Hansi, Horst oder Holger, der Verfolger: Die „Krone“-Leser ließen sich für den Schwan aus Zagersdorf, der wegen seiner Attacken gegen Menschen mediale Berühmtheit erlangte, zig Namen einfallen. Jetzt braucht er keinen mehr, denn er wurde „entführt“. Die „Krone“ hat Videos der geheimen Umsiedelung.
Die Geschichte des schönen Schwans vom Zagersdorfer Fischerteich - die „Krone“ berichtete - ist um einige Facetten reicher. Mittlerweile mutet sie wie ein Krimi an und könnte auch ein Politikum werden. Aber alles der Reihe nach: Freitagvormittag war Bürgermeister Ivan Grujic mit einem Team von ServusTV beim Teich verabredet, um einer Reporterin ein Interview über den Schwan zu geben.
Alle Anwesenden waren einigermaßen verblüfft, als dieser plötzlich nirgendwo aufzufinden war. Denn kurz zuvor hatte die autodidaktische Schwan-Ornithologin Marina Gruber die Polizei über ihre geplante Umsiedlungsaktion des Tieres informiert. Doch das wusste zu diesem Zeitpunkt niemand.
Wogen gehen hoch
Während Bürgermeister Ivan Grujic von einer „Entführung durch eine selbsternannte Expertin“ spricht, kochen die Emotionen in der Dorfbevölkerung weiter hoch. Manche, die laut Ohrenzeugen den Schwan „schnellstmöglich aus dem Weg räumen“ wollten, sind erleichtert, dass er endlich vom Fischerteich verschwunden ist.
Anderen, denen der grazile Wildvogel ans Herz gewachsen ist, trauern um ihn und bedauern, dass sie ihn nun nicht mehr sehen können. Und es gibt auch diejenigen, die jubeln, weil der angedachten Umsiedelung des Schwans an den Neusiedler See, die Bürgermeister Grujic angestrebt hatte, ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde.
Zwei Videos zeigen die Umsiedelung
Der „Krone“ liegen nun zwei Beweisvideos vor, die tatsächlich die Umsiedelung des Schwans durch die autodidaktische Schwan-Expertin Marina Gruber belegen. Die 53-jährige Wienerin arbeitet engmaschig mit dem Tierschutz Austria zusammen, der in diesem Fall auch Auftraggeber war, wie die bekannte Ex-Grünen-Politikerin und Tierschutzpräsidentin Madeleine Petrovic und Michaela Lehner, die Leiterin der Rechtsabteilung, bestätigen:
Marina Gruber ist für uns der Doktor Dolittle der Schwäne. Die Bezeichnung autodidaktische Schwan-Ornithologin ist absolut treffend. Wir arbeiten seit längerer Zeit mit ihr zusammen. Ohne ihre Hilfe könnten wir verletzte Schwäne nicht so leicht einfangen und wieder an der richtigen Stelle, inmitten der richtigen Schwanenfamilie, aussetzen. Ihr Zugang zu den Tieren ist einmalig. Immer wieder wird sie von Schwänen aufgesucht, die sich bei ihr für die Rettung oder Hilfe bedanken.
Madeleine Petrovic, Präsidentin von Tierschutz Austria & Michaela Lehner, Leiterin der Rechtsabteilung
Aufgrund ihrer Expertise sei Gruber in Wien auch für die Wildtierhilfe der Magistratsabteilung MA49 und die Wiener Gewässer der Magistratsabteilung MA45 im Einsatz. Außerdem kooperiere sie mit dem Wiener Fischereiverband, dem Landeskriminalamt, der Wasserpolizei, dem AGES Seuchenbekämpfungsinstitut Österreich und der Tierkadaverentsorgung „Tierservice“, so Petrovic und Lehner.
Vom „Erschießen oder Steinigen“ bewahrt
Aber was ist nun in den Videos zu sehen? Im ersten sieht man Gruber mit dem Schwan am Teich in Zagersdorf. Dazu gibt sie Folgendes zu Protokoll: „Ich habe aus privater Initiative den Schwan aus Zagersdorf gerettet. Er ist zwar wild angeflogen gekommen, aber Sie sehen, er ist nicht aggressiv, sonst hätte ich ihn nicht hinausnehmen können. Ich hatte ihn in einer Minute, weil ich mich mit den Tieren sehr gut auskenne. Wir haben ihn somit vor dem Erschießen und Steinigen bewahrt, denn das wurde in dieser Gemeinde schon besprochen. Das habe ich gehört und werde niemals sagen von wem.“
Dann zoomt die Kamera auf den Schnabel des Vogels: „Hier am Höcker hatte er eine Wunde von einer eingewachsenen Angelschnur. Die Verletzung ist alt. Entweder ist die Schnur hineingewachsen oder er hat sie selbst hinaus bekommen. Dieses Tier wird jetzt an einen Ort gebracht, von dem niemand erfahren wird. Ich sage nur: Donau. Denn dieser Ort hier ist nichts für seine Lebensqualität. Anstatt den Tieren zu helfen, füttern Menschen die Tiere und unterstützen so ihre Faulheit, Futter zu suchen, sonst wäre dieses Tier nicht eineinhalb Jahre an diesem kleinen Teich geblieben. Jetzt kommt er dorthin, wo ihn die Natur haben möchte.“
Im zweiten Video sieht man Gruber, wie sie, an einem Flussufer sitzend, den Schwan aus einer Transporttasche hebt. „Schauen wir ihn uns noch einmal an, damit alle wissen, dass das der richtige Schwan ist“, sagt sie und zeigt nochmal auf die Wunde auf seinem Höcker. „Er hat nichts, er darf in die Freiheit. Auf Wiedersehen!“, spricht’s und entlässt ihn ins Wasser. Der Schwan schwimmt ins offene Gewässer hinaus und grundelt gleich nach Nahrung. Nach Nahrung, die er selbst findet.
Gibt es ein Nachspiel?
Für den Schwan gibt es also ein Happy End. Doch ein Ende der Geschichte scheint nicht in Sicht. „Wir hätten den Schwan am Montag in den frühen Morgenstunden mit Experten und im Beisein der Tierschutzombudsfrau Gabriele Velich an den Neusiedler See übersiedelt. Das ist nun hinfällig“, sagt Bürgermeister Grujic und erklärt, dass sich nun die Staatsanwaltschaft einschalten werde. Auch eine Besitzstörungsklage gegen Marina Gruber werde überlegt, weil das Areal um den Fischerteich Privatgrund sei.
„Tierschutz Austria“ versteht diese Reaktion nicht. Man sei lediglich konkreten Hinweisen aus der Bevölkerung, wonach der Schwan „erschossen oder gesteinigt“ werden sollte, rasch nachgegangen und habe ihn deshalb in Sicherheit gebracht. „Der Bürgermeister wäre dem Tierschutzgesetz nach dazu verpflichtet gewesen, sofort alles nur denkbar Mögliche zum Wohle des Tieres zu unternehmen. Das ist nicht geschehen. Gerne hätten wir mit ihm zusammengearbeitet, aber er war seltsamerweise weder für Frau Petrovic noch für mich telefonisch erreichbar“, so Juristin Michaela Lehner.
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