kleinstadt, in der vor dem Krieg rund 70.000 Menschen gelebt haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte sie im vergangenen Dezember und sprach damals von der „Festung Bachmut“.
Für Prigoschin ist die Einnahme der Stadt ein beinahe persönliches Ziel, das die Bedeutung seiner Söldner, die auch in Gefängnissen rekrutiert wurden, beweisen würde. Die Eroberung bedeute auch „einen dringend benötigten Sieg für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Armee“, sagt Ex-Generalmajor Ryan. Andere Experten verweisen darauf, dass es der erste Sieg Moskaus seit den erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensiven im Herbst wäre.
Erwägt Kiew den Abzug aus Bachmut?
Laut Beobachtern könnte Kiew einen Teil seiner Streitkräfte aus der seit Monaten heftig umkämpften Stadt abziehen. Das ukrainische Militär erwäge möglicherweise einen kontrollierten Rückzug. Laut Angaben des britischen Geheimdienstes in London will die Ukraine strategische Brücken nahe der Stadt zerstören.
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