Immer mehr Details
Gesprengte Pipelines: Kiew dementiert Beteiligung
Steckt eine pro-ukrainische Gruppe hinter der Sprengung der beiden Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2? Geheimdienstinformationen zufolge soll ein Sabotageteam das Attentat von einer Yacht aus verübt haben. Brisante Details könnten auf eine Verwicklung Kiews in den Anschlag hindeuten. Dort wird aber eine Beteiligung vehement abgestritten. Man habe auch keine Information über so eine Gruppe, betont man im Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj.
„Obwohl ich gerne unterhaltsame Verschwörungstheorien über die ukrainische Regierung sammle, muss ich das nun sagen: Die Ukraine hat nichts damit zu tun. Was mit den Nord-Stream-Pipelines geschah? Sie sind gesunken“, schrieb am Dienstag Präsidentenberater Mychailo Podoljak auf seiner Twitter-Seite.
„Ist eine Art Kompliment“
Verteidigungsminister Olexij Resnikow meinte am Mittwoch am Rande eines informellen Treffens der EU-Verteidigungsminister: „Dass ukrainischen Spezialkräften so ein Einsatz zugetraut wird, ist eine Art Kompliment. Aber das ist nicht unser Tätigkeitsfeld.“
Wie berichtet, deuten nachrichtendienstliche Erkenntnisse jetzt laut ungenannten US-Beamten darauf hin, dass die Täter Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin sind. Nähere Angaben zu den Mitgliedern der Gruppe oder wie die Operation geleitet oder bezahlt wurde, wollten die Beamten der „New York Times“ zufolge nicht machen. Es gebe zwar keine eindeutigen Schlussfolgerungen, es sei aber möglich, dass die Operation inoffiziell von einer stellvertretenden Truppe mit Verbindungen zur ukrainischen Regierung oder ihren Sicherheitsdiensten durchgeführt worden sei.
Operation mit von Ukrainern gemieteten Yacht ?
Laut einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“, die gemeinsam mit den beiden deutschen Sendern ARD und SWR gemeinsam dazu recherchiert hatte, bestand die mutmaßliche Gruppe der Saboteure aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin. Sie sollen mit gefälschten Reisepässen eine kleine Yacht angemietet haben. Das Schiff soll von einer in Polen ansässigen Firma gemietet worden sein, die zwei Ukrainern gehört.
Am 6. September sollen die Saboteure von Rostock aus in See gestochen sein. Mit einem Lieferwagen hatten sie zuvor die Ausrüstung in den Hafen gebracht. Geheimdienste konnten die Yacht in der Folge an mehreren Stellen lokalisieren. Nach einigen Tagen wurde das Schiff in ungereinigtem Zustand zurückgebracht. Ermittler fanden auf einem Tisch in dem Boot Sprengstoffspuren.
Die deutsche Bundesanwaltschaft bestätigte, dass im Zuge der Ermittlungen im Jänner ein verdächtiges Schiff durchsucht worden sei. Damit soll Sprengstoff zu den Pipelines transportiert worden sei, hieß es. Belastbare Beweise oder Aussagen gebe es aber noch keine.
Moskau: „Ablenkung von wahren Drahtziehern“
Russland wertet die Medienberichte zu den Sabotageuntersuchungen als Versuch gewertet, von den „wahren Drahtziehern“ abzulenken. Solche Informationen würden von denjenigen gestreut, „die im Rechtsrahmen keine Untersuchungen führen wollen und versuchen, mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit des Publikums abzulenken“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, Dienstagabend auf ihrem Telegram-Kanal.
„Es ist einfach ein Mittel, um den Verdacht von denjenigen in offiziellen Regierungspositionen, die die Angriffe in der Ostsee angeordnet und koordiniert haben, auf irgendwelche abstrakten Personen zu lenken“, erklärte auch die russische Botschaft in den Vereinigten Staaten auf der Nachrichtenplattform Telegram. „Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben“, hieß es weiter.
In diesem Zusammenhang kritisierte die Regierung in Moskau auch die Tatsache, dass alle an dem Pipeline-Projekt beteiligten Staaten in die Ermittlungen eingebunden seien - bis auf Russland. „Das ist nicht nur seltsam. Das riecht nach einem gigantischen Verbrechen“, hielt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow fest.
Zurückhaltend äußerten sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihr Regierungskollege, Verteidigungsminister Boris Pistorius, zu den Berichten. Zunächst müssten die zuständigen Behörden ihre Ermittlungen zu Ende führen. Dann könne man Schlüsse daraus ziehen.
Berlin warnt vor „False-Flag-Aktion“
Es gelte abzuwarten, was sich davon wirklich bestätige. Schließlich könne es sich genauso gut um eine „False-Flag-Aktion“ handeln, um pro-ukrainischen Gruppierungen etwas in die Schuhe zu schieben, warnte Pistorius. „Die Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch. Es hilft uns nicht, auf der Grundlage von solchen Recherchen, die bestimmt mühsam und akribisch gemacht worden sind, jetzt darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf unsere Unterstützung für die Ukraine hätte“, so der Minister weiter. In den Medienberichten wird die Möglichkeit einer „False-Flag-Aktion“ aber ausgeschlossen.
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