Unterdrückte Uiguren

Nach Putin nun auch Haftbefehl gegen Xi gefordert

Ausland
01.04.2023 19:30

Nach der Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin wegen der mutmaßlichen Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder aus besetzten Gebieten, fordern nun uigurische Aktivisten eine ähnliche Entscheidung im Falle Chinas. Konkret wird auch eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen den chinesischen Staatschef Xi Jinping gefordert. Dabei wird auf die systematische Unterdrückung der rund zehn Millionen Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang verwiesen.

In dem Bericht der UNO-Menschenrechtskommission aus dem letzten Jahr ist unter anderem die Rede davon, dass das Ausmaß der Unterdrückung gegen die muslimische Minderheit im Nordwesten Chinas „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gleichkomme. Berichte von Zeugen würden „Muster von Folter und anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung“ nahelegen. Eine Reihe von durchgesickerten Regierungsdaten und Fotos gewährten in den vergangenen Jahren Einsichten in Pekings Internierungsstrategie. Recherchen zufolge haben Chinas Behörden mehr als eine Million Uiguren und andere meist muslimische Minderheiten in Gefangenenlagern interniert. Peking behauptet, es handle sich dabei um berufliche Fortbildungsstätten, deren Besuch freiwillig erfolge.

Chinas Präsident Xi Jinping (Bild: AP)
Chinas Präsident Xi Jinping

Ehemalige Häftlinge berichten jedoch von Vergewaltigungen, Folter und politischer Indoktrinierung. Wachleute kontrollieren die Lager mithilfe von Tränengas, Elektroschockpistolen und mit Nägeln versehenen Knüppeln, wie aus Regierungsdokumenten hervorgeht, welche die Nachrichtenagentur AFP im Jahr 2018 einsehen konnte. Im Mai des Vorjahres veröffentlichte ein internationales Medienkonsortium Tausende Polizeifotos, Reden und Behördenanweisungen. In dem Datensatz findet sich eine Rede des ehemaligen Parteichefs der Region Xinjiang, Chen Quanguo, aus dem Jahr 2017. Darin heißt es, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei „zu erschießen“.

Zwangsarbeit und starke Geburtenkontrolle
Auf mehr als 2800 Polizeifotos sind Insassen zu sehen, darunter auch Minderjährige. Ein Foto zeigte einen Häftling in einem sogenannten Tigerstuhl - einer Foltervorrichtung, bei der die Beine überdehnt werden. China wird zudem vorgeworfen, mit seinen „Arbeitstransfer“-Programmen Uiguren für die Herstellung von Exportartikeln, insbesondere Textilien, auszunutzen. Peking behauptet, die Initiativen würden mit gut bezahlten Jobs für die ländliche Bevölkerung helfen, die Armut zu bekämpfen. Zu Pekings Strategie in Xinjiang gehören nach Angaben von Wissenschaftern und Menschenrechtsanwälten auch harte Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle. Demnach wird seit 2017 mit Sterilisierungen und dem Einsetzen von Spiralen versucht, die Geburtenrate ethnischer Minderheiten drastisch zu reduzieren. China hingegen führt den Rückgang der Geburten auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Veränderung sozialer Werte in der Region zurück.

„Putin wurde für die Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder zur Fahndung durch den IStGH ausgeschrieben. Warum wird dann nicht auch ein Haftbefehl gegen Xi Jinping erlassen?“, richtete die uigurische Aktivistin Rushan Abbas am Samstag über bild.de den zuständigen Behörden in Den Haag aus. Schließlich würden auch in Xinjiang gezielt Kinder von uigurischen Eltern verschleppt und in Umerziehungslager gesteckt. „Ihre Eltern erfahren nicht, an welchen Ort sie gebracht werden, jegliche Kommunikation mit den Familien wird unterbunden“, so Abbas weiter, die die Zahl der mittlerweile verschleppten Kinder auf eine Million schätzt. Die Führung in Peking spricht in diesem Zusammenhang übrigens von „Bildungseinrichtungen“. Anschließend würden die „umerzogenen“ Kinder in andere Regionen Chinas zu Adoptivfamilien gebracht. Dies geschehe schon seit Jahren, so die Aktivistin gegenüber der deutschen Zeitung.

Amnesty beklagt „Doppelmoral des Westens“ bei Menschenrechten
Erst vor wenigen Tagen hatte die Menschenrechtsorganisation die „Doppelmoral des Westens“ bei Menschenrechtsverletzungen beklagt und dabei unter anderem auch den Umgang mit China angeführt. Obwohl 2022 beispielsweise in China massive Menschenrechtsverletzungen gegen die Uigurinnen und Uiguren begangen worden seien wurden, sei Peking einer internationalen Verurteilung durch die Generalversammlung, den Sicherheitsrat und den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen entkommen. Der „resolute und begrüßenswerte Ansatz“ gegenüber Russland stehe in „scharfem Kontrast zu völlig unzureichenden Maßnahmen angesichts gegenwärtiger Konflikte“, heißt es in dem Jahresbericht 2022/23 der Organisation.

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