Streit um Corona-Tests

Millionen-Klage gegen Lead Horizon anhängig

Wirtschaft
30.03.2023 14:47

Während die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Eigentümer von Lead Horizon wegen Untreue, Urkunden- und Beweismittelfälschung ermittelt, droht dem Unternehmen, das mit der Herstellung der PCR-Testkits des Wiener Covid-Testprogramms „Alles gurgelt!“ Millionen umgesetzt hat, nicht nur strafrechtliches Ungemach. Das deutsche Unternehmen CoviMedical hat am Wiener Handelsgericht gegen Lead Horizon eine Klage mit einem Streitwert von 3,3 Millionen Euro eingebracht.

CoviMedical, der führende Anbieter von Corona-Testlösungen in Deutschland, war im März 2022 eine Geschäftsbeziehung mit Lead Horizon eingegangen. Die Wiener PCR-Testkits sollten an 200 Standorten in Deutschland flächendeckend ausgerollt werden, um allenfalls für bevorstehende Pandemie-Wellen gewappnet zu sein. 

Ein Kaufvertrag über eine Million Testkits wurde abgeschlossen, den CoviMedical nun allerdings für obsolet erachtet. Unter der Geschäftszahl 31 Cg 93/22v ist am Handelsgericht Wien eine Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags anhängig. Für Lead Horizon sind die Vorwürfe gleichermaßen unberechtigt wie „unhaltbar“, wie am Donnerstag betont wurde.

Aus Sicht des deutschen Unternehmens mit Sitz in Dillenburg waren bzw. sind die Testkits aus Wien unbrauchbar, weil die angebotene Online-Lösung für das Testen auf eine Infektion mit dem Coronavirus im heimischen Wohnzimmer nicht zuverlässig möglich sei. „Bedingung für den Kaufvertrag war, dass das Authentifizierungsverfahren über eine Web-App einwandfrei funktioniert. Lead Horizon hat im Oktober 2022 eine finale Beta-Version der Web-App mit einer Künstlichen Intelligenz zur Verfügung gestellt."

App für PCR-Tests angeblich unbrauchbar
„Da sei man bei CoviMedical dann binnen weniger Tage draufgekommen, dass das nicht funktioniert, dass die App nicht in der Lage ist, die Testperson eindeutig zu identifizieren“, schildert die Wiener Rechtsanwältin Katharina Kitzberger, deren Kanzlei (Weber & Co.) von CoviMedical mandatiert ist, im Gespräch mit der APA. Die Geschäftsführung von Lead Horizon wies diese Vorwürfe als „an den Haaren herbeigezogen“ zurück. Zugleich wird betont, die für Deutschland gedachte App sei eine andere als jene, die in Österreich für das „Alles gurgelt!“-Testprogramm entwickelt worden sei.

(Bild: APA/Hans Punz)

Das Prozedere, das bei den Testkits von Lead Horizon im häuslichen Gebrauch im Selbsttest anzuwenden war bzw. ist, ist „Alles gurgelt!“-Nutzern vertraut. Aus Sicht von CoviMedical kann bzw. konnte die deutsche Web-App allerdings nicht gewährleisten, dass die Person, die sich für den Test angemeldet hat oder hatte, dieselbe ist wie jene auf dem für das Identifikationsverfahren verwendeten Lichtbildausweis. Die künstliche Intelligenz (KI) der App sei entgegen der Zusicherung von Lead Horizon nicht in der Lage, die zum Test angemeldete Person fehlerfrei mit dem eingescannten Dokument bzw. dem Gesicht abzugleichen, das in die Kamera gehalten wird, behauptet CoviMedical.

Zuverlässige Authentifizierung nicht möglich?
Selbst mit einem größeren Lichtbild einer fremden Person oder gar einer in die Kamera gehaltenen Katze sei eine fälschliche Identifikation zu bekommen gewesen. Eine zuverlässige „Proof of Identity“ war für CoviMedical damit nicht gegeben. Darüber hinaus könne die KI während des laufenden Test-Prozederes nicht sicherstellen, dass die bereits identifizierte Person dieselbe ist, die gerade den Test durchführt. Die App sei weiters außerstande, die Echtheit des verwendeten Dokuments zu überprüfen. CoviMedical kam daher zum Schluss, dass mangels eines zuverlässigen Authentifizierungsverfahrens die Testkits von Lead Horizon in Deutschland nicht geeignet waren, für die Zertifizierung bei öffentlichen Stellen und Behörden herangezogen zu werden.

„Lead Horizon hat zugesichert, dass ein hundertprozentig sicherer Abgleich der Testperson möglich ist“, betont die Wiener Anwältin Kitzberger. Im Vertrauen auf eine zuverlässige Online-Lösung habe CoviMedical die Wiener Testkits erworben. „Aber wir haben Bildmaterial, das beweist, dass der vorgebliche Gurgeltest nicht einmal von Menschen durchgeführt hat werden müssen, um eine positive Rückmeldung der App zu bekommen“, verweist Kitzberger auf in die Kamera gehaltene Haustiere.

Lead Horizon spricht von „unhaltbaren Vorwürfen“
„Die nun von CoviMedical angezogenen Kritikpunkte sind offenbar dem Umstand geschuldet, dass CoviMedical aus einem geschlossenen Vertrag aussteigen will, weil sie daran - wohl auch angesichts des Rückgangs der Pandemiesituation, aber auch aufgrund ihrer Fehleinschätzung einer erhofften Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland - kein Interesse mehr hat“, heißt es seitens Lead Horizon. Das deutsche Unternehmen habe „in der Hoffnung auf eine Entwicklung der Rechtslage in Deutschland, die digitale Selbsttests zulässt“ bestellt. Diese Erwartung habe sich nicht realisiert und CoviMedical versuche nun, die wirtschaftlichen Folgen ihrer Fehleinschätzung auf Lead Horizon abzuwälzen, heißt es seitens Lead Horizon.

CoviMedical habe von Lead Horizon nur 200.000 Testkits entgegengenommen, der Rest der vom Kaufvertrag umfassten Ware sei nicht mehr akzeptiert worden, berichtet der auf Medizinrecht spezialisierte Münchner Anwalt Julian Bartholomä, der ebenfalls CoviMedical vertritt. Das Wiener Unternehmen habe die Rücknahme der 200.000 Stück abgelehnt und auf Zahlung und Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen bestanden.

Speziell in Wien hat sich in der Pandemie das PCR-Testen im Selbsttest im Wohnzimmer im Rahmen der Aktion „Alles gurgelt!“ großer Beliebtheit erfreut. 46,8 Millionen Mal wurde in der Bundeshauptstadt gegurgelt. Dabei wurden bei der Web-Lösung von Lead Horizon Fotos der getesteten Person und ihres Ausweises zur Identitätsfeststellung verarbeitet und mit dem Gesicht, das man in die Kamera halten musste, abgeglichen. Nur so war ein behördlich anerkanntes Testergebnis zu bekommen.

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