Nur Säbelrasseln?

Was Putin mit den Belarus-Raketen erreichen könnte

Ausland
27.03.2023 15:42

Russland hält trotz der Sanktionsdrohungen des Westens an der geplanten Stationierung von taktischen Atomwaffen in Weißrussland fest. Und auch wenn Experten zumeist eher einen Versuch sehen, den Westen durch psychologische Kriegsführung einzuschüchtern - das Arsenal von Wladimir Putin ist nicht zu unterschätzen. Bei einer Stationierung in Weißrussland rücken Nuklearraketen auch näher an große Städte in Europa heran. Zumindest eine gewisse Verunsicherung macht sich im Westen breit.

Die Raketen von Typ „Iskander“ können mit Atomsprengköpfen bestückt werden und haben offiziell eine Reichweite von 500 Kilometern - das reicht selbst vom letzten Winkel Weißrusslands aus zwar nur bis Warschau, doch Geheimdienste gehen davon aus, dass die Raketen mittlerweile deutlich weiter fliegen könnten. Bis zu 2500 Kilometer sollen drin sein, damit könnten nicht nur Wien oder Berlin, sondern sogar Rom zu Zielen werden.

Rüstungskontrollvertrag seit 2019 ausgesetzt
Eigentlich hatten sich die USA und Russland dazu verpflichtet, auf landgestützte Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern zu verzichten, doch das Abkommen dazu, der INF-Rüstungskontrollvertrag, ist seit 2019 ausgesetzt. Das Abkommen stammte noch aus den 1970ern, unterzeichnet vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow.

Putin: „Wir tun nichts anderes als die USA“
Putin hatte die Stationierung am Samstag angekündigt - krone.at berichtete. Demnach hat Weißrussland bereits zehn umgebaute Flugzeuge, die diese Waffen tragen können. Der russische Präsident hatte auch betont, dass sich Moskau an seine Verpflichtungen zur Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen halte. Sie würden nur in Weißrussland vorgehalten, Russland gebe die Kontrolle nicht ab - und tue damit nichts anderes als die USA in EU-Staaten.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 2018, die im russischen Staatsfernsehen gezeigt wurde, soll den Test einer Nuklearrakete zeigen. (Bild: AP)
Eine Aufnahme aus dem Jahr 2018, die im russischen Staatsfernsehen gezeigt wurde, soll den Test einer Nuklearrakete zeigen.

Weißrussland erhält nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nun erstmals seit den 1990ern-Jahren wieder nukleare Raketen. In Minsk hatte Machthaber Alexander Lukaschenko, der von Putin politisch und wirtschaftlich abhängig ist, schon vor Russlands Krieg gegen die Ukraine darum gebeten. Dazu hatte er auch die Verfassung ändern lassen, in der nun kein atomwaffenfreier Status mehr festgeschrieben ist. Die Ausbildung an den Waffen soll laut Putin am kommenden Montag beginnen, die Depots für die Atomraketen sollen am 1. Juli fertig gebaut sein.

„Ankündigung soll von eigenen Fehlern ablenken“
Für Experten ist Putins Ankündigung primär ein Versuch, den Westen einzuschüchtern und von eigenen Fehler abzulenken. „In erster Linie aber soll die Ankündigung davon ablenken, dass Putin zum Beispiel in Bachmut nicht den Fortschritt macht, den er zwingend braucht“, sagte der Politologe Maximilian Terhalle zuletzt der Deutschen Presse-Agentur. Der Geopolitik-Experte, der am King‘s College in London gelehrt hat, warnte den Westen davor, aus Angst die Unterstützung für die Ukraine zu kürzen.

Kremlchef Wladimir Putin setzt auf Einschüchterungstaktik. (Bild: AP/Sputnik/Alexei Nikolsky)
Kremlchef Wladimir Putin setzt auf Einschüchterungstaktik.

„Das Muster einer taktischen Nukleardrohung bei konventionellem Nicht-Erfolg ist bereits bekannt vom letzten Oktober“, sagte Terhalle. „Es ist ein gutes Anzeichen, dass die russische Armee und Wagner-Truppen nicht in der Lage sind, die Ukrainer zu brechen. Wie 2022 wird Putin auch 2023 keine Nuklearwaffen einsetzen, weil er dadurch seine wichtigste Waffe, die Einschüchterung, die im Falle Deutschlands und der Panzerfrage erheblich die NATO beeinflusst hat, aus der Hand verlieren würde.“

US-Experten: „Putin will Ängste schüren“
Auch US-Experten sehen keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs. Putin sei ein „risikoscheuer Akteur, der wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, ohne Absicht, das auch durchzuziehen“, so das US-Institut für Kriegsstudien (ISW). Der Kremlchef wolle im Westen Ängste vor einer atomaren Eskalation schüren, um so die Unterstützung für die Ukraine etwa bei der Lieferung schwerer Waffen zu brechen.

EU-Spitzen drohen mit Sanktionen
In der EU sorgte die Ankündigung dennoch bereits für Entsetzen. EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte Weißrussland zum Verzicht auf die nuklearen Waffen aufgefordert und andernfalls mit Sanktionen als Antwort gedroht. Borrell kritisierte die russischen Pläne als „unverantwortliche Eskalation“ und eine Bedrohung für die europäische Sicherheit. Der polnische Europaminister Szymon Szynkowski sprach ebenfalls von einer „Eskalation“, forderte aber zugleich eine „ruhige Antwort“ des Westens darauf.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) (Bild: APA/EVA MANHART)
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP)

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bezeichnet gegenüber der „Krone“ die Ankündigung von Putin, in Belarus taktische Atomwaffen stationieren zu wollen, als „verantwortungslos“. Damit drehe Russland weiter an der nuklearen Eskalationsschraube und trage „die alleinige Verantwortung für die brandgefährlichen nuklearen Risiken, die derzeit höher als zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Kalten Krieg sind“. Dieses neuerliche Schwingen mit der Nuklearkeule sei „schlicht inakzeptabel. Es gibt keine Alternative zur nuklearen Abrüstung.“

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