Crash mit 43 Toten

Eishockey-Team von Lok Jaroslawl abgestürzt

Sport
07.09.2011 19:40
Der russische Sport ist mit einer noch nie dagewesenen Tragödie konfrontiert: Beim Absturz eines Passagierflugzeuges sind am Mittwoch mindestens 43 Menschen ums Leben gekommen, vorwiegend Spieler und Betreuer des russischen Eishockey-Spitzenklubs Lokomotive Jaroslawl. Die Maschine, die zu einem Auswärtsspiel nach Minsk unterwegs war, stürzte bei sonnigem Wetter kurz nach dem Start ab, wie die Ermittlungsbehörden mitteilten.

Das Flugzeug zerschellte bei Jaroslawl am Boden und auf dem Wasser. Aus den Wrackteilen der abgestürzten Jak-42 in der Wolga zogen Rettungshelfer die Leichen der Insassen, darunter befanden sich auch mehrere Ausländer: die tschechischen Weltmeister Jan Marek, Karel Rachunek und Josef Vasicek, der schwedische Torhüter und Olympiasieger Stefan Liv, der slowakische Teamkapitän Pavol Demitra sowie die NHL-Veteranen Ruslan Salei (Weißrussland) und Karlis Skrastins (Lettland). Auch der erst 25 Jahre alte deutsche Nationalspieler Robert Dietrich, der erst im Sommer nach Russland gewechselt ist, ist unter den Toten.

Mit schwersten Verletzungen haben nach Behördenangaben von den 45 Insassen nur ein russischer Spieler sowie ein Crew-Mitglied überlebt. Rene Fasel, der Präsident des Weltverbandes IIHF, sprach vom "schwärzesten Tag in der Geschichte unseres Sports". "Das ist eine schreckliche Tragödie für die weltweite Eishockey-Gemeinde, auch weil sie so viele Nationen betrifft", sagte der Schweizer, der sich im Rahmen einer schon zuvor geplanten Reise derzeit selbst in Russland befindet. "Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Familien und Freunden der Opfer."

Spieler aus zehn Ländern standen im Lokomotive-Kader
Fasel betonte nach dem Absturz der Chartermaschine, dass es sich nicht um eine russische Tragödie handle: "Im Kader von Lokomotive standen Spieler und Trainer aus zehn Ländern." Die Eröffnungspartie der KHL zwischen Salawat Julajew Ufa und Atlant Mytischtschi wurde nach 14 Minuten abgebrochen, alle weiteren Spiele der ersten Runde abgesagt, darunter auch jenes des Österreichers Bernd Brückler mit seinem Klub Nowosibirsk am Donnerstag in Omsk.

Die Unglücksmaschine stürzte den Behördenangaben zufolge um 16.05 Uhr Ortszeit (14.05 Uhr MESZ) nahe dem Flughafen von Jaroslawl ab. Laut Interfax driftete das Flugzeug nach dem Start plötzlich nach links ab. Die Maschine habe unmittelbar nach dem Abheben möglicherweise eine Antenne gestreift, hieß es. Das Flugzeug zerbrach in der Folge in zwei Stücke und stürzte teilweise in die Wolga. Als Absturzursache kämen ein technischer Defekt und menschliches Versagen infrage, sagte ein Flughafenmitarbeiter.

Erst im Juni Absturz mit 47 Toten
Die Trümmer nur wenige Kilometer von der 500.000-Einwohner-Stadt entfernt sind für viele Russen eine neue Erinnerung daran, dass bei Flugreisen in Russland immer die Angst mitreist. Erst im Juni starben in Petrosawodsk bei St. Petersburg 47 Menschen (siehe Infobox). Nach jedem Unglück versprechen Präsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin aufs Neue technische Überprüfungen der oft noch aus sowjetischen Zeiten stammenden Maschinen.

Immer wieder sind veraltete Technik und Verstöße gegen einfachste Sicherheitsvorkehrungen die Gründe für Unglücke. Doch Hinterbliebene beklagen oft, dass Verantwortliche in den seltensten Fällen zur Verantwortung gezogen werden.

Lizenz für Maschine wäre am 1. Oktober ausgelaufen
Bei der Jak-42 handelte es sich nach Informationen der Nachrichtenagentur Interfax um eine seit 1993 genutzte Maschine der Leasing-Gesellschaft "Jak Service". Die Fluglizenz dieser Maschine, die für Flüge mit maximal 73 Passagieren ausgelegt war, wäre in wenigen Wochen - am 1. Oktober - abgelaufen, hieß es. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen die Betreiberfirma ein.

Kreml-Chef Medwedew will sich am Donnerstag selbst ein Bild von der Absturzstelle machen, bevor er in Jaroslawl bei einem internationalen politischen Forum über das neue Russland spricht. Es ist für ihn der wichtigste politische Termin des Jahres, zu dem auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet worden war. Merkel hatte unlängst abgesagt - wegen der Euro-Debatte in der EU. Die russische Elite will sich vor internationalen Gästen auch mit Blick auf die Parlamentswahlen im Dezember und vor der Abstimmung über einen neuen Präsidenten im März 2012 präsentieren.

Doch der Absturz einer ganzen Eishockey-Mannschaft in dem Land, in dem 2014 in Sotschi Olympische Winterspiele geplant sind, wirft einen langen Schatten auf dieses Forum zur Zukunft Russlands. Und einmal mehr kommen von einem Ort an der Wolga Bilder des Schreckens und der Zerstörung. Beim schwersten Schiffsunglück seit mehr als 20 Jahren waren im Juli beim Untergang der "Bulgaria" mehr als 120 Menschen auf dem Fluss ums Leben gekommen (siehe Infobox).

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(Bild: KMM)



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