Nun "hausgemacht"
Terrorbedrohung sieht heute völlig anders aus
"Homegrown Terror" - Terrorismus, der inmitten der USA wächst - sorgt schon seit Jahren unter US-Sicherheitsbehörden für Nervosität und erhebliche Wachsamkeit. "Die Terrorbedrohung hat sich in den vergangenen zehn Jahren bedeutend weiterentwickelt - und sie entwickelt sich immer noch fort", sagte erst vor wenigen Monaten US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano. "Wir haben es mit einem Bedrohungsumfeld zu tun, in dem internationale Grenzen gewaltbereiten Extremismus weder definieren noch aufhalten."
"Amerikanische Al-Kaida"
Zwar sei die Zahl potenzieller Täter in den USA klein, weiß der Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper. Doch hätten sie es leichter als Ausländer, Zugang zu strategisch wichtigen US-Einrichtungen zu finden. Das sei für ihn Grund genug "ein besonderes Augenmerk auf die Entschlossenheit von Al-Kaida zu richten, Amerikaner zu rekrutieren", berichtet Clapper. "Sie suchen sich nun andere Wege, diesem Land zu schaden", bestätigte im Februar der damalige CIA-Chef Leon Panetta vor dem Kongress.
"Rechtsextreme ebenso gefährlich"
Für Gary LaFree, Chef des Zentrums für Terrorismusstudien des US-Heimatschutzministeriums, geht dabei nicht allein von einzelnen oder in kleinen Gruppen organisierten radikalen Islamisten die größte Gefahr eines massiven Anschlags aus, sondern ebenso von Rechtsextremen. Diese Fanatiker zeigten durchaus auch Bereitschaft, die Öffentlichkeit zu attackieren, sagte er dem Sender CNN. Nach einer Studie der Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center wachsen solche Gruppen rasant - um 60 Prozent allein 2010, wobei vor allem bewaffnete Bürgerwehren starken Zulauf hätten.
Muslimischer Armeepsychiater trauriges Beispiel
Doch stechen vor allem Fälle von islamischem Radikalismus hervor. Und was bekannt ist, dürfte nur die Spitze des Eisberges sein. Traurige Prominenz erlangte der muslimische Armeepsychiater Nidal Malik Hassan, der im November 2009 auf der texanischen Militärbasis Fort Hood 13 Menschen umbrachte. Er soll mit dem gesuchten Hassprediger Anwar al-Awlaki in Kontakt gestanden haben, einem US-Staatsbürger, der inzwischen im Jemen untergetaucht ist. Bis 2002 predigte er noch in einer Moschee im Norden Virginias, jetzt wollen ihn die USA "tot oder lebendig". Nach Al-Awlaki wird auch im Zusammenhang mit dem vereitelten Anschlag des "Unterhosenbombers" auf einen Passagierjet Weihnachten 2009 in der US-Metropole Detroit gefahndet.
Alle zwei bis drei Wochen neuer Verdachtsfall
Nach Erkenntnissen des Heimatschutzministeriums taucht etwa alle zwei bis drei Wochen ein neuer Verdachtsfall von heimischem Terrorismus auf, in dem international operierende Gruppen eine Rolle spielen, wie der US-Fernsehsender FoxNews berichtete. Erst Mitte Juli wurde ein 22-Jähriger aus dem US-Staat Pennsylvania angeklagt, im Internet "Heilige Krieger" zu Anschlägen innerhalb der USA angestiftet zu haben. "Es gab in der Vergangenheit viele Pläne, bei denen eingegriffen wurde", enthüllte Heimatschutzministerin Napolitano kürzlich. Wie viele genau, sagte sie nicht.
Internet als zentrales Kommunikationsmittel
Zentrales Kommunikationsmittel ist das Internet, schreiben die Terrorforscher Rick Nelson und Ben Bodurian vom renommierten Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. "US-Bürger und Menschen mit US-Wohnsitz sind lukratives Kapital für globale Terrororganisationen." Auf Facebook und in Tausenden von Islamisten-Chaträumen tummeln sich die radikalen Seelenfänger. Den Kampf der US-Behörden dagegen nennen die Autoren in einer Studie vom vorigen Jahr "defizitär". "Die grenzenlose Reichweite des Netzes erlaubt eine relativ ungehinderte Verbreitung radikalen Materials", befinden sie. Wollen die USA Erfolge verbuchen, bräuchten sie "Personal, Training und Technologie von einzigartiger Qualität".
Hacker-Angriffe "noch relativ neu für uns"
Das wirft auch ein Schlaglicht auf eine recht neue Front im Anti-Terror-Kampf, an der die USA noch klare Schwächen zeigen. Das US-Verteidigungsministeriums gestand kürzlich zähneknirschend ein, dass Hacker im Frühjahr 24.000 sensible Dokumente des Pentagon bei einem Angriff auf eine Vertragsfirma gestohlen hatten - im Auftrag einer ausländischen Regierung. "Diese Sache ist noch etwas neu für uns", räumt Heimatschutzministerin Napolitano ein. "Das alles entwickelt und ändert sich so rasant. Fast immer, wenn man über ein spezielles Virus oder eine schädliche Software redet, ist das schon ein Anachronismus und ziemlich veraltet."
"Cyber-Söldner" könnten immensen Schaden anrichten
Dass allerdings die Folgen des Cyber-Terrorismus verheerend sein könnten, ist den US-Offiziellen wohl bewusst. Solche Attacken, weiß der Chef der US-Bundespolizei FBI, Robert Mueller, können "ganze Teile der Infrastruktur beschädigen", wie Stromnetze oder Fluggesellschaften. Schlimmer noch: "Wir hören davon, dass ausländische Regierungen Cyber-Allianzen mit hoch spezialisierten Einzelpersonen schmieden", berichtet Kristen Lord, die am Center for a New American Security, einem US-Institut für Sicherheitspolitik, die Cyber-Sicherheit des Landes untersucht. Dabei gehe es auch um "Cyber-Söldner, die möglicherweise mit Terrorgruppen kooperieren."
Auch Österreicher "dürfen sich nicht mehr sicher fühlen"
Die Terrorbedrohung ist längst kein amerikanisches Problem mehr. "Österreich ist ein Beispiel dafür, dass sich auch kleine Länder, die nicht als primäre Terrorziele gelten, nicht mehr sicher fühlen dürfen", schreibt etwa der für EU und NATO tätige Salzburger Professor Friedrich Steinhäusler in seinem 2011 erschienen Buch "Terrorziel Europa". Obwohl Österreich im internationalen Terrorismus-Ranking nur an 78. von 160 Stellen liege, sollte es zumindest einmal in den zehn Jahren seit den Anschlägen vom 11. September 2001 direkt von Islamisten angegriffen werden.
"Reihe von Zielen in Österreich"
Steinhäusler schreibt in seinem Buch, in Österreich gebe es "eine Reihe von Zielen, die für Terroristen interessant sein könnten - etwa, weil ein Angriff auf sie mit einem Schlag viele Menschenleben kosten, besonders großen wirtschaftlichen Schaden anrichten oder ungewöhnlich große mediale Effekte erzielen würde" und nennt gezielt OPEC und UNO. "Die Wiener UNO-Aktivitäten sind in fünf Türmen gebündelt, die vom angrenzenden Donaupark oder auch von der Wagramer Straße aus Möglichkeiten zum Angriff bieten."
Causa Said N.
Weil er Terroranschläge in Deutschland und Österreich geplant hat, erhielt der gebürtige Marokkaner Said N. im Februar 2010 von einem Gericht im kanadischen Quebec lebenslänglich. Der damals 36-jährige, der laut dem Richter uneinsichtig und gefährlich bleibe, war im September 2007 verhaftet worden. Er wollte offenbar die beiden Länder dazu zwingen, ihre Beteiligung am NATO-Einsatz in Afghanistan zurückzuziehen.
Causa Mohamed M. und Mona S.
N., der laut Urteil auch islamistische Propagandavideos produzierte und im Internet verbreitete, stand in regem Kontakt mit dem Wiener Islamisten-Paar Mohamed M. und Mona S. Ende August 2009 bestätigte der Oberste Gerichtshof endgültig die Urteile von vier Jahren bzw. 22 Monaten Haft. Die beiden sollen sich beim deutschen Ableger der "Globalen Islamischen Medienfront", einem Arm der Al-Kaida, betätigt haben. "Das is a terroristische G'schicht. Das ist so einfach zu gefährlich", begründete der OGH die Urteilsbestätigung.
Causa Maqsood L.
Im Juni 2011 wurde der 21-jährige österreichische Staatsbürger Maqsood L. als mutmaßlicher Unterstützer der "Deutschen Taliban Mujaheddin" in Deutschland festgenommen worden. Kurz darauf wurden vier Personen in Wien gefasst: ein österreichischer Islam-Konvertit und ein tschetschenisches Flüchtlingspaar, die offenbar in ein Terrorcamp nach Pakistan wollten, sowie ein weiterer Konvertit, der als Kontaktmann der Al-Kaida in Pakisefinden sich wieder auf freiem Fuß. Die Ereignisse lösten eine Debatte über ein neues Anti-Terrorpaket aus, nachdem die Teilnahme an Terrorcamps erst Anfang des Jahres strafbar wurde.
Causa Abdulrahman H.
Im Juli 2011 wurde der Fall des 1983 in Mödling geborenen und in Wien aufgewachsenen Abdulrahman H. öffentlich, der "Kopf einer Handvoll aus Österreich stammender Al-Kaida-Kämpfer im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet" gewesen sein soll. Terror-Experte Paul Cruickshank brachte den Mann mit Plänen in Verbindung, 2006 mehrere Passagiermaschinen auf Transatlantik-Flügen in die Luft zu sprengen. Ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien sei noch aufrecht.
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