Ob Lernprobleme oder Liebeskummer: Bei der „Pferdemarie“ in Antau überträgt sich die Stärke ihrer wiehernden Assistenten auf wundersame Weise auch auf Kinder und Erwachsene.
Marie Wiemer (53) aus Antau ist Religionslehrerin in der Volksschule und lebt auf einem Bauernhof. Immer wieder bindet sie auch ihre Tiere in den Unterricht mit ein. Neulich, als sie ihren Schülern davon erzählte, dass am Palmsonntag Jesus auf einem Esel nach Jerusalem einritt, standen ihr ihre Esel Berta und Balu assistierend zur Seite.
Integriert werden aber auch Hühner, Hunde, Kaninchen und Pferde, denn die Mutter dreier Söhne ist auch Reittherapeutin und Familienaufstellerin und hilft Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im privaten Setting dabei, Ängste zu überwinden und ihrer ganz persönlichen Wahrheit näherzukommen.
Persönlichkeitsfördernd
„Ich begleite Kinder mit ADHS, Autismus, Down-Syndrom, ausgeprägten Ängsten, Konzentrationsstörungen und Aggressionen, aber auch jene, die Mobbing, Gewalt oder Missbrauch erlebten und nach emotionalen Verletzungen oder einem Sturz beim Reiten wieder Vertrauen fassen möchte. Das Getragen-Sein vom Pferd stärkt das Gefühl des Getragen-Seins im Leben - eine existenzielle Erfahrung“, sagt Wiemer.
Dann erzählt sie von den verblüffenden Fortschritten der Kinder: „Ihre Grob- und Feinmotorik verbessert sich. Sie kommen zur Ruhe, werden selbstbewusster und gelassener, wachsen über sich selbst hinaus!“
Spüren lernen
Wurden vor der Corona-Pandemie die meisten Kinder von Logopäden, Sonderpädagogen oder dem Jugendamt zur „Pferdemarie“ geschickt, kommen seither auch Eltern eigeninitiativ auf sie zu. Viele Mütter und Väter hätten nämlich während der Lockdowns und der intensiven Familienzeit Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Kindern wahrgenommen, die ihnen davor im Alltagsstress nicht so bewusst waren, sagt die Reittherapeutin.
Hier am Hof müssen alle ihre Handys abgeben, denn nur so kann man wieder ins Jetzt und ins Spüren kommen.
Reittherapeutin Marie Wiemer
Balance finden
Auch immer mehr Erwachsene nutzen das Angebot, um am Pferd durchzuatmen, sich zu erden und bei einem gemütlichen Austritt, geführt von der Reittherapeutin, den Kopf frei zu kriegen, die Sinne zu schärfen und Antworten auf eine ganz konkrete Frage zu finden.
„Manche befinden sich in einer beruflichen Neuorientierungsphase oder haben Konflikte mit Kollegen. Andere stecken inmitten einer Trennung, eines Burnouts oder sind durch ein anderes Lebensereignis aus dem Gleichgewicht geraten. Am Pferd lernen sie, loszulassen, ein Stück weit Verantwortung abzugeben und wieder ihre Balance zu finden.“
Bedürfnisse erkennen
Mit Pferden klappe dieses Zusammenspiel optimal, denn sie seien Menschen sehr ähnlich: „So wie wir sind auch sie soziale Wesen und brauchen ihre Autonomie. Deshalb erfühlen sie unsere Bedürfnisse so genau und spiegeln klar wider, was uns im Innersten bewegt.“
Um die größtmögliche Nähe zwischen Mensch und Tier herzustellen, werden statt Zaumzeug und Sattel ein Voltigiergurt und eine einfache Decke verwendet. So können die Klienten die wohlige Wärme und schaukelnden Bewegungen des Pferdekörpers erspüren, die an die Zeit im Mutterleib erinnere.
Die Pferde wiederum nehmen jede kleinste Regung wahr. Nach 30 Minuten, so lange dauert eine Einheit, fließen meist Tränen. Man fühlt sich lockerer, okay, so wie man ist, seelische Knoten sind gelöst. Deshalb ist diese Erfahrung auch so heilsam.
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