Zynismus in Russland
Mann einberufen: „Kinder sollen ins Waisenhaus!“
Ein Fall wie dieser ist keine Seltenheit in Russland. Der Mann wird in den Ukraine-Krieg eingezogen und lässt damit Ehefrau und mehrere kleine Kinder allein zurück. Die Partnerin ist allerdings auf Unterstützung angewiesen, die ihr vom Staat verwehrt wird. Mittlerweile häufen sich besonders zynische Fälle.
Die Online-Zeitung „Nowaja gaseta. Europa“ hat über besondere familiäre Härtefälle berichtet, zu denen die russische Invasion geführt hat. Das Portal wird von Redakteuren der vorübergehend eingestellten „Nowaja gaseta“ betrieben, die Russland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 verlassen hatten. Die Internetseite ist in Russland gesperrt.
Anastasija aus der russischen Großstadt Nowokusnezk zieht gemeinsam mit ihrem Ehemann Alexander zwei Kinder groß - die fünfjährige Alisa und die elfjährige Warwara. Warwara entstammt Anastasijas erster Ehe. Am 30. September musste der 31-jährige Alexander in den Krieg ziehen - und seine Familie zurücklassen.
Kein Krankenhausaufenthalt möglich
Erst später erfuhr Anastasija, dass sie schwanger war. Die Schwangerschaft gestaltete sich als schwierig. Lange war nicht klar, ob sie das Kind austragen kann. Dem Drängen der Ärzte, sich ins Krankenhaus zu begeben, konnte sie nicht nachkommen.
Denn es gab einfach niemanden, bei dem sie die anderen Kinder in der Zwischenzeit unterbringen konnte. Zwar konnte mittlerweile das Leben des Babys gerettet werden - allerdings ist nicht klar, wo sie die Kinder während der Geburt lassen kann beziehungsweise wie es danach überhaupt weitergehen soll.
Behörden begegnen Frau mit besonderer Härte
Anastasija hat keine Verwandten mehr und die Schwiegermutter lebt in einer anderen Stadt. Zudem verfügt Nowokusnezk über keine 24-Stunden-Kindergärten oder Tagesmütter mit Unterkunft. Daher sah sie sich gezwungen, mit den für ihre Schikanen bekannten russischen Behörden in Kontakt zu treten.
Das Ergebnis hat es in sich, riet man ihr doch allen Ernstes, die Kinder ins Waisenhaus zu stecken. „Versuch es doch einfach, vielleicht gefällt es ihnen ja“, lautete der „Ratschlag“. Die Ironie der Geschichte: Anastasija wuchs als Waise auf und musste selbst einige Zeit im Waisenhaus verbringen. Für sie ist das Heim der größte Schrecken ihrer Kindheit.
Betrachten Sie doch einmal die Situation mit den Augen der Kinder. Zuerst wurde ihnen ihr Vater weggenommen, und dann wurden sie von der Mutter verlassen. Und dafür werden sie mich hassen.
Anastasija ringt bei den Behörden um Verständnis
Mütter fordern Politik zum Handeln auf
Anastasija ist mit ihrer Geschichte nicht allein - viele Familien trifft der Krieg mit voller Wucht. Nach Beginn der Teilmobilisierung im Herbst haben sich daher Mütter von Großfamilien in den sozialen Netzwerken zusammengeschlossen. Mit ihrem Einsatz wollen sie nun die Regierung zum Handeln bewegen - es soll nicht mehr möglich sein, Väter von Großfamilien für den Krieg zu mobilisieren.
Sie berichtet, man habe unter anderem dem Präsidenten Wladimir Putin und an die Duma (russisches Parlament - Anm. d. Red.) geschrieben. Dabei hätten alle Parteien geantwortet und sich um eine Verbesserung der Situation bemüht - außer die mitgliedstärkste Partei „Einiges Russland“, die für das System Putin steht.
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