Interview & Album

Elektro-Band Yukno: „Alles verändert sich ständig“

Musik
10.03.2023 09:00

Vom oststeirischen Stubenbergsee aus erobern die beiden Brüder Georg und Nikolaus Nöhrer mit melancholischer Indie-Elektronik die Tanzflächen Europas. Yukno spricht man mit „stummem K“ aus und der Name ist eine Hommage an den Familienhund. Auf ihrem zweiten Album „Alles ist Vergangenheit“ verknüpfen die beiden Querverweise aus der Pop-Historie mit einer realen Weltuntergangsstimmung und dem letzten Quäntchen Hoffnung. 

„Krone“: Georg, Nikolaus - ihr habt auf euren letzten Outputs sehr stark auf digitale Themen gesetzt. Der Albumtitel „Alles ist Vergangenheit“ rückt davon ab. Ein bewusster Bruch?
Georg Nöhrer:
 Bewusst war er nicht, aber wir versuchen immer, ein bisschen etwas konzeptionell abzustecken.
Nikolaus Nöhrer: Wenn man sich die Krisen und Kriege auf der Welt so ansieht, hat man auf der Metaebene das Gefühl, der Großteil der Menschheit liege schon hinter uns und man stellt sich unweigerlich die Frage - was kommt noch? 
Georg: Ein bisschen Weltuntergangsstimmung musste sein. Wir waren der Melancholie schon immer nahe und das drückt sich im Album aus. Es ist aber nicht pessimistisch, auch wenn es der Titel suggeriert.
Nikolaus: Musik kann auch eskapistisch sein. Wenn alles in der Vergangenheit liegt, hält uns nichts dabei auf, den Augenblick zu genießen. Das klingt kitschig, ist aber wahr und Musik eignet sich gut dafür.

Die Ansicht, der Großteil der Menschheit liege bereits hinter uns, suggeriert aber schon ein bisschen das Pessimistische auf dieser Welt ...
Nikolaus:
 (lacht) Wir sind trotzdem Optimisten. 
Georg: Wenn man die Welt gesamt historisch betrachtet, dann schätzt man die guten Momente viel mehr und deshalb ist das Album auch nicht pessimistisch.
Nikolaus: Mit einem Albumtitel steckt man ein Spielfeld ab, in dem die Songs existieren. Sie sind aber sehr persönlich und keine Wegbeschreibung für die Welt.

Steht bei einem konzeptionell aufgebauten Album der Titel vorher fest und von dort baut ihr dann die Songs auf und ein?
Georg: 
Wir haben meistens schon Demos und die geben die Richtung vor. Von dort aus kommen neue Ideen, die wir dazubauen.
Nikolaus: Den Titel hatten wir schon relativ früh und wollten inhaltlich in diesem großen Spielfeld bleiben. 
Georg: Ein Album zu machen ist wesentlich angenehmer und einfacher als ein Buch zu schreiben, weil dieses Medium sich aus viel mehr Einzelteilen zusammensetzt. Man kann mit kleineren Einzelkapiteln arbeiten und muss nicht komplett linear und stringent einem Thema folgen.

Wenn der Alltag gerade zu schwer ist, dann verwendet der Mensch gerne die Vergangenheit, um sich wohlige Erinnerungen herbeizurufen und in Nostalgie zu schwelgen. Seid ihr auch so gepolt?
Nikolaus:
 Ich muss mich immer selbst daran erinnern, kein nostalgischer Verklärer zu werden, lebe aber prinzipiell stark in der Zukunf. Das ist bei vielen so, die kreativ arbeiten. „Alles ist Vergangenheit“ ist kein Titel, der die Vergangenheit verklärt.
Georg: Nostalgisch bin ich auch nicht. „Alles ist Vergangenheit“ klingt cool und schreibt sich cool, das ist auch sehr wichtig. Vergangenheit als solches ist ein zutiefst witziges Konzept, weil es sie ja nicht gibt. Fernab unseres Zeitbewusstseins ist sie nicht greifbar.
Nikolaus: So wie W-Lan. Oder Magnetismus. (lacht)
Georg: Das wollte ich jetzt nicht so daherschwurbeln. (lacht) Nein - Vergangenheit ist fühl- und erinnerbar, aber nicht greifbar. Sie existiert in unseren Köpfen und ist ein rein menschliches Konzept.

Menschlichkeit und Technologie stellt ihr in euren Songs gerne gegenüber oder aneinander. Wie geht man damit um? Was macht die Technologie mit uns? Wie existieren wir mit ihr?
Georg:
 Dieses Thema ist immer da, weil es wahnsinnig spannend ist. Auch die Wechselwirkung zwischen Technologie und der Gesellschaft bzw. des Menschen als solchen. Wir haben heute eine Technologie, die nicht nur Prozesse, sondern auch das Denken verändern kann. Die unsere Gedanken steuern kann. Das ist in manchen Aspekten problematischer und in anderen gut. Ich bin niemand, der behauptet, Technologie mache alles besser oder schlechter, aber sie macht alles anders. Schwierig wird es dann, wenn man als Individuum weiß, wie man sie einsetzt oder wie man eingesetzt wird. Das hat eine spannende Eigendynamik genommen.

Die Technologie ist auch in der Musik längst so weit, dass sie eine elektronische Band wie euch arbeitslos machen kann, weil man den Menschen dahinter vielleicht gar nicht mehr braucht.
Georg:
 Angst haben wir keine. Wenn Dinge wegrationalisiert werden, dann wäre das bei Musik nicht das Schlimmste. So egoistisch müssen wir nicht sein. (lacht) Die Künstliche Intelligenz nimmt Dinge, die es gibt, kombiniert sie und produziert etwas daraus. Dasselbe macht man aber auch als kreativer Mensch. Dementsprechend sehe ich die KI als Weiterentwicklung, die Dinge obsolet machen wird. Ich finde das nicht ärgerlich und es untergräbt mich nicht in meiner Existenz. Dinge verändern sich und wer daran festhält, bleibt zurück - das ist wie beim Sprachkonservatismus. Er macht keinen Sinn.

Der Mensch hat per se ständig und immanent Angst vor Veränderung, obwohl sich in jedem einzelnen Moment immer alles verändert.
Georg:
 Ohne all die digitalen Möglichkeiten und die Demokratisierung des Musikschaffens, würden wir das alles gar nicht machen. Wir konnten im oststeirischen Feistritz bei Anger sitzen, uns online Equipment bestellen und alles digital fertigen. Das war essenziell.
Nikolaus: Wir hätten wohl nie Musik gemacht, wenn das nicht geklappt hätte. Wir mussten viel Zeit investieren, um eine gewisse Qualität zu finden und es gibt sicher talentiertere Musiker als uns. Heute kann jeder publizieren und produzieren, das ist schon cool.

Mit der Änderung eurer Band von Neodisco zu Yukno habt ihr eine neue Soundwelt abgesteckt. Wie weit könnt ihr euch von dem Grundsound aus in andere Richtungen bewegen?
Georg:
 Ich würde uns gar keine Grenzen setzen. 
Nikolaus: Es gelingt uns gar nicht, uns groß zu ändern. Maximal in unserem Geiste. (lacht) Es gibt eine Grundidee der Band, in der sich der Sound mit elektronischen Elementen abspielt. Wir machen keine klassische Popmusik, sondern haben einen gewissen Bruch und fokussieren uns auf deutsche Texte und die Lyrik. Das ist das Fundament der Band. Von dort wegzugehen, würden wir eher nur in einem anderen Projekt machen.
Georg: Wir könnten das auch gar nicht steuern. Manchmal gelingt uns der Bruch, ohne ihn zu suchen.

Es ist immer ein schmaler Grat zwischen einem Bruch im Sound und trotzdem sehr eingängige, nachvollziehbare Tracks zu schreiben, wie man sie am Album auch oft hört.
Nikolaus:
 Selbst, wenn wir es wollen, uns gelingen keine richtig eingängigen Nummern. (lacht) Es ist aber auch wahnsinnig schwierig, einen Pop-Hit zu schreiben. Da steckt extrem viel dahinter und ich habe großen Respekt davor, ein Lied so schreiben, produzieren und verkaufen zu können, dass man es als Ö3-Pop-Hit wahrnimmt.
Georg: Es ist ein ähnliches Phänomen wie Kunst. Wenn du dir im Museum ein hundertjähriges Kunstwerk ansiehst und glaubst, das kannst du auch. So leicht ist das dann in der Realität natürlich doch nicht.

Bedeutet zeitgeistige Musik zu machen nicht auch, immer gewissen Trends zu folgen?
Georg:
 Wenn man wirklich richtig zeitgeistig ist, dann ist man der Zeit voraus und Trendsetter. Das maßen wir uns natürlich nicht an. Elektronische Musik hat in vielen Bereichen eine längere Halbwertszeit. Sie bleibt länger cool, ohne dass sie sich groß verändert.
Nikolaus: Ich sehe die Zeitgeistigkeit eher so, dass wir wahrnehmen, was um uns herum sozial oder gesellschaftlich passiert und das in unsere Musik einfließen lassen. Wir sind nicht von der Gegenwart entkoppelt, sondern versuchen alles auf verschiedenen Ebenen zu filtern.

Ist der Song „Hohle Menschen“ eine Kritik an Smartphone-Zombies auf der Straße oder jene, die den Planeten zerstören? Vermischen sich da Mikro- und Makrokosmos?
Georg:
 Wir würden keine Texte schreiben, die nur das große Bild betrachten. Man braucht immer einen individuellen Ausdruck und ein persönliches Element. Das Thema muss gefiltert und emotional transportiert werden und dafür braucht man Menschen, die Dinge erleben. Die Vorlage von „Hohle Menschen“ ist ein T.S.-Eliot-Gedicht aus 1925, also wirklich Vergangenheit. Ich habe es umgeschrieben und versucht für 2023 neu zu kontextualisieren.
Nikolaus: Der Mensch ist zu träge, als dass er im gesamten Dinge ändern könnte. Das spiegelt sich in einem Text wider, der fast 100 Jahre alt ist und man nimmt ihn immer noch aktuell wahr. 
Georg: Die Jugend von heute ist von Grund auf verdorben, auch wenn sie schon 100 Jahre alt ist. (lacht)

Knüpft ihr immer gerne Bezüge zur Popkultur ein?
Georg:
 Nicht immer, aber oft. Ich mag es in allen Kunstformen, wenn es Querverweise gibt und man genauer hinschauen muss.
Nikolaus: Wenn man die Referenzen findet und versteht, dann freut man sich. Und manchmal werden sogar welche entdeckt, die wir gar nicht gesehen haben. Wir hatten auf „Digital Playground“ ein Vocal-Sample von einem Sekten-Typ und bei einem Interview wurden wir von einem Journalisten gleich darauf aufmerksam gemacht. Wir hatten keine Ahnung, aber er kannte sich genau aus.
Georg: Das menschliche Gehirn versucht immer und überall Zusammenhänge zu entdecken. Das ist in solchen Fällen schön, in anderen aber problematisch, weil dadurch Verschwörungstheorien entstehen.

So wie die Referenzen auf Lou Reeds „Perfect Day“ in eurem Song „Goldener Tag“. Der offenbar auch einer der optimistischeren ist, wie ihr eingangs betont habt.
Georg:
 Wobei er auch melancholisch ist. Man wünscht sich den goldenen Tag, weil er nicht da ist. Man zelebriert ihn nicht, sondern sehnt ihn herbei und das macht das Lied erst wieder traurig.

Schreibt ihr die Songs immer in bestimmten Stimmungslagen oder macht ihr euch davon frei?
Georg:
 Teils teils. Nikos Einsicht war einmal, dass man dann emotional am kreativsten ist, wenn man verkatert ist. Das stimmt wirklich. Man ist ein bisschen schlecht gelaunt, aber das Hirn ist geklärt und man ist emotional offener. So wie wenn man aus der Sauna kommt und in kaltes Wasser springt.
Nikolaus: Bis zu einem gewissen Grad ist die Musik Handwerk. Meist hat Georg einen Ausgangspunkt beim Text und wir machen ihn zu zweit fertig. Es gibt keinen wirklich fröhlichen Yukno-Song. 
Georg: Rein positive Musik finde ich persönlich fad. Der musikalische Sweet Spot ist für mich immer im Bereich zwischen Euphorie und Melancholie. Wo man betrunken, glücklich und traurig mitschreien kann.

Auf dem neuen Album habt ihr mit der Sängerin Rahel gearbeitet, davor auch schon mit anderen Musikern wie Leyyas Marco Kleebauer. Öffnet ihr euch als Brüderpaar zunehmend äußeren Einflüssen?
Nikolaus:
 Auf jeden Fall. Wir haben keine Barrieren oder Berührungsängste. Es lag früher eher daran, dass wir so lange in der Steiermark waren und kaum jemanden kannten. Wir waren immer Eigenbrötler, aber wir machen gerne Musik mit unterschiedlichsten Ausführungen. Bei Rahel war der Song fertig und wir haben sie um ein Feature gefragt. Es ist auch ein bisschen unverkopfter, wenn man darüber hinaus zusammenarbeitet. Wenn du etwas gemeinsam machst, hast du einen entspannteren Zugang zu einem Song.
Georg: Im Nachhinein ist so eine Zusammenarbeit oft richtig. Man muss sie aber auch zulassen.

Wie ergänzt ihr zwei euch, nachdem ihr das einzige Korrektiv bei Yukno seid?
Georg:
 Beim Texten fange ich an und schieße in viele Richtungen. Ich brauche dann aber unbedingt Niko, der alles ordnet und Dinge herausarbeitet, die gut und wichtig sind. Von diesem Grundbaustein aus arbeiten wir uns dann weiter nach vor. 
Nikolaus: Ich strukturiere die Texte und schaue mir an, was sich ausgeht. Georg ist an sich der talentiertere Musiker und kommt mit den Ideen für Gesang und Harmonien. Ich produziere dann alles, weil es bei mir zusammenläuft. Ich versuche einen Song zu formen, der auch für Außenstehende einen Sinn ergibt. (lacht) Ich verstehe immer, was Georg meint, aber das muss man schon filtern und ordnen, damit es andere verstehen. Ein wichtiger Test ist, sich vorzustellen, ob man mit einem Song auf die Bühne gehen und ihn live singen kann. Wenn das nicht geht, dann ist er ziemlich sicher nicht gut genug. 
Georg: Bei uns kracht es sehr selten. Das schlimmste Feedback, dass man von Niko auf eine Soundskizze kriegen kann, ist keines. Wenn er sich gar nicht darauf rührt, dann hat’s meistens was. (lacht) Wir sind Brüder und machen scho ewig gemeinsam Musik. Es gibt keine Allüren und wir geben uns direkt kreatives Feedback. 
Nikolaus: Man ist mit Feedback zu Personen nach außen viel vorsichtiger, weil man niemanden auf den Schlips treten will. Diese Gefahr besteht zwischen uns eher nicht.

Liegt die Kreativität komplett im Gespür von euch beiden, oder gibt es im engeren Umkreis schon noch Vertrauenspersonen, die ein Mitspracherecht haben?
Nikolaus:
 Das liegt alles ganz bei uns. Wir hatten nie Leute von außen und diese Arbeitsweise rührt aus der Vergangenheit. Als Neodisco waren wir zu dritt, machten aber auch alles unter uns aus. Wir hätten uns damals sicher öfter Feedback holen sollen, aber an sich sind die Songs fertig, wenn wir sie zum Label schicken. Dann wird nur noch an Details gearbeitet. Wir hätten aber auch nicht die Flexibilität. Wenn wir beide einen Song fertigmachen, dann ist er fertig. Das Label kann schon gerne einen anderen Song haben, aber an dem fertigen wird nicht mehr gerüttelt. 
Georg: Das passiert eher im Pop-Business, wo ein Song da ist und vier, fünf Produzenten daran herumschrauben. Wir machen alles selbst und die Ideen bleiben ganz bei uns.

Ist der Song „Am Mond weht kein Wind“ der Wunsch nach einem Ausbruch zu einem Platz oder einer Welt, wo es nicht so schlimm zugeht wie dort, wo wir gerade leben?
Georg:
 Ich glaube schon. Der Song hat auch eine historische Betrachtung. Es braucht nicht unbedingt eine Menschheit und wenn man sich das alles vom Mond anschaut, würde es wahrscheinlich auch passen, wenn die Welt ohne uns so dahinlebt. Die Erde wäre immer noch blau und würde sich gleich schnell drehen. Aber deine Variante ist auch sehr schlüssig. Ich weiß nicht, ob es der Welt nicht egal wäre, ob es uns gibt oder nicht. 
Nikolaus: Im Kleinen gedacht - kleinere Lebewesen, die in diversen Mastbetrieben leben oder denen die Eisscholle unter den Pfoten wegschmilzt, ging es ohne die Menschen sicher besser. Das ist immer eine Ansichtssache.

Bei diesem Song vernimmt man etwas ganz Rares bei Yukno - am Ende hört man eine Gitarre.
Nikolaus:
 Korrekt. Die wird dann am Ende verunstaltet. (lacht) Hin und wieder taucht eine auf. Die Parts sind nicht prominent, aber wir spielen manchmal auch Gitarre.
Georg: Der Bass ist bei uns sehr stark im Vordergrund. Er ist die frühe und vielleicht sogar einzige Grundsäule der Band. Er ist ein geiles Instrument und eine coole Bassline ist ein halber Song. Wenn Bass und Schlagzeug nicht gut genug sind, um sie sich anhören zu können, wird kein Song daraus. Der Rest ist dann zum Drüberstreuen.
Nikolaus: Dazu kommt noch Georgs Gedicht und die drei Säulen stehen fest. (lacht) Wenn diese drei Dinge nicht ausreichen, dann wird es kein Yukno-Song. Es gibt schon ein paar Ausreißer, aber eher selten. Ich fange beim Programmieren immer mit dem Schlagzeug an. Dann kommen entweder der Bass oder die Akkorde. Wir kommen ursprünglich vom Hip-Hop und deshalb ist anfangs der Beat da und der Rest muss sich dann fügen. Wir sitzen nicht mit der Gitarre am Lagerfeuer.

Auf euren Songs und eurem Sound könnte man auch sehr gut Hip-Hop bzw. Rap-Parts legen. Etwa im Song „Motor Motor“. Habt ihr das schon einmal überlegt?
Georg:
 Niko fing einst zu Rappen an und ich habe vor dem Stimmbruch die Terzen dazu gesungen.
Nikolaus: Ich habe mich damals in deutschen Rapbattle-Foren bewiesen und Georg hat darüber gesungen. So entstand dann der Zugang zu unseren Texten ganz unbewusst. Uns fragen die Leute immer, ob wir Deutsch singen, um den deutschen Markt zu bedienen. So weit haben wir nie gedacht. (lacht) Damals haben wir uns in Foren gegenseitig beleidigt und das musste auf Deutsch passieren, sonst hätte mich keiner verstanden. Es war aber kein Freestyle-Rap. Mit Neodisco hatten wir eine Partyband und das war eine Zeit lang witzig, aber wir wurden dem überdrüssig. Wir wollten Musik machen, wo man auf der Bühne steht und die Songs spielt, man die Menschen aber nicht animieren und anfeuern muss, weil die Musik cool genug ist, um für sich zu stehen. Deshalb haben wir auch die Rap-Parts nicht mehr integriert. 
Georg: Ich bin niemand, der in den Strophen in den Oktaven herumspringt. Ich finde, es ist noch viel schwieriger, Zeitgeist-immunen Rap zu machen als Gesang.
Nikolaus: In der Zeit, in der wir als Yukno als kleine Indie-Band Musik machen, gab es schon drei große Rap-Generationen - zumindest gefühlt. Man tut sich mit normalem Gesang aber sicher leichter, in sechs oder sieben Jahren noch nicht aus der Zeit gefallen zu sein.
Georg: Rap ist die einzige Richtung, die sich kontinuierlich weiterentwickelt. Im Indie-Sektor gibt es keine großen Innovationen mehr.

Ist „Weh“ ein astreiner Beziehungssong? Wo man lieber den Schmerz spürt, als in der völlig leeren Ohnmacht zu versinken?
Georg:
 Eigentlich ist er das nicht. Das Lied spricht eher darauf an, dass einem fad wird und man will, dass wieder was weitergeht. Vielleicht ein Corona-Song oder einer übers Älterwerden. Irgendwann fehlt die jugendliche forsche Naivität und man verliert den Drive.
Nikolaus: Das gilt ja auch für uns. Mit 21 hat man eine andere Sicht aufs Leben und brennt viel schneller für etwas. Irgendwann kommen dann aber Routinen und eine gewisse Müdigkeit dazu. Man beobachtet sich selbst, wie man in diese Befindlichkeit reinschlittert und das wollten wir mit dem Song aussagen.
Georg: Es ist per se ja nicht schlecht, dass man eine gewisse Gelassenheit bekommt und man sich nicht mehr der Teenage Angst stellen muss. Wir machen unter anderem auch deshalb gerne Alben, weil wir uns damit eine größere Baustelle aufmachen. (lacht) 
Nikolaus: Man hängt emotional viel tiefer drinnen. Ich habe oft die postnatale Veröffentlichungsdepression. Man ist lange in seinem Werk gefangen, aber zwei Wochen später haben auch andere neue Alben und deines ist wieder alt. Dann musst du dich wieder neu pushen. Am liebsten würde ich schon gerne die nächsten Songs fertigmachen, aber wir sind gerade noch mit der Tourvorbereitung ausgelastet und mit Social-Media-Dingen. Alles, was heute halt so mitkommt, mit der Musik.

Gerade das Bedienen der sozialen Medien verbraucht heute unglaublich viel Zeit …
Georg:
 Vor allem dann, wenn man Kanäle bedienen muss, die sich einem selbst nicht mehr erschließen. Man hat den direkten Zugang zu den Fans und deshalb wälzen die Plattenfirmen die Verantwortung dieser Arbeit auf die Fans ab. Promotion war immer ein Job der Labels, aber mittlerweile hat sich alles gedreht, weil die Gesamtsituation komplexer wurde.
Nikolaus: Es gibt schon genug Musiker, die ermüdet sind davon und mehr Content erzeugen als Musik. Wir sehen uns zu 100 Prozent als Musiker. Von unserem Naturell heraus sind wir für die Social-Media-Schiene überhaupt nicht geeignet. Uns gibt es im Studio und auf der Bühne, aber man kann sich diesen gegenwärtigen Zwängen nicht ganz erwehren. Mit den Fans in Kontakt zu sein ist cool, aber es gibt immer einen Druck, dass man dauernd aktiv sein muss.
Georg: Vielleicht verschiebt sich aber alles und wir sind alte Fossile, weil wir das anders wahrnehmen? In der Gegenwart ist der Großteil der Arbeit von Künstlern gar nicht mehr das Musikmachen selbst. Die Welt ist so schnelllebig, darin sind wir bereits uralt.
Nikolaus: Wenn Georg bei einem Song einmal eine Minute sinniert und dann erst richtig zu singen beginnt, dann bist du bei TikTok oder Spotify schon wieder draußen. Die Frage ist immer, wie weit man sich dem aussetzen soll. Wir haben genug Leute bei unseren Konzerten, die nicht nur über Social Media auf uns kommen, das darf man nicht unterschätzen. Man neigt heute dazu, dass man die sozialen Medien zu 100 Prozent als Spiegel der Popularität wahrnimmt, aber dem ist nicht so.
Georg: Ich bin 29 und Niko ist 32. Wir sind die Instagram-Generation, sagen aber nicht, alles würde schlechter werden. Die Dinge ändern sich und wir werden älter. Das Coole ist, dass wir in einem Bereich arbeiten, der sich ständig verändert, wo aber gute Musik immer weiterexistiert. Man kann immer zurückschauen und stolz darauf sein.
Nikolaus: Deshalb lieber mit Elektronik spielen. Als Techno-Nase kannst du noch mit 50, Glatze und einem Rucksack voller USB-Sticks um die Welt fliegen. Das ist der Langzeitplan. (lacht)

Release-Konzerte in Wien und Graz
Ihr neues Album „Alles ist Vergangenheit“ präsentieren Yukno am 30. März im Wiener Flex und am 31. März im Grazer ppc. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zu den beiden Gigs. 

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