Als einer der letzten EU-Staaten hat Österreich dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag die Gelegenheit geboten, vor dem Parlament zu sprechen. Der Staatschef meldete sich per Video-Liveschaltung zu Wort, dankte Österreich und bat um Unterstützung für sein Land. Die FPÖ sorgte dabei für einen Eklat.
„Heute ist der 400. Tag des Krieges, den unser Land durchmachen muss. Jeden Tag verlieren wir in diesem Kampf unsere Bürger“, so der ukrainische Präsident zu Beginn seiner Rede. Dabei betonte er auch, dass es wichtig sei, „moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein“, was ihn zugleich zu den Dankesworten an Österreich führte.
Anerkennend sprach Selenskyj über die rot-weiß-rote Unterstützung und bat dabei um weitere Hilfestellungen - und zwar „um Leben zu retten“. Abschließend betonte der Staatschef, dass die Ukraine nichts anderes wolle als „Frieden, Sicherheit, Freiheit und Ruhe“. Außerdem lud er die Abgeordneten ein, in die Ukraine zu reisen und sich selbst ein Bild zu machen.
FPÖ sorgte für Eklat
Die Freiheitlichen waren als einzige Fraktion gegen die Rede des ukrainischen Präsidenten. Wie angekündigt, protestierte die FPÖ dann auch gegen den Video-Auftritt Selenskyjs. Nach der Begrüßung durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) klatschten die FPÖ-Abgeordneten als einzige nicht. Stattdessen holten die Blauen aus braunen Papiersackerln Tafeln mit der Aufschrift „Platz für Frieden“ und „Platz für Neutralität“ hervor, die sie vor sich auf den Pulten platzierten. Dann verließen sie geschlossen den Saal. Klubobmann Herbert Kickl hatte im Vorfeld den anderen Fraktionen vorgeworfen, sie seien „zu einer gefährlichen und undifferenzierten Endsiegrhetorik übergegangen“. Damit griff er zu einem einschlägig belasteten Propagandabegriff.
Verwunderung über SPÖ
Während die FPÖ für Entsetzen sorgte, löste die SPÖ großteils Verwunderung aus. Laut NEOS sollen lediglich 18 von 40 Abgeordneten bei der Rede anwesend gewesen sein. Selbst Parteichefin Pamela Rendi-Wagner kam nicht zur Sitzung. Laut ihrer Sprecherin ist sie erkrankt.
Sobotka versprach weitere Hilfen
Sobotka betonte unterdessen gegenüber Selenskyj, dass „die politische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine für die Österreicher ein großes Anliegen“ sei. Österreich habe die Ukraine bisher mit mehr als 129 Millionen Euro unterstützt. „Wir werden diese Hilfe weiter fortsetzen.“ Fast 94.000 ukrainische Vertriebene hätte in Österreich Zuflucht gefunden. Und Sobotka versicherte Selenskyj, dass sich Österreich auch beim Wiederaufbau der Ukraine nach Kriegsende „sowohl im Rahmen der EU als auch bilateral konkret und aktiv beteiligen wird“. Sobotka: „Das offizielle Österreich ist zwar militärisch neutral, nicht aber politisch.“
Viele Besucher, viele Proteste
Im Plenarsaal verfolgten zahlreiche Besucher die Debatte von der Galerie aus, unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez. Vor dem Parlament demonstrierten dagegen an die hundert Friedensaktivisten, Vertreter der Kulturszene und linke Gruppierungen gegen die Rede Selenskyjs. Aktivist Stefan Krizmanich etwa sprach von einer „Schande für die Republik“, dass ein Präsident, der offen mit Ultranationalisten kooperiere, die Opposition ausschalte und Schwarze Listen dulde, das Wort im Parlament ergreifen durfte.
Im Plenum, das sich direkt an die Veranstaltung mit der Selenskyj-Rede anschließt, soll dann der unbeschränkte Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt für Ukrainer beschlossen werden.
Fast in allen EU-Parlamenten am Wort
Selenskyj ist nach Kriegsbeginn in den Parlamenten von fast allen 27 EU-Ländern zu Wort gekommen. Nicht der Fall war dies bisher in Bulgarien, das in einer Dauerkrise steckt und am Sonntag zum fünften Mal innerhalb von zwei Jahren Parlamentswahlen abhält. In Sofia verhinderten prorussische Parteien einen entsprechenden Vorstoß mit dem Argument, dass das bulgarische Parlament erst einmal eine Regierung wählen sollte. Auch im als Russland-freundlich geltenden Ungarn ist Selenskyj nicht ins Parlament eingeladen worden.
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