Seit Jahrzehnten erforscht Kurt Kotrschal (69) das Verhalten des großen Beutegreifers. Er sieht in dessen Rückkehr für Mensch und Umwelt auch Chancen.
Allein heuer wurden in Oberösterreich schon 15 Wolfssichtungen gemeldet, zuletzt in Herzogsdorf (14. März), Pregarten und Alberndorf (jeweils am 16. März). Die Bevölkerung ist besorgt. Die Landespolitik will nun rechtliche Möglichkeiten schaffen, um gegen Problemwölfe rasch vorgehen zu können.
„Die FFH-Richtlinie, die den Schutzstatus des Wolfes seit mehr als 30 Jahren zementiert, hätte längst überarbeitet werden müssen“, sind sich Landesrätin Michaela Langer-Weniger und LH Thomas Stelzer einig: „Mit einer Population von etwa 20.000 Wölfen in der EU kann man auch von keiner gefährdeten Tierart mehr sprechen.“
Wie sieht aber Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (69), der nicht nur hierzulande als Koryphäe in Sachen Wolfsforschung gilt, die aktuelle Entwicklung?
Herr Professor Kotrschal, was halten Sie davon, dass in Oberösterreich eigene Gesetze geschaffen werden sollen, mit denen Wölfe schneller geschossen werden können?
Das ist ein populistischer Aktionismus wie ihn bereits NÖ, Kärnten und Tirol vorexerziert haben. Die Sicherheit der Menschen und ihrer Weidetiere wird damit aber nicht erhöht. Solche individuellen Gesetze sind auch nicht mit der „Fauna-Flora-Habitat“-Richtlinie der EU in Einklang zu bringen. Sie werden einer rechtlichen Überprüfung auf europäischer Ebene nicht Stand halten. Das hat dann natürlich Strafzahlungen zur Folge.
Offenbar werden wir uns an Wölfe gewöhnen müssen.
Ja, aber das bedeutet nicht, dass automatisch nur Probleme damit verbunden sind. Die Rückkehr der Wölfe hat auch positive Auswirkungen. Die Kleintier-Fauna beispielsweise kann wieder ansteigen, weil die Bestände bei den Füchsen, Goldschakalen oder Fischottern reduziert werden. Auch die viel zu hohe Schalenwilddichte, die unseren Wäldern schadet, wird reguliert. Anstatt mit Flinten auf den Wolf loszugehen, sollten wird lieber darüber nachdenken, wie wir möglichst vernünftig und konfliktarm mit ihm leben können. Die Vorstellung, ihn mit Hilfe der Kugel wieder loszuwerden, bringt nichts. Denn für jeden getöteten Wolf rückt sehr bald ein anderer nach. Man muss den Bauern andere Lösungen anbieten – Stichwort Herdenschutz.
Ein Rumäne fürchtet sich nicht vor Wölfen, weil sie dort nie ausgestorben waren und man gelernt hat, mit ihnen zu leben.
Wolfsforscher Kurt Kotrschal
Die Reproduktionsrate bei Wölfen ist ziemlich hoch.
Die vermehren sich wie die sprichwörtlichen Karnickel. Die Population wächst jährlich um 20 Prozent. Rudel haben hier aber eine wichtige Regulatoreigenschaft. Wo Rudel sind, nimmt die Bestandsdichte nicht zu. Jungwölfe müssen weg und fremde Wölfe werden entweder vertrieben oder getötet.
Wieviele Rudel haben wir aktuell in Österreich?
Derzeit sind es fünf. Es werden aber sicher mehr.
Wenn Wölfe am helllichten Tag in Siedlungsnähe gesichtet werden, verursacht das große Ängste.
Im Grunde ist es unproblematisch, wenn ein Wolf an einem Haus vorbeiläuft. Er versucht nur, den kürzesten Weg zu nehmen, benutzt Straßen und Eisenbahntrassen. Eine wirkliche Gefahr für Menschen ist das nicht.
Früher fielen Menschen aber Wölfen zum Opfer.
Ja, vor allem zu Zeiten, als die Wälder wildleer geschossen waren oder in Kriegen Leichen herumlagen. Auch Wölfe mit Tollwut oder solche, die von Menschenhand angefüttert werden, sind gefährlich. Wir brauchen uns aber nicht fürchten – in Europa gab es schon lange keinen Todesfall mehr.
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