Ein tragisches Unglück brachte Rainer Predl als Jugendlicher zum Laufsport. Heute stellt er Weltrekorde auf: im Kreisverkehr, in einem Windrad oder um den Küchentisch. Je verrückter, desto besser. Denn der Niederösterreicher quält sich meist für den guten Zweck. Da wird ein Marathon fast zum Sprint …
„Du hast meist einen Tunnelblick, man denkt in Zahlen, man setzt sich Zwischenziele.“ Im Falle von Predl oft alle 100 Kilometer. Woran er bei den Torturen (für „Normalsterbliche“) genau denkt, weiß der Niederösterreicher nicht. Er funktioniert einfach. Und das lange, sehr lange. So war der 33-Jährige der erste Europäer, der den Sahara-Marathon gewann. Das war 2014, da jagte er in 2h 50 Minuten durch Algerien. Aufgrund der Hitze eine Tortur. Obwohl es für ihn „nur“ eine Kurzdistanz war. Seine Paradedisziplin sind 6h-Läufe, da hält er mit 85,517 Kilometer seit zwölf Jahren den österreichischen Rekord.
Wobei mittlerweile verrückte Projekte sein Sportler-Leben dominieren. „Je mehr Aufmerksamkeit, desto besser“, bestätigt Predl. „So kann man mehr Spenden generieren.“ Denn Predl läuft meist für einen guten Zweck. Aus einem tragischen Hintergrund. Als es 1990 bei der Rückfahrt von der Schule im Zug kurz rüttelte, dachte sich der damalige Jugendliche zuerst an „irgendwelche Halbstarken, die sich einen schlechten Scherz erlaubten“. Aber dann blickte er aus dem Fenster: Der Zug hatte ein Auto gerammt. Predl half mit, die zwei Opfer aus dem Auto zu bergen, zog ein kleines Mädchen, Sophie, aus dem Wrack. „Sie ist nur bewusstlos“, versuchte er den Vater zu beruhigen. Sophie war tot. „Damit konnte ich nicht umgehen“, erzählt Predl. „Ich wusste nicht, wie ich das verarbeiten soll.“ Also begann der Jugendliche zu laufen…
Seinen ersten 6h-Lauf absolvierte er in Gedenken an Sophie. Jetzt sind es Projekte, die ihm am Herzen liegen, für den karitativen Zweck. Allen voran natürlich der Lasseer Benefizlauf. Am Samstag steigt das zehn-jährige Jubiläum zugunsten des Kinderhospiz Sterntalerhof. Vom Kinder- bis zum 3h- und 6h-Lauf, natürlich auch in der Staffel, ist für jeden was dabei (Anmeldungen www.lasseer-benefizlauf.at). Predl wird diesmal aber nur am Mikro, als Moderator am Start sein. „So leid es mir tut, aber ein 6h-Lauf würde jetzt mein Training stören.“ Weil er sich derzeit für den Nordpol-Marathon im April vorbereitet. Nachdem vor fünf Monaten sein Vater verstarb, will er sich jetzt seinen „Lebenstraum“ erfüllen. Dafür läuft er zwischen 200 und 300 Kilometer pro Woche. Aber in den Vereinigten Eisfabriken Wiens bei minus 28 Grad. „Beim Marathon wird es um die minus 40 Grad haben“, lächelt Predl. „Da brauchst vier bis fünf Schichten, eine Atemmaske, bist komplett vermummt. Dabei bin ich ja eigentlich ein Wüstenläufer.“
„Aufgrund des engen Radius musste ich oft kotzen“
Stimmt - durch die USA hat er sich ja auch schon gequält. Predl lief schon fast überall: 149,5 Kilometer in zwölf Stunden auf einem Laufband - Weltrekord. Ebenso wie sein Marathon in und auf einem Windrad. Aber er hat auch schon einen Marathon in einem Kreisverkehr absolviert. Und 100 Kilometer - Corona sei Dank - im eigenen Garten. „Was die Chinesen können, können wir schon lange“, jagte er zudem einmal 70 Kilometer am Stück rund um seinen eigenen Küchentisch. Was kein Leckerbissen war. „Aufgrund des engen Radius musste ich oft kotzen“, erzählt er offen von der Sauerei. Aber er ist es gewohnt, über die Grenzen zu gehen. Den 72h-Laufrekord in Österreich schraubte er auf 454 Kilometer. „Da habe ich in drei Tagen nur eine Stunde geschlafen.“ Aber Predl verbrachte auch schon 30 Tage auf dem Laufband. „Eh nur von 8 bis 19 Uhr“, lacht der Extremsportler. „In der Nacht durfte ich schlafen.“
Was, wenn er es erzählt, alles ziemlich lustig klingt. Ganz verletzungsfrei kam Predl bislang aber natürlich nicht durch seine „crazy projects“ für den karitativen Zweck: Bandscheibenvorfall Kniescheibenbruch - auch sein trainierter Körper schlägt manchmal zurück. „Für Kritiker ein gefundenes Fressen. Aber wer nie etwas riskiert, wird nie Freude erleben“, kontert Predl. „Man kann hinfallen, muss aber wieder aufstehen.“ Das ist sein Credo. „Egal, was einem widerfährt. Emotional. Körperlich. Die Uhr dreht sich weiter auf. Es geht wieder bergauf. Aber wer aufgibt, verpasst vielleicht die größte Chance seines Lebens.“
Es muss ja nicht gleich ein Marathon am Nordpol oder in der Sahara sein. Der Benefizlauf in Lassee könnte schon reichen …
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