Verbrenner, Atomkraft
Nationale Dilemmas bremsen EU-Gipfel aus
Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs stecken in der Krise, beim europäischen Treffen in Brüssel kochen beide ihr eigenes Süppchen und suchen dort Erfolge. Das geht zulasten der vielen eigentlichen Probleme und Themen.
Wenn es daheim nicht so gut läuft, muss die europäische Bühne herhalten. Dort wird dann vehement Druck gemacht oder blockiert – ohne Wenn und Aber und ohne Rücksicht auf die anderen. Das widerspricht freilich dem EU-Gedanken, doch darum schert sich in so einer Situation niemand, wie Deutschland und Frankreich gerade vorzeigen.
Ist der deutsche Kanzler Teil der Regierung?
Berlin blockiert seit einiger Zeit das bereits beschlossene Verbot von Verbrennermotoren bei Neuwagen ab dem Jahr 2035. Beim Gipfel kam es, wie es kommen musste: Obwohl das Thema nicht auf der Agenda stand, dominierte es doch das Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs. Der Buhmann: Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Es ist verstörend, wenn eine Regierung nach anfänglicher Zustimmung plötzlich den Rückwärtsgang einlegt“, sagte etwa der lettische Regierungschef Krisjanis Karins.
Scholz selbst, der sich, um die innerdeutsche Koalition nicht zu gefährden, hinter seinen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gestellt hat, machte in Brüssel bei diesem Thema nicht gerade die beste Figur. „Wenn ich die Gespräche zwischen der Kommission und der Bundesregierung richtig verstehe, dann ist das alles auf einem guten Weg“, so der deutsche Kanzler. Wohlgemerkt, der Kanzler, der Chef der Regierung ist und dabei klingt, als wäre er ein Außenstehender.
Suche nach Kompromiss, Gerücht macht die Runde
Aber Scholz’ eigenwillige Wortspende ist nicht die einzige Skurrilität in dieser zur Hängepartie verkommenen Debatte. In Österreich ist nur eine Regierungspartei, nämlich die ÖVP, gegen den unterschriebenen Kompromiss, die Grünen stehen weiterhin zu ihrem Wort. Bundeskanzler Karl Nehammer ließ beim Gipfel am Donnerstag aufhorchen, er kreierte einen neuen Begriff, von dem er wohl hofft, dass er ein Werbeschlager wird: der „grüne Verbrenner“.
Uns ist wichtig, dass wir den technischen Fortschritt zulassen, dass wir nicht innovationsfeindlich sind. Ich werde mich weiter für den „grünen Verbrenner“ mit E-Fuels einsetzen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kreiert einen neuen Begriff.
Gemeint sind Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betrieben werden. Einen Vorschlag in diese Richtung hatte die EU-Kommission vor wenigen Tagen vorgelegt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen führte am Rande des Gipfels jedenfalls zahlreiche Gespräche, um doch noch zu einer Lösung zu kommen. Deutschland zeigt sich zuversichtlich, beim Gipfel machte das Gerücht, dass es beim Verkehrsministerrat am kommenden Dienstag zur finalen Abstimmung kommen könnte, die Runde.
Macron will Förderung der Nuklearenergie
Noch ein Staatsmann braucht dringend einen Erfolg: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist in seiner Heimat aufgrund der im Alleingang durchgeboxten Pensionsreform gehörig unter Druck. Da käme ihm ein Punktesieg in Europa nur recht, und ein solcher soll mit der Atomkraft gelingen. Macron versucht mit allen Mitteln, eine Renaissance der Nuklearenergie in Europa durchzusetzen, inklusive finanzieller Unterstützung.
Sein Argument, das von vielen als falsch bezeichnet wird: Die Meiler seien eine lokale Energiequelle, die für Autonomie sorge, und außerdem seien sie klimafreundlich. Macron wollte sogar einen entsprechenden Passus in der Abschlusserklärung des Gipfels verankern, dies wurde jedoch bereits im Vorfeld verhindert.
Ukraine, Wettbewerb, Handel und Migration
Wesentlich weniger kontrovers (wohl auch deshalb, weil keine Beschlüsse geplant waren) verliefen die Gespräche zu den eigentlichen Themen des Gipfels, von Ukraine über Wettbewerbsfähigkeit und Migration bis Energie. Vor allem beim Migrationskapitel, das nach dem Abendessen am Donnerstag auf dem Programm stand, war viel bereits Gesagtes und Bekanntes zu hören.
Kanzler Karl Nehammer freute sich über Lob und Dank von Bulgariens Präsident Rumen Radev für die Zusammenarbeit im Grenzschutz. Jedoch: Noch ist Österreichs Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien aufrecht.
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