Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will nichts von einem Krach mit den Grünen wissen, er beharrt allerdings darauf, dass er mit Weltuntergangsszenarien nichts anfangen kann. Bereits drei Tage nach seiner umfassenden Rede sah er sich veranlasst, eine erste Nachschärfung zu vollziehen. Vor allem seine Vorstellungen in der Klima- und Sozialpolitik hatten für eine Schockstarre bei den Grünen gesorgt.
Erst 24 Stunden nach dem Kanzlerauftritt gab es die ersten kritischen Statements von Umweltministerin Leonore Gewessler und Sozialminister Johannes Rauch. Wenig verwunderlich - denn sowohl den Abbau der Sozialleistungen für Menschen aus Drittstaaten, die weniger als fünf Jahre in Österreich leben, als auch die Weigerung den Verbrennungsmotor in der EU künftig zu verbieten, lehnen die Grünen ab.
Nehammer versuchte am Montag zu kalmieren. Er hätte mit Vizekanzler Werner Kogler telefoniert. Alles sei paletti, war Nehammers Botschaft. Gemeinsam wurden Projekte definiert, die man in Umsetzung bringen wolle: etwa die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, leichtere Ausbildungsanerkennung im Pflegebereich, Digitalisierungs- und Medienkompetenzfragen im Bildungsbereich, die kostenlose Meisterprüfung und den Ausbau der Kinderbetreuung oder eine neue Sicherheitsdoktrin.
Unterschiede nicht überbewerten
Beharrlich zeigt sich der ÖVP-Chef in seiner Haltung, dass er gegen „Untergangsszenarien“ in der Klimafrage sei. Auch die selbstgewählte Zuschreibung „Letzte Generation“ der Klimakleber interpretiert er als eine „gewisse Form von Anmaßung“.
Der ÖVP-Kanzler betonte, die vollen fünf Jahre mit den Grünen hindurch dienen zu wollen: „Das war immer mein Ziel.“ Dass es Unterschiede in den Auffassungen gebe, sei klar: „Wir sind keine Einheitspartei, wir sind zutiefst unterschiedliche Parteien.“ Auch Kogler trete für Themen wie die Vermögenssteuern ein, die für die ÖVP ein rotes Tuch sind. Man solle das „nicht überbewerten“.
„Untergangsapokalypse“ der Klimaaktivisten entgegentreten
„Inhaltlich unterscheidet uns das Ziel des Klimaschutzes nicht“, nur der Weg dahin, meinte Nehammer. Für ihn liege die Lösung in Innovation und Fortschritt. In seiner groß inszenierten Rede hatte Nehammer gefordert, man müsse der „Untergangsapokalypse“ der Klimaaktivisten entgegentreten, außerdem sprach er sich dagegen aus, den Verbrennungsmotor „zu verbannen“.
Am Montag verteidigte er sich gegen Kritik an diesen Aussagen: Den Verbrennungsmotor ad acta zu legen, wäre ein „Fehler“, denn dann würde man einen „Know-how-Vorsprung“ aufgeben und sich in neue Abhängigkeiten begeben. Schon heute sei die Abhängigkeit von China als Produzent von Solarpaneelen ein großes Problem.
Inspiriert hatte Nehammer das Buch „Apokalypse, niemals!“ von Michael Shellenberger, der Atomkraft befürwortet. Der Autor sage eben, dass das „Untergangsszenario“ der „Last Generation“ „durch nichts wissenschaftlich belegt ist“, erklärte Nehammer danach gefragt. Hoffnungslosigkeit habe der Welt noch nie gutgetan. „Sie werden eben diesen wissenschaftlichen Befund seriös nicht finden, dass Milliarden Menschen sterben“, bekräftigte er. „Mir geht‘s nicht darum, irgendetwas zu relativieren“, aber „mein Zugang ist der Blick nach vorne“.
Österreich weiterhin gegen Atomkraft
Als Plädoyer, hierzulande auf Atomkraft zu setzen, wollte der Kanzler seine Begeisterung für das Buch keinesfalls verstanden wissen: Die österreichische Position sei klar, „aber es ist auf der Welt keine Mehrheitsmeinung“. Österreich habe sich immer gegen Atomkraft ausgesprochen, „wir können es aber auch im Vergleich zu anderen Staaten leichter“, sagte Nehammer. „Wir sollten unsere selbstverliebten Brillen des Sehens des Weltgeschehens zum Teil absetzen und auch mit den Augen der anderen Kontinente denken.“
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