Ein neue Studie, die von den NGO Südwind in Wien und Electronics Watch in den Niederlanden erstellt wurde, thematisiert die Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie. Die Produktion verlagere sich demnach weiterhin vom Globalen Norden in Länder mit niedrigen Arbeitsrechtsstandards, vor allem nach Südostasien. Gehälter und Löhne weit unterhalb des jeweiligen Existenzminimums, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen ohne soziale Absicherung seien hier die Norm.
Als Fallbeispiel wurde die Situation auf den Philippinen angeführt, laut dem Bericht eines der wichtigsten Länder in der Elektronikproduktion. Sechs US-Dollar für acht Stunden Arbeit sei ein dort gezahlter Lohn - zu wenig, um die Familie zu ernähren. Julius Carandang, Mitglied der Metal Workers Alliance of the Philippines, berichtete gegenüber den NGOs in einem mit der Aussendung publizierten Videointerview, dass sich die Gewerkschaften zwar für Lohnerhöhungen einsetzen würden, doch eine Mitgliedschaft sei oftmals mit Repressionen verbunden.
12 Stunden pro Tag, 7 Tage pro Woche
In einem weiteren Videointerview, das in den Philippinen erstellt wurde, berichtet eine seit 19 Jahren als Löterin bei MEC Electronics tätige Frau, dass Angestellte in dem Unternehmen, das unter anderem Netzkabel herstellt, nur 210 US-Dollar (rund 196 Euro) pro Monat bekämen - was etwa einem Drittel des existenzsichernden Lohns entsprechen würde. Sie arbeite dafür zwölf Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche. Der Beitritt zur Gewerkschaft ist von der Geschäftsleitung verboten.
Arbeitszeiten von 70 Stunden pro Woche sind eher die Regel als die Ausnahme und die Aufklärung über den sicheren Umgang mit Chemikalien fehlt meist.
Menschenrechts-NGO Südwind
„Beschäftigte in China, Taiwan, Vietnam, Philippinen, Indonesien, Thailand und Indien berichteten allesamt von erzwungenen Überstunden sowie einem mangelhaftem Schutz vor giftigen Chemikalien. Arbeitszeiten von 70 Stunden pro Woche sind eher die Regel als die Ausnahme und die Aufklärung über den sicheren Umgang mit Chemikalien fehlt meist“, resümierte die Menschenrechtsorganisation Südwind. Die Problematiken unterscheiden sich dabei, so wäre einerseits eine Art Schuldknechtschaft ein Problem in Thailand und Taiwan, während es in China und Indonesien zu Zwangspraktika für Studierende in Firmen käme, wobei die Tätigkeiten nichts mit der jeweiligen Ausbildung zu tun haben würden.
Wanderarbeiter in der Schuldknechtschaft
Unter dem Begriff Schuldknechtschaft heißt es in dem Bericht, dass „die meisten“ Elektronikfabriken in Taiwan Wanderarbeiter aus südostasiatischen Ländern einstellen würden. Diese Arbeiter würden in ihren Heimatländern in der bereits im Voraus eine Vermittlungs- oder Anwerbungsgebühr an eine Agentur zu zahlen haben. Dafür müssten dann Darlehen aufgenommen werden, womit die Arbeiter bereits verschuldet bei ihrem Arbeitgeber ankommen.
In Thailand gebe es die Praxis ebenfalls, was „überhöhte und rechtswidrige Anwerbegebühren und damit verbundene Kosten in Höhe von 30-90 Tagen“ des Lohns bedeuten würde. Jedoch wurde auch aus der EU selbst berichtet, dort wurde aus Produktionsländern wie Polen oder Tschechien berichtet, dass hier Firmen bewusst ausländische Arbeitnehmer mit unsicherem Aufenthaltsstatus einsetzen würde, da sich diese so schlechter gegen die Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen können.
Intransparente und komplexe Lieferketten
Zunehmend intransparent und komplex seien die Lieferketten von elektronischen Produkten - und die dahinterstehende Industrie aus globaler Sicht sei gleichzeitig einer der größten Wirtschaftszweige. Aber es habe sich in den vergangenen vier Jahrzehnten in dieser Sparte ein System „der Auftragsfertigung entwickelt, das es großen Marken ermöglicht, Waren zu produzieren und zu verkaufen, ohne eine einzige Fabrik zu besitzen“, wird in dem Bericht unter Hinweis auf verschiedene Modelle der Auftragsfertigung wie Electronic Manufacturing Services (EMS) über Original Design Manufacturing (ODM) bis hin zu Joint Design Manufacturer (JDM) kritisiert.
Als Antwort auf die genannten Zustände fordert Südwind im Globalen Norden ein gesetzliches Regelwerk für verbindliche Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette und mehr Engagement für nachhaltige Elektronik auf allen Ebenen. „Angefangen von der öffentlichen Beschaffung bis hin zum privaten Konsum müssen Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und fachgerechte Entsorgung von Geräten zu Leitprinzipien werden“, wird René Schuster, Experte für faire Lieferketten bei Südwind, zitiert. Ein großer Teil der gesamten Elektronik-Produktion werde zudem von öffentlicher Hand eingekauft. Für einen Wandel hin zu faireren Arbeitsbedingungen könne somit die öffentliche Auftragsvergabe eine wichtige Rolle spielen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.