Der Besuch von Xi Jinping bei Putin im März hat gezeigt, wer von den beiden das Sagen hat. Eine geplante Mega-Gaspipeline verdeutlicht die Abhängigkeit Russlands von China. Putin braucht das Projekt dringend, Peking unter Umständen aber gar nicht - und schweigt dazu.
Nachdem Russland kaum noch Gas nach Europa liefert, braucht der Staatskonzern neue Absatzmärkte. Wichtigster Großkunde ist China. Deswegen hatte der russische Machthaber Wladimir Putin beim Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau laut ntv.de offensiv für zwei neue Gasrouten nach China geworben: „Fernost“ und „Kraft Sibiriens 2“. Er präsentierte Gazprom als „zuverlässigen Lieferanten“ der die „Wünsche der chinesischen Partner erfüllt und sogar zusätzliche Lieferungen geleistet“ habe.
„Geschäft des Jahrhunderts“
Schon jetzt gibt es die „Kraft Sibiriens“, mit deren Bau 2014 begonnen wurde, als Russland wegen der Annexion der Krim und darauffolgender Sanktionen neue Gasabnehmer suchte. Seit kurzem ist sie fertiggestellt, vergangenes Jahr strömten mehr als 15 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch die Leitung von Russland nach China. Ab 2026 soll die Fernost-Röhre Gas aus den reichen Vorkommen der Sachalin-Insel durch das Japanische Meer schicken, das dann bei Wladiwostok im äußersten Nordosten von China ankommen soll. Dieses 55 Milliarden Euro teure Projekt nannte Putin das „Geschäft des Jahrhunderts“.
Noch viel wichtiger und teurer ist die „Kraft Sibiriens 2“: Nach der geplanten Fertigstellung 2030 soll die Röhre 2600 Kilometer lang sein und für den Bau knapp 100 Milliarden Euro verschlungen haben. Pro Jahr soll sie dann 50 Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Westen von Sibirien über die Mongolei nach China transportieren. Damit würde sie die Liefermenge der Nord-Stream-Pipelines erreichen - und die russisch-chinesischen Kapazitäten mehr als verdoppeln.
Beim Besuch von Xi hatte Putin diese ehrgeizigen Projekte wieder und wieder erwähnt, offensichtlich in der Hoffnung auf eine endgültige Einigung. Noch ist nämlich nicht geklärt, wer sich inwieweit an den Baukosten beteiligt. In russischen Medien wurde sogar unter Berufung auf Putin davon berichtet, dass der Deal unter Dach und Fach sei. Offenbar voreilig, in chinesischen Staatsmedien wurde die Pipeline nach dem Besuch von Xi nicht erwähnt.
„Putin braucht gute Nachrichten“
Der deutsche Sinologe Helwig Schmidt-Glintzer hält das Schweigen in Peking für Verhandlungstaktik, erklärte er gegenüber ntv.de. Vermutlich wolle Xi Jinping eine gewisse Distanz wahren und in den Augen des Westens nicht zu Russland-freundlich wirken. Auch Putins Auftreten ist für den Sinologen einleuchtend: „Der braucht gute Nachrichten“, so Schmidt-Glintzer. „Putin will auch dokumentieren, dass er sich gut mit China stellt, denn auch in Russland gibt es gewisse Skepsis gegenüber der Volksrepublik. Und er verkauft diese Pläne offensiv, um deutlich zu machen, dass er das Netz, dass Russland zusammenhält, unter Kontrolle hat“.
Ein stabiles Regime in Russland ist auch für China wichtig, denn es hat kein Interesse an einem Umsturz in Moskau, das sich dann wieder der Europäischen Union annähern könnte. Für eine stabile Herrschaft braucht Putin auch sichere Einnahmequellen - eben den Gasexport. Nach wie vor stammt fast die Hälfte der russischen Staatseinnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Das weiß auch Peking. Deshalb hält es sich zum Pipeline-Projekt bedeckt, dementiert es aber auch nicht.
China hat viele Eisen im Feuer
Bei den Verhandlungen hat die chinesische Regierung trotzdem die viel bessere Position. Unter Umständen braucht man die Pipeline gar nicht. Denn chinesische Firmen haben mehr langfristige Lieferverträge abgeschlossen als alle anderen auf der Welt, berichtet das Analyseunternehmen BloombergNEF. Zu den Partnern gehören etwa Katar und die ehemalige Sowjetrepublik Turkmenistan.
Daher sehen Chinas Unternehmen wahrscheinlich keinen großen Bedarf an russischem Gas, erklärt Maria Pasthukova, Expertin für Energie und Geopolitik, gegenüber ntv. „Außerdem bietet Russland für derart große und langfristige Projekte wenig Investitionssicherheit. Vor allem unter diesem Sanktionsregime sind chinesische Unternehmen wahrscheinlich nicht bereit, da Geld reinzupumpen“, so die Expertin.
Russland könnte sich mit seinen Gas-Pipelines also massiv verkalkuliert haben. Präsident Xi wird das Projekt wohl nicht ganz begraben, kann aber den Preis in die Höhe treiben.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.